UniPitch – Erfolg mit Leidenschaft und Professionalität
Die beiden Gewinner des UniPitches beweisen einmal mehr die große Bandbreite der Hamburger Startup-Szene. Während flow.social für Professionalität und Geschäftstüchtigkeit steht, verkörpert MikroMo Leidenschaft und Authentizität. Oder ist es doch eher umgekehrt? Außerdem gehörten zu einem guten Pitch gehörige Portionen all dieser Eigenschaften. Und gut waren die Pitches bei dem von den Hamburger Hochschulen am 12. Oktober ausgerichteten Event, da gab es keine zwei Meinungen.
Gespräche, die in gewissen gekachelten Räumen stattfinden, sollten normalerweise nicht öffentlich wiedergegeben werden, aber dieses bringt es auf den Punkt: „Alles so schön sauber hier“, sagte A, und B bestätigt: „Ja, irgendwie gar nicht ‚St. Pauli‘.“ Tatsächlich passt der Ballsaal des Millerntor-Stadions mit seinen anliegenden Örtlichkeiten gar nicht zum Klischee, dass es auf dem Kiez immer etwas abgerockt aussehen muss.
Eher gediegen ging es also zu an diesem Montagnachmittag, aber ganz bestimmt nicht langweilig. Zum einen startete da der 30. EXIST-Workshop. Zum anderen ging unter der Überschrift „Pitch Yourself“ ein öffentliches Präsenationstraining für Startups über die Bühne, dem wir unsere ganze Aufmerksamkeit gewidmet haben. Und um es vorweg zu nehmen: Es hat sich gelohnt, da schließen wir uns ganz Sebastian Tempel vom Startup Dock der TU Harburg, das federführend den UniPitch organisiert hat, an. Er bilanziert:
„Der UniPitch ist ein wunderbares Format für die Hamburger Gründerszene. Wo kann man sonst an einem Tag lernen, wie man sein Projekt perfekt präsentiert und gleichzeitig die notwendigen Unterstützer findet? So ein Event hat bisher gefehlt. Bisher haben wir nur positive Rückmeldungen erhalten, was mich sehr freut. Das nächste Jahr ist schon gesetzt!“
Pitch-Wettbewerbe gibt es viele, aber die meisten haben den Nachteil, dass die Kandidaten kein ausreichendes Feedback erhalten. Was war gut, was war schlecht, warum habe ich gewonnen, woran bin ich gescheitert, was kann ich verbessern – diese Fragen bleiben in der Regel unbeantwortet. Beim UniPitch ist das, wie gesagt, anders.
Der UniPitch lebt vor allem vom Coaching
Hier läuft der Wettbewerb in vier Phasen ab. Am Enfang steht der sogenannte Elevator Pitch, bei dem man 60 Sekunden Zeit hat, sein Startup und seine Idee vorzustellen. Danach erfolgt sofort die Reaktion der Jury, die hier vorrangig als Coachteam agiert, das viel Lob und ein wenig Kritik verteilt, immer verbunden mit Tipps, wie der Vortrag zu verbessern sei. Insgesamt acht Projekte gingen in zwei Viererblocks an den Start.
Zur Jury gehörte Elke Fleing, die als Coach und Journalistin jede Menge Erfahrung hat. Vorab gab sie schon in einem Vortrag wertvolle Ratschläge, etwa den, für verschiedene Zielgruppen (z.B. Investoren oder potenzielle Kunden) unterschiedliche Pitchdecks zu erstellen. Dabei sollte alles einfach und verständlich bleiben: nicht mehr als ein Kerngedanke pro Slide, übersichtliche und bildhafte Gestaltung und ein zuvor handschriftlich erstelltes Konzept sind ideal.
Einige ihrer Tipps konnten die Vorträger (es waren nur Männer) sofort umsetzen, und auch sonst stießen die Anregungen der Jury, zu der auch Brigitta Stilp (DEFINIO Unternehmensberatung) und Jan Graf (Unternehmensberatung Verwegener & Trefflich) gehörten, auf offene Ohren. Slaven Marinovic, Autor, Coach, Strategieberater und vierter im Jurorenbunde, bestätigt das:
„Alle Startups haben wirklich innovative Konzepte mit Potential präsentiert. Toll war auch, wie schnell die Gründer das Feedback der Coaches aufgenommen und umgesetzt haben. Dabei lagen zwischen den Durchläufen nur wenige Minuten.“
Nach dem zweiten Elevator Pitch, bei dem wirklich alle Kandidaten schon einen großen Teil ihrer Nervosität abgelegt hatten und sich deutlich verbessern konnten, mussten die Coaches schweren Herzens zwei Startups bestimmen, die nicht mehr in der nächsten Runde auftreten durften.
Getroffen hat es beim ersten Viererblock favattic, eine Lösung zur besseren Verwaltung von Lesezeichen im Internet. Und in der zweiten Hälfte Pipe Hydro Energy, wo es um Energierückgewinnung in der Wasserwirtschaft geht. Beide hatten vielleicht den Nachteil, dass ihre Konzepte in der Kürze der verfügbaren Zeit nicht so leicht zu erklären sind – aber daran kann man arbeiten, und das war ja auch der eigentliche Zweck der Veranstaltung.
Vom Elevator Pitch zum 4-Minuten-Auftritt…
Weiter ging es dann mit schon etwas längeren Auftritten. Vier Minuten und ein Slide hatten die Teilnehmer jetzt, um sich und ihre Geschäftsideen ins rechte Licht zu rücken. Das gelang auch jeweils ausgezeichnet, so dass die Jury sich noch schwerer als zuvor tat eine Auswahl zu treffen, denn nur vier von sechs kamen ins Finale.
Einen ideellen Ehrenpreis erhielt die von mexikanischen Studenten entwickelte App Swalk (Kurzform für „safe walk“), die den Nutzern einen sicheren Weg durch von Kriminalität heimgesuchte lateinamerikanische Großstädte verspricht. Ein faszinierendes Projekt, das auch deutlich macht, unter welch privilegierten Verhältnissen wir in Deutschland immer noch leben.
Ebenfalls nicht ganz in die Endrunde geschafft hat es CONNECT, eine einwöchige Konferenz für kreative Köpfe aus allen Bereichen und Ländern, eine Art Startup Weekend XXL. Das Gründerteam ist noch relativ unerfahren, hat aber schon eine erste Konferenz für Januar 2016 auf die Beine gestellt und noch einiges vor.
…und weiter ins große Finale
Für das große Finale wurden die bisherigen Coaches durch eine frische Jury ersetzt. Keine schlechte Idee, denn wenn man die selbe Idee bereits in drei oft recht ähnlichen Versionen gehört hat, stellt sich leicht ein Abnutzungseffekt ein, den die Startups nicht verdient haben.
Die neuen Juroren Dörte Bunge (Innovationsstarter), Frauke Mispagel (Axel Springer Plug and Play), Jens Uehleke (G+J Greenhouse Innovation Lab) und Andreas Wrede (Hamburg Media School) gehen also völlig unvoreingenommen ans Werk, ebenso wie Jenni Schwanenberg vom next media accelerator, deren Fazit wir schonmal voranstellen möchten:
„Ich fand die Qualität aller vier Startups wirklich beeindruckend – das hat bei weitem nichts mehr mit dem zu tun, was noch vor zehn Jahren an den Unis stattfand. Dass Hochschulen stärker auf’s Gründen vorbereiten, finde ich super, denn nicht jeder will hinterher im Corporate arbeiten.“
Was sie zu sehen bekamen, waren zum Teil schon sehr ausgereifte und am Markt erfolgreiche Geschäftsmodelle. Fashion Cloud von Look Local zum Beispiel. Sie wollen dem Modeeinzelhandel mit schlauem Onlinesupport die Umsätze sichern. 250.000 Euro haben sie dafür schon von verschiedenen Investoren eingesammelt.
Oder ExpenseCloud, vielen noch als Teneo bekannt (Anmerkung am Rande: Der neue Name ist leider auch schon vergeben…). Diese App soll die Reisekostenabrechnung revolutionieren und jede Menge Zeit und damit Geld sparen. Eine tolle Idee, nur war der Pitch ein bisschen zu sehr mit Fachausdrücken und Spezialwissen überfrachtet.
So ging der Preis von 500 Euro wie eingangs erwähnt an zwei sehr unterschiedliche Startups. Dazu noch einmal Jenni Schwanenberg:
„Wir haben zwei sehr gegensätzliche Gewinner gewählt, weil eben auch Investoren sehr unterschiedlich sind. flow.social hat einen absolut professionellen Pitch abgeliefert, man hat schnell Business und Potential verstanden. MikroMo war dafür hoch emotional und hat einen Gründer, dem man abkauft, dass er für seinen persönlichen Traum alles tun würde.“
Roland Becker von flow.social merkt man an, dass er schon viele Jahre Erfahrungen auch im Präsentieren sammeln konnte. Entsprechend souverän stellte er sein Social Media-Konzept vor, für manche schon fast zu professionell.
Social Media, neu gedacht
Dabei gehört eine gehörige Portion Abgebrühtheit dazu, um sich mit Facebook, Instgram und Snapchat anzulegen, wie flow.social es vorhat. Der Clou: 70 % der Werbeeinnahmen sollen an die Nutzer gehen, schließlich sind sie mit ihrem Content die eigentlichen Macher von Social Media. Das so verdiente Geld kann man sich auszahlen lassen oder spenden.
Während flow.social also den ganz großen Markt anpeilt, agiert Lars Grundhöfer scheinbar in einer Nische. Mit Gummiband, Alufolie, Alleskleber und einem Smartphone hat er die Fernbedienung MikroMo für eine Modelleisenbahn gebastelt, sein großes Hobby. Diese Erfindung will er nun auf die nächste Stufe bringen.
Eine Erfindung nicht nur für Nerds
Eine Idee mit hohem Nerdfaktor, denkt man, vorgetragen mit solcher Glaubwürdigkeit, dass Grundhöfer die Sympathien sofort zufliegen. Dabei ist die Erfindung gar nicht so nerdig, wenn man genauer hinschaut. Allein in Deutschland gibt es vier Millionen Eisenbahnfreaks, und die haptisch verbesserte Fernbedienung per Handy lässt sich für viele weitere Bereiche nutzen. Da steckt also großes Potenzial drin, doch Lars bleibt bescheiden:
„Für mich war der Unipitch eine tolle Erfahrung.
Nun freue ich mich darauf, ein fertiges Produkt zu entwickeln!“
Eingerahmt und aufgelockert wurden die Pitches von inspirierenden Vorträgen, von denen jeder für sich schon einen eigenen Beitrag rechtfertigen würde. Deshalb seien hier nur kurz die Namen der Redner erwähnt: Philipp Westermeyer von den Online Marketing Rockstars, Ansgar Holtman von Viva con Aqua und Tobias Hagenau von HQ Labs.
Und natürlich Sina Gritzuhn, Mitgründerin von Hamburg Startups. In bewährter Manier machte sie deutlich, wie sexy Hamburg als Startup-City ist, welche Leuchttürme und versteckte Schätze es gibt und wie der Startup Monitor helfen kann, die Gründerszene in der Hansestadt noch weiter voranzubringen.
Gratulation an alle Teilnehmer und Organisatoren, die Tolles geleistet und sich die anschließende Party beim Hamburg Startups Mixer redlich verdient hatten. Oder wie es Co-Gewinner Roland Becker für uns zusammenfasst:
„Der UniPitch war super organisiert und hat wirklich Spaß gemacht. Die Coaches haben allen wertvolle Tipps gegeben und die Inspirational Talks hatten ihren Namen tatsächlich verdient. Ich freue mich riesig, den UniPitch gewonnen zu haben und konnte dadurch beim anschließenden Startup Mixer direkt schon einige sehr interessante Kontakte knüpfen.“
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