Tino Hoffrichter: von Jaano zu Gym-Nutrition
Was macht eigentlich Tino Hoffrichter? Nach dem Aus seines Scootersharing-Startups Jaano im vergangenen Jahr ist der Gründer mit seinem neuen Unternehmen Gym-Nutrition wieder gut im Geschäft. Wie es dazu kam und die ganze Geschichte über Jaano verrät uns Tino im Interview.
Hallo Tino, danke, dass Du uns für ein Interview zur Verfügung stehst! Wir haben ja alle mit Bedauern das operative Aus von Jaano im Februar 2017 mitbekommen. Warum habt Ihr Euch damals dazu entschieden?
Nachdem wir 2013 die Idee für Jaano hatten haben wir unglaublich schnell einen Prototyp entwickelt und diesen in einer Testphase 2014 mit 15 Rollern auf die Straßen Hamburgs gebracht, um einen erstes Proof of Concept zu haben. Es gab ja kein vergleichbares Free-Floating Scootersharing.
Anschließend sind wir mit den vielversprechenden KPIs der Testphase auf weitere Investorensuche gegangen. Leider hat sich die Investorenfindung über die nächsten zwei Jahre als nicht so erfolgreich wie erhofft herausgestellt, sodass wir das Konzept mit Eigenkapital nur auf 50 Roller ausweiten konnten und damit knapp break-even waren.
Als Geschäftsführer haben wir nach gut zwei Jahren erfolgloser Investorensuche unserer Verantwortung entsprechend die Entscheidung getroffen, das operative Geschäft einzustellen und das Businessmodell abzuwandeln. Wir haben diese Entscheidung getroffen, da wir angesichts des ausbleibenden Investments zu wenig Kapital zur weiteren Expansion hatten und das Businessmodell mit der geringen Rolleranzahl zu wenig Kapital zum Bootstrapping abwarf.
Was glaubst Du, woran lag es, dass das erhoffte große Investment ausgeblieben ist?
Als Unternehmer ist es meines Erachtens unerlässlich, den Fehler bei sich selbst zu suchen. Vor allem dann, wenn vergleichbare Modelle wie Emmy Finanzierungsrunden abschließen konnten. Retrospektiv denke ich, dass es hauptsächlich an zwei bis drei Faktoren lag. Einer der größten Faktoren liegt in der Entscheidung gegen einen Elektroroller. Wir waren damals der Überzeugung, dass die Elektroroller noch nicht so weit seien und wollten unseren Kunden die bestmögliche Qualität bieten. Die E-Roller auf dem Markt hatten damals eine unglaublich geringe Reichweite und Verarbeitungsqualität bei einem sehr hohen Preis. Wie der Vergleich zu Emmy aber zeigt, geht es dem Kunden nicht so sehr um die Qualität der Roller, als vielmehr die Rollerdichte und Distanz zum nächsten Fahrzeug. Das haben wir falsch eingeschätzt.
Ein weiterer Faktor liegt in der Standortentscheidung Hamburg. Das Wetter ist hier einfach zu schlecht. Investoren fällt es natürlich leichter an ein solches Konzept zu glauben, wenn das Wetter in der Zielstadt vorwiegend gut ist.
Einer der wichtigsten Faktoren für das Ausbleiben liegt auch im Gründerteam selbst. Wir waren damals nicht in der Lage an einem Strang zu ziehen. Jaan war sehr viel in seinem eignen Unternehmen eingebunden. Ich selbst war noch damit beschäftigt mein Studium abzuschließen und keiner hat es geschafft den Sprung zu machen Vollzeit für Jaano Gas zu geben. Aber der Schlüssel zum Erfolg als Unternehmer liegt darin, aus den vergangenen Fehlern zu lernen und diese nicht mehr zu machen. Dementsprechend sind die Aufgaben in jetzigen Projekten klar verteilt. Wir kennen unsere gegenseitigen Stärken und setzen diese bewusst ein.
Wie ging es nach dem operativen Aus von Jaano weiter?
Entgegen vieler Berichterstattungen sind und waren wir nicht insolvent. Wir mussten das nach der Veröffentlichung erst mal klarstellen.
Nach dem Aus haben wir ein Event veranstaltet, bei dem wir alle verbleibenden Roller versteigert haben. Das Interesse war groß und auch wenn es schmerzhaft war haben wir an einem Tag fast 50 Roller verkauft.
Nach dem operativen Aus haben wir uns dazu entscheiden die selbst entwickelte Flottenmanagement-Software von Jaano, die ja schon praxiserprobt war an andere Sharingdienstleister und Mobilitätsplattformen, die noch keine eigene Softwarelösung hatten zu vertreiben. Dabei kam uns die Erfahrung, die wir bei Jaano gesammelt haben natürlich zugute, da wir genau wissen, was der Endkunde jetzt im B2B Bereich benötigt.
Unabhängig davon haben wir uns dem Thema Shared Mobility aber nicht komplett abgewandt. Ganz im Gegenteil. Bei Jaano haben wir mittlerweile ein Joint Venture mit Wissenschaftlern, welches Algorithmen zum Thema Repositionierung der Fahrzeuge und autonomen Fahren entwickelt. Wir sind bereits in guten Gesprächen mit größeren Mobilitätsplattformen, die Interesse angemeldet haben.
Dein neues Startups heißt Gym-Nutrition. Wie kam es zu dem Schwenk von Mobility zu Nahrungsergänzungsmitteln?
Björn, mein Partner bei Gym-Nutrition, und ich trainieren schon seit zehn Jahren und haben im Bereich Nahrungsergänzungsmittel für Kraftsportler einen riesigen Nachholbedarf gesehen. Die Zielgruppe wird zum größten Teil von Firmen bedient, die mittlerweile so groß und unbeweglich sind, dass sie den Bedarf der Zielgruppe, der sich innerhalb der letzten Jahre stark geändert hat, nicht mehr verstehen. Früher hat es gereicht, ein Whey-Protein mit guten Proteinwerten herauszubringen. Das konnte scheiße aussehen und widerwärtig schmecken. Heutzutage muss nicht nur der Proteingehalt stimmen, sondern das Produkt muss auf anderen Ebenen, wie Herkunft, Design, Geschmack und so weiter, absolut spitze sein, um eine hohe Customer Returnrate zu gewährleisten. Genau da sind wir rein und bauen eine Marke, die alle Dimensionen von Qualität über Geschmack und Löslichkeit bis zum Design miteinander verbindet.
Du erwähntest gerade Deinen Geschäftspartner Björn. Stell uns bitte das Team von Gym-Nutrition kurz vor!
Da wäre zunächst Björn Bartels, COO und Co-Founder. Björn ist der Fitnessfreak, der genau weiß, was die Szene will. Er hat vor Gym-Nutrition als Teamleiter und Fleetmanager bei Jaano bereits Erfahrungen im Aufbau eines Unternehmens gesammelt.
Johannes Walter ist bei uns Head of Product Develoment. Auch er ist ein Fitnessfreak, dazu Personal Trainer und Marketingprofi. Außerdem ist Experte in Sachen Inhaltsstoffe und Studienlagen. Zusammen mit Björn entwickelt er evidenzbasierte Nahrungsergänzungsmittel.
Schließlich habe ich als CEO und Co-Founder bei Gym-Nutrition ein bisschen die Rolle als Visionär übernommen. Ich habe einen Bachelor in Psychologie und wie schon erwähnt mit Jaano als Unternehmer bereits einiges erlebt.
Wie ist Gym-Nutrition finanziert?
Komplett durch Eigenkapital. Wir haben bei einer jährlichen Wachstumsrate von fast 700 % aber auch viele Anfragen von Investoren.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?
Wir wollen vor allem im Offlinebereich weiter expandieren. Da ich zurzeit viel in den Staaten bin, steht zwangsläufig auch die Expansion in die USA auf dem Schirm. Mehr darf ich noch nicht verraten.
Angesichts der Erfahrungen, die Du bereits gemacht hast: Welche Tipps hast Du für Gründerinnen und Gründer, und welche Fehler sollten sie unbedingt vermeiden?
Meines Erachtens gibt es nicht den einen Fehler. Es ist eher ein Sammelsurium an richtigen Entscheidungen, die getroffen werden, wenn der Gründer oder die Gründerin das richtige Mindset hat. Ein Unternehmen steht oder fällt mit der Unternehmerpersönlichkeit. Dementsprechend würde ich jedem Unternehmer empfehlen, so viel Zeit wie möglich in seine Persönlichkeitsentwicklung zu investieren und zu lernen richtig zu delegieren.
Vielen Dank für das Interview!
Fotos: Gym-Nutrition