Vast Forward – wenn das eigene Boot zum Büro wird
Ob es die eigenen vier Wände sind, ein gemütliches Café oder ein Coworking Space – wer am Computer arbeitet, kann sich den Ort, wo er das tut, inzwischen oft aussuchen. Kaum jemand nutzt diese Möglichkeit so konsequent wie Maren und Matthias Wagener. Sie führen ihre Agentur Vast Forward von einem Boot aus, mit dem sie auf dem Mittelmeer segeln. Wir haben die beiden getroffen, ausnahmsweise in ihrem Büro in Hamburg.
Im Impressum von Vast Forward ist als Adresse Herrengraben 31 angegeben. Die Räume dort sind aber ziemlich leer und werden kaum genutzt. Von einem klassischen Büroalltag kann bei der Agentur sowieso nicht die Rede sein. Das Team, zu dem eine Reihe freier Mitarbeiter zählen, ist nämlich über ganz Europa verstreut. Das gilt auch für die Gründerin Maren Wagener und ihren wichtigsten Mitarbeiter Matthias, der zugleich ihr Ehemann ist. Die meiste Zeit des Jahres verbringen sie auf ihrem Segelboot „Vast“ und führen von dort aus auch die Geschäfte. Einen festen Wohnsitz in Hamburg haben sie inzwischen nicht mehr.
2008 gründet Maren Vast Forward
Maren hat Medienmanagement studiert und von Anfang an als Freelancerin gearbeitet. Der Marketingexperte Matthias war bei mehreren renommierten Digitalagenturen angestellt und hat über seinen Job seine spätere Frau kennengelernt. 2007 zog Maren von Leipzig nach Hamburg und gründete 2008 ihr eigenes Unternehmen, das mit vollem Namen Vast Forward» Bildpunktmobilisierung GmbH heißt.
In dem Namen Vast Forward stecken schon zwei wesentliche Charakteristika der Agentur. Zuerst ist er eine Abwandlung des Begriffs „fast forward“ und spielt an auf die Fähigkeit, auf Aufträge schnell reagieren zu können. Vast Forward leistet nämlich eine Art Feuerwehrarbeit für andere Agenturen. Immer wenn rasch eine App, eine Webseite oder Onlinewerbung programmiert werden muss, ist das vom Boot aus gemanagte Unternehmen zur Stelle. Möglich macht das ein Netzwerk an freien Mitarbeitern. Das ist entsprechend „vast“, also richtig groß, um für alle Fälle und ordentliches Wachstum gewappnet zu sein. Über 150 Personen umfasst der gesamte Pool, 50 bis 60 von ihnen sind im Jahr bei rund 500 Projekten zum Einsatz.
Von der Alster auf den Atlantik
Als Maren nach Hamburg kam, hatte sie sich als Sächsin fürs Segeln bis dahin nicht interessiert. Anders Matthias, der als Bremer schon immer eine Affinität zur Seefahrt hatte. Davon inspiriert, fing Maren schon 2008 zu segeln an. Zuerst natürlich auf der Alster, aber die wurde bald zu klein. 2010 wagte sich das Paar dann auf den Atlantik und schipperte an der argentinischen Küste entlang bis nach Uruguay. Eine beeindruckende Herausforderung, die Lust auf mehr machte.
Im selben Jahr kauften sie sich ihr erstes eigenes Boot, mit dem sie vier Jahre lang die Ostsee bereisten. Zu Beginn hauptsächlich in ihrer Freizeit, aber mehr und mehr testeten sie auch, wie sich Arbeits- und Privatleben miteinander verbinden ließen. Zugleich erweiterten sie ihre Segelkenntnisse und machten sich dafür fit, die ganze Welt umsegeln zu können. Eines wurde ihnen nämlich bald klar: Auf der Ostsee ist das Wetter einfach nicht gut genug, um dort das ganze Jahr verbringen zu wollen.
Das neue Boot wird zum Büro
2014 heirateten die beiden, 2015 folgten zwei weitere entscheidende Veränderungen. Matthias, der schon immer als Unterstützer bei Vast Forward dabei war, wurde offiziell angestellt. Und mit der „Vast“ lief die brandneue Segelyacht des Paares vom Stapel. Es handelt sich dabei um ein Boot vom Typ Boreal 47, hergestellt von einer französischen Werft, und ist geeignet, sämtliche Meere zu befahren.
Im ersten Jahr ging es allerdings erstmal die spanische und portugiesische Atlantikküste entlang bis nach Gibraltar. Dass sie langsamer vorankamen als gedacht, hatte einen erfreulichen Grund. 2015 verdoppelte sich der Umsatz, die sich rasant entwickelnde Auftragslage machte längere Aufenthalte in Häfen und Flüge in die Heimat notwendig, um alles besser organisieren zu können. Dabei können sich Maren und Matthias auf inzwischen sieben Projektmanagerinnen verlassen (ja, alles Frauen!), die auf verschiedene Standorte verteilt sind.
Vieles läuft über Skype, sogar Yoga
Die Teamkommunikation erfolgt digital, hauptsächlich über Skype. Einmal in der Woche gibt es für das Projektmanagement-Team sogar Skype-Yoga mit yoga2b, ein Service, der gern genutzt wird. Auch bei den Kundenkontakten sind persönliche Begegnungen eher die Ausnahme. Vast Forward betreut keine kompletten Marketingetats und kreiert auch keine Kampagnen, sondern erfüllt Aufträge, die in kürzester Zeit bearbeitet werden müssen. Zeitraubende Meetings und Präsentationen entfallen also.
Dementsprechend hat es auf Kundenseite auch kaum Irritationen über das Boot als Firmensitz gegeben. Die Wageners sind in der Regel von 9 bis 19 Uhr erreichbar, wobei sie die Nachmittage gern mal mit einem Bad im Meer oder Besichtigungen verbringen, wenn die Auftragslage es zulässt. Und im Notfall stehen sie auch außerhalb der Kernzeit zur Verfügung. Matthias spricht in diesem Zusammenhang nicht so gern von Work-Life-Ballance. Das klingt so, als müsse ein Ausgleich zwischen der Arbeit und dem „richtigen“ Leben geschaffen werden. Viel besser passt der Begriff „Work-Life-Blending“, der unterstreicht, dass die Arbeit ein unverzichtbarer Teil des Lebens ist.
Flexibilität und Selbstbestimmung
Dazu gehören Flexibilität und Selbstbestimmung, natürlich auch für die Projektmanagerinnen, von denen drei Mütter sind. Wenn es keine festen Arbeitszeiten gibt, heißt das nicht, dass jede jederzeit verfügbar sein muss. Die Arbeitsstunden werden genau erfasst, mehr als 40 pro Woche sind es nur in Ausnahmefällen.
Die Segeltour ging 2016 weiter bis nach Sardinien, wo 2017 auch ein großes Teamtreffen stattfand, und führte im vergangen Jahr hauptsächlich durch die griechische Inselwelt. Auch 2018 wollen sie wieder das Mittelmeer bereisen, schließlich gibt es dort noch viel zu entdecken. Da die Kunden – fast ausschließlich Agenturen, aber auch Startups sind willkommen – in Deutschland, Österreich und der Schweiz beheimatet sind, wäre es zudem momentan wegen der Zeitverschiebung schwierig, durch die Karibik oder die Südsee zu kreuzen. Mittelfristig sind das aber durchaus Ziele, und Maren und Matthias ziehen sich schon teilweise aus dem operativen Geschäft zurück, um sich diesen Traum bald erfüllen zu können.
Im März geht es ohne Boot zu SXSW
Im März machen sie auf jeden Fall den Sprung über den Großen Teich, ausnahmsweise per Flugzeug. Vast Forward gehört nämlich zu den Unterstützern der Hamburger Delegation, die das SXSW-Festival in Austin, Texas besuchen wird. Die Gelegenheit, selbst bei diesem Großereignis dabei zu sein, lassen sich die beiden nicht entgehen, zumal Maren auch als Business Angel unterwegs ist. Und vielleicht bietet sich auf dem Lady Bird Lake in Austin sogar die Gelegenheit zu einem kleinen Bootsausflug.