tvey macht der Fußpflege Beine
„Zeigt her eure Füße“ heißt es in einem alten Volkslied, doch das ist nicht immer wirklich empfehlenswert. Fußpflege steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen, die erhältlichen Cremes versprühen oft den Charme von Medizinprodukten. Zwei ehemalige Beiersdorf-Mitarbeiterinnen wollen mit ihrem Startup tvey nun dafür sorgen, dass Füße die ihnen gebührende Zuwendung erhalten.
Schaut man sich die Biografien von Anna-Lena Busch und Saskia Detering an, so besteht in einer Reihe von Punkten akute Verwechslungsgefahr. Beide haben ihr Studium mit dem Schwerpunkt Marketing mit einem Master abgeschlossen (wenn auch an unterschiedlichen Universitäten), beide haben Praktika beim vor allem für seine Hautpflegeprodukte bekannten Konzern Beiersdorf gemacht und dort auch jahrelang im Brand Management gearbeitet. Fast zeitgleich fassten sie den Entschluss, Beiersdorf zu verlassen, um etwas Neues auszuprobieren.
Wer stellt sich gern Schrundensalbe auf den Nachttisch?
So viel Übereinstimmung und ihre jahrelange Freundschaft können gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gründung sein, andererseits sind bei einem Startup unterschiedliche, sich ergänzende Kompetenzen gefragt. Deshalb betont Anna-Lena, dass ihr Hauptaugenmerk auf Kreativität und Kommunikation läge, während Saskia vor allem strategisch und analytisch agiere. Beiden gemeinsam war wiederum, dass sie bei ihrem Abgang von Beiersdorf im Mai 2019 noch keine konkreten Pläne für die Zukunft hatten. Das änderte sich aber schnell.
Während eines Kurzurlaubs entwickelten sie das Konzept für eines neues Fußpflegeprodukt. Für Gesicht und Hände gibt es jede Menge Cremes und Lotionen mit den blumigsten Bezeichnungen und den kühnsten Werbeversprechungen. Für die Füße gibt es bisher eigentlich nur Schrundensalbe. Dieser Name klingt nach Krankheit und schreckt vom Kauf eher ab. Keine Frau stellt sich so etwas gern auf den Nachttisch und außerdem hinterlässt die Anwendung klebrige Finger. Das waren zwei wichtige Kritikpunkte, wie erste Kundinnenbefragungen ergaben.
Hier tat sich also eine echte Marktlücke für das gerade entstehende Startup tvey auf. Die vollkommen korrekte Schreibweise ist übrigens tvey“ mit zwei „Gänsefüßchen“. tvey bedeutet natürlich „2“, passend zu den zwei Gründerinnen und den zwei Füssen, welche die meisten von uns täglich beanspruchen, ohne ihnen die verdiente Pflege zukommen zu lassen. Selbst Schuhe werden manchmal sorgfältiger behandelt. Besonders beliebt ist dabei Schuhcreme, die über einen Applikator genannten kleinen Schwamm aufgetragen wird, der direkt an der Tube befestigt ist.
Der Applikator für Schuhcreme als Vorbild
Dieses Prinzip greift tvey bei seinen Produkten auf. Natürlich ist der Schwamm hochwertiger als bei Schuhcreme, aber auch hier hilft er bei der gleichmäßigen Verteilung des Pflegemittels, ohne dass man sich dabei die Finger schmutzig macht. Wie gut das Konzept ankommt, konnten Anna-Lena und Saskia nicht nur bei Gruppengesprächen im Freundeskreis feststellen. Eine breiter aufgestellte Marktforschung, im September 2019 mit dem Hamburger Startup Appinio durchgeführt, bestätigte ihren Kurs. Und schon im Juni hatten sie in München auf der Fachmesse CosmeticBusiness viel positive Resonanz erfahren.
Bei der Suche nach den richtigen Geschäftspartnern wurden sie relativ schnell in Bayern fündig. Dort sitzt das Unternehmen, dass die Cremes entwickelt und produziert. Schwieriger zu finden war da schon ein Produzent für die Verpackung inklusive Applikator. Ein Spezialist für die Klärung solcher Fragen ist Treffpack aus Hamburg. Treffpack ermittelte einen Produktionspartner in China, der die Kriterien erfüllte. Somit schien alles geregelt und nach der offiziellen Gründung im Januar 2020 sollte eine Crowdfunding-Kampagne tvey einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen und für die Finanzierung der ersten Charge sorgen.
Die Corona-Zwangspause brachte auch einen Vorteil
Doch dann schlug Corona zu und der Produzent aus China konnte nicht mehr liefern. Damit war auch das Crowdfunding gestoppt, bevor es überhaupt begonnen hatte. Im Nachhinein stellte sich diese Zwangspause sogar als Vorteil heraus. tvey fand in Frankreich nämlich einen neuen Verpackungsproduzenten, der zwar etwas teurer war, aber eine kleinere Startauflage akzeptierte. Dadurch entfiel die Notwendigkeit einer Fremdfinanzierung und somit auch einer Crowdfunding-Kampagne.
Seit dem 3. Juli ist die Fußpflege von tvey nun endlich im eigenen Onlineshop erhältlich. Drei Sorten gibt es, die sich unter anderem durch den Geruch und den Anteil an Urea, auch Harnstoff genannt, unterscheiden. Der hilft vor allem gegen trockene Haut. Die Sorte „hin und weg“ kommt ganz ohne aus, bei „geht doch“ liegt der Anteil bei 2 % und „läuft“, entwickelt für besonders strapazierte Sportlerinnenfüße, enthält 10 % Urea. Die Auslieferung der ersten bereits erfolgten Bestellungen ist ab dem 1. August geplant.
tvey präsentiert sich hochwertig
Der Preis pro Tube mit 75 ml Inhalt liegt bei 15 Euro. Damit positioniert sich tvey bewusst im höherpreisigen Marktsgement. Schließlich will man ja keine Schrundensalbe sein. Davon zeugt auch das Verpackungsdesign in Pastellfarben, das sich deutlich von der medizinischen Anmutung anderer Fußpflegemittel absetzt. Das Design trägt die Handschrift der Gründerinnen, umgesetzt hat es eine freiberufliche Designerin. Auch wenn Anna-Lena und Saskia erwiesene Marketingexpertinnen sind und das bei der Entwicklung der Marke tvey sicherlich geholfen hat, haben sie sich mit Werbeaktivitäten bisher sehr zurückgehalten.
Das wird sich in den kommenden Wochen und Monaten ändern. Wenn die ersten, hoffentlich positiven Kundinnenbewertungen eintrudeln, soll es in die Marketingoffensive gehen. Auch Gespräche mit dem Einzelhandel stehen dann auf der Agenda, denn langfristig soll tvey zu einem Artikel für ein breites Publikum werden. Obwohl die Marke bisher auf eine weibliche Zielgruppe ausgerichtet ist, dürfen selbstverständlich ebenso Männer zugreifen. Deren Füße müssen schließlich auch einiges aushalten.
Alle Fotos: tvey