VR-Nerds – mit vier Beinen in der virtuellen Realität
Virtual Reality. Viele reden darüber, aber nur wenige wissen, was da wirklich geht. Zu denen gehören definitiv die VR-Nerds aus Hamburg – deren Name ist schließlich Programm. Wir haben sie besucht, um uns in virtuelle Welten entführen zu lassen, und sind dabei auf eine ganze Reihe cleverer Geschäftsideen gestoßen.
Um es gleich am Anfang klarzustellen: Die VR-Nerds sind kein Klub. Und auch auf Publikumsverkehr sind sie nicht unbedingt eingestellt, auch wenn man sich bei ihnen durchaus virtuelle Realitäten zeigen lassen kann. Ihr Standort am Billhorner Röhrendamm ist allerdings keiner, an dem man mal zufällig vorbeikommt.
Die VR-Nerds sind seit 2014 mit ihrem Onlinemagazin im Netz
Ihre stärkste Präsenz zeigen sie Nerds sowieso im Netz, und das seit Anfang 2014. Ihr Onlinemagazin zum Thema VR ist inzwischen das größte in deutscher Sprache. Weit mehr als ein Hobbyprojekt also, aber auch kein Geschäftsmodell. Erst seit diesem Jahr fließen kleine Werbeeinnahmen. Das heißt aber nicht, dass die VR-Nerds ihr Geld mit langweiligen Alltagsjobs verdienen müssen; längst haben sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und sich zum vielseitigen Dienstleister rund um Virtual Reality entwickelt.
Dabei arbeiten sie schon länger für richtig namhafte Auftraggeber. Anlässlich der IAA, einer der wichtigsten Automobilfachmesse der Welt, hatten sie 2015 eine VR-Inszenierung für Mitsubishi auf die Beine gestellt. Damals hatten vielleicht drei weitere Aussteller derartige Angebote, inzwischen gehören sie zum Standard bei vielen öffentlichen Veranstaltungen. Ihr Wissensvorsprung verschafft den VR-Nerds da eine vielversprechende Marktposition.
Events für große und kleine Kunden
Zu ihren Dienstleistungen gehört eine umfassende Eventbetreuung. Das gilt für große Businessmessen mit entsprechend opulenten Ausstellerständen wie für Events in kleinem Kreis. Wer bei seiner Weihnachtsfeier virtuelle Abenteuer erleben möchte, ist bei den Nerds ebenfalls richtig. Wie diese Abenteuer dann aussehen werden, hängt natürlich vom Kunden ab. In der Regel wünschen die mehr als nur 360-Grad-Filme, die sich über eine VR-Brille anschauen lassen und den Betrachter gefühlt an einen anderen, aber realen Ort transportieren.
Die eigentliche Spezialität der VR-Nerds ist die Erschaffung künstlicher Welten, die sonst nicht zugänglich wären. Das müssen nicht unbedingt ferne Planeten oder magische Königreiche sein. Mindestens genauso faszinierend ist die menschliche Haut, erst recht in der vielfachen Vergrößerung. Über eine für Beiersdorf entwickelte Applikation lässt die sich virtuell erkunden. In diesem Fall dient das im Kern dazu, die Wirkung der Hautpflegeprodukte (Nivea) von Beiersdorf zu verdeutlichen (siehe Video oben). Ähnliche Programmierungen sind aber auch für die rein wissenschaftliche Nutzung oder die Ausbildung in viel Bereichen denkbar.
Der Markt für VR-Spiele steckt noch in den Kinderschuhen
Die meisten, die sich mit VR eher am Rande beschäftigen, werden bei dem Begriff vermutlich an Videospiele denken. Dabei ist der Markt noch nicht sehr bedeutend. Zwar gibt es vermutlich über 1.000 Spiele, da sei aber „ganz viel Schrott“ dabei, meinen Christian Grohganz und Phillip Steinfatt, die beiden Nerds, mit denen wir uns getroffen haben. Die wenigsten haben zudem nennenswerten Umsatz gemacht. Auch die Zahl der bisher verkauften VR-Brillen ist überschaubar. Weltweit 1,5 Millionen mögen es sein, davon rund eine Million für die Playstation.
Gerade bei Spielen offenbaren sich die Tücken der Virtual Reality, der Kopf kommt mit der neuen Technologie noch nicht ganz klar. So fällt es wahnsinnig schwer, in einen virtuellen Abgrund zu treten, obwohl man eigentlich weiß, dass er gar nicht existiert. Das spricht für die Überzeugungskraft. Problematischer wird es, wenn Gehirn und Körper in Einklang gebracht werden müssen. Wer beispielsweise in einem Spiel ständig in Bewegung ist, in Wahrheit aber auf dem Sofa sitzt, dem wird leicht schlecht.
„Motion Sickness“ nennt sich das und fühlt sich an wie Seekrankheit. Auch Nerd Phillip macht das zu schaffen, obwohl er ein leidenschaftlicher Gamer ist. Zum Glück gibt es Spiele, die sich im Stehen prima erleben lassen. Zudem wird die Ausführung immer ausgefeilter, und zusammen mit dem Gewöhnungseffekt wird sich dadurch das Problem verringern.
Ein weiterer Hinderungsgrund für die schnellere Ausbreitung von VR ist der relativ hohe Preis für die Brillen. Zudem sind die kaum alltagstauglich und lassen sich, im Gegensatz zu Smartphones, nur begrenzt nutzen. Wie wäre es dann mit einer Alternative zum Kauf einer Brille? Als weder PC noch Internet zur Basisausstattung jeden Haushalts gehörten, hatten Internetcafés ihre große Zeit. Dort konnten Interessierte für wenig Geld ein paar Stunden ins Web eintauchen. Manche machen das heute noch.
Ein ähnliches Konzept schwebt den Nerds nun für VR vor. Dafür möchten sie das Prinzip der Arcade-Spiele ins 21. Jahrhundert herüberholen. Arcade-Spiele wurden erstmals in 1970ern in großen Automaten angeboten. Zu den Klassikern des Genres gehören Pac-Man, Donkey Kong oder Mario Bros., die später alle in PC-Versionen die Welt eroberten. Mit „Lucid Trips“ haben die VR-Nerds kürzlich ihr erstes eigenes Spiel veröffentlicht, auf der CeBIT zünden sie nun die nächste Stufe.
Bald in Hamburg: ein Freizeitreff für VR-Spiele
Dort präsentieren sie erstmals ihr neues Multiplayer-Spiel, bei dem mehrere Gamer gegeneinander antreten können. Das soll noch in diesem Jahr auch in Hamburg möglich sein, an einem Ort, der in der Größe zwischen Wohnzimmer und Lagerhalle liegen wird. Geplant ist ein Freizeittreff für VR-Begeisterte und -Neulinge, wie eine Mischung aus Internetcafé und Sportstudio. Wenn das funktioniert, wird daraus eine ganze Kette entstehen, gern auch über die Grenzen Deutschlands hinaus.
Die VR-Nerds sind also tatsächlich weit mehr als ein Kollektiv von Bloggern. Zurzeit rund 12 Personen arbeiten fast rund um die Uhr mit daran, Hamburg als Virtual Reality-Standort ganz oben auf die Liste zu setzen. Da sie dabei auf gleich vier Beinen stehen – Webmagazin, Programmierung, Eventbetreuung und Arcade-Konzept – sind die Chancen alles andere als schlecht.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!