TILTA – wenn ein Videospiel Realität wird
Hamburg gilt als Hochburg der Gamesbranche, und auch in Sachen Virtual Reality passiert hier einiges. „The Imperial Lasertag Academy“ (TILTA) ist allerdings ziemlich einmalig, den hier wird quasi ein Videospiel in die reale Welt übertragen. Die Spielfläche in einer ehemaligen Tennishalle steht kurz vor der offiziellen Eröffnung, und wir haben uns dort mal umgesehen.
„Das Jahr 2069. In der Galaxis ist ein Wettlauf um das wertvolle Puro-Kogganium entbrannt. Jetzt braucht die Menschheit Trooper wie Dich um den Frieden zu wahren.“ So ähnlich fangen viele Science Fiction-Filme und -Romane an, und genau so werden Besucher der Webseite von The Imperial Lasertag Academy (TILTA) neugierig gemacht.
In der TILTA werden Rekruten darauf vorbereitet, einen kostbaren Rohstoff zu sichern, hinter dem Außerirdische ebenfalls her sind. Dabei werden auch Schüsse abgefeuert, die aber niemals tödlich sind, sondern nur ein Schutzschild deaktivieren und den Getroffenen vom Ort des Geschehens „wegbeamen“. Es kommt auf Teamgeist an, strategisches Vorgehen und nicht zuletzt körperliche Fitness, denn es wird viel gerannt in der Academy. So lässt sich grob das in einer ziemlich dunklen Halle stattfindende Spielgeschehen zusammenfassen, das die Besucher der Anlage ganz in der Nähe des Flughafens in Fuhlsbüttel erwartet.
Eine neue Dimension von Lasertag
Mindestens ebenso spannend wie die Fiktion des Spiels ist die wahre Entstehungsgeschichte der TILTA. Ihr Erfinder ist der Toningenieur Sandro Sachs, der nach 20 Jahren in der Werbe- und Musikbranche den Wunsch verspürte, etwas völlig Neues zu machen. Als großer Science Fiction-Fan und Paintball-Spieler stieß er auf Lasertag, einem Manschaftsspiel, bei dem die Teilnehmer mit Infrarotsignalgebern aufeinander „schießen“. Das gab es also schon, aber nicht in der Qualität und Dimension, die Sandro vorschwebte. Also dachte er sich die Geschichte der Academy aus und fasste seine unternehmerischen Vorstellungen 2011 in einem Businessplan zusammen.
In dem Kulturinvestor Klausmartin Kretschmer, dem in manchem Presseartikel gern das Attribut „selbsternannt“ vorangestellt wird, fand Sandro einen Unterstützer. Ein Jahr Entwicklungszeit ermöglichte er ihm in einer Lagerhalle, eine frühe Version des neuen Spiels gewann beispielsweise bei Weihnachtsfeiern schon erste Fans, durch Mundpropaganda wurden es mehr. Bald begann daher die Suche nach einen größerem festen Standort. Fündig wurde Sandro im Wittekopsweg, wo eine ehemalige Tennisanlage schon einige Jahre leer stand.
TILTA ist ein sportliches Spiel
Das Gelände umfasst insgesamt rund 17.000 Quadratmeter und war über das städtische Immobilienunternehmen Sprinkenhof GmbH relativ günstig zu mieten. Einzige Voraussetzung: Das Areal musste für sportliche Zwecke genutzt werden. Bei der TILTA geht wie gesagt es ziemlich sportlich zu, das war also keine Hürde. Das sollte eigentlich auch der Bauvorantrag nicht sein. Tatsächlich dauerte es dann 15 Monate, bis der durch war. Ein einzelner Politiker hatte sich lange Zeit quergestellt, warum, ist Sandro bis heute nicht vollständig klar.
Auch mit seiner ersten Bank hatte er mächtig Ärger, als die die Kreditgebühren plötzlich um 100 % erhöhen wollte. Daraufhin ging er zur Volksbank, von der er sich jetzt gut betreut fühlt. Insgesamt ist das Projekt zu jeweils etwa einem Drittel durch den Bankkredit, Eigenkapital und sechs Gesellschafter aus Hamburg finanziert. Über 700.000 Euro stecken bereits in der TILTA. Kurzfristig war der Standort gefährdet, weil es Überlegungen gab, dort ein Erstaufnahmelager für Flüchtlinge einzurichten. Eigentlich eine gute Sache, doch es steckte zu dem Zeitpunkt auch schon die Arbeit von zweieinhalb Jahren in dem Projekt. Zum Glück wurde die Anlage dann doch nicht dafür benötigt.
Behördenärger droht das Projekt zu stoppen
Alles klar also? Leider nicht, denn schließlich gibt es noch das Bauprüfamt! Das hat natürlich seine Berechtigung, denn bei einem aufwändigen Komplex wie der TILTA müssen die Sicherheitsfragen genau geklärt sein. Sandro hatte sich deshalb erfahrende Brandschutzexperten geholt, und alles schien auf dem besten Weg, als es dann nach acht Monaten hieß: So geht das gar nicht. Die Behörde zerpflückte das ganze Konzept und stellte plötzlich Forderungen, die jeden finanziellen Rahmen gesprengt hätten. Das hätte das Aus für die Academy bedeuten können, wäre da nicht Bezirksamtsleiter Harald Rösler gewesen.
Der feierte im April 2016 bereits sein 50-jähriges Dienstjubiläum und ist immer noch mit vollem Einsatz bei der Sache. Die TILTA hat Rösler von Beginn an unterstützt, und er setzte sich auch in dieser Notsituation vehement für sie ein. So konnte es, unter zumutbaren Auflagen, nach drei Wochen weitergehen. Trotzdem gab es immer wieder kleine Nadelstiche und Verzögerungen, wenn etwa ein Sachbearbeiter im Amt wechselte. Der ursprünglich geplante Start im Oktober 2016 war nicht einzuhalten, und durch die ganzen Querelen klaffte schließlich ein Loch von über 200.000 Euro im Etat.
Bei TILTA ist fast alles Marke Eigenbau
Dabei konnten die Kosten für ein Projekt dieser Größe erstaunlich niedrig bleiben, denn das insgesamt sechsköpfige TILTA-Team macht fast alles selbst. Das gilt für das Design und Ausstattung genauso wie für die technischen Entwicklungen. Eine wichtige Rolle spielt dabei Florian Hansen, der wie Sandro als Geschäftsführer fungiert. Er kam im Januar 2016 erst als Spieler, dann als Freelancer und schließlich als fester Mitarbeiter dazu.
Wegen der beschriebenen Probleme konnten Sandro, Florian und ihre Mitstreiter, die übrigens alle Namen wie „Sierra“ und „Houston“ (nach den Anfangsbuchstaben der Nachnamen) und Titel wie „Master Chief“ oder „Master of Arms“ tragen, längst nicht alle Pläne umsetzen. So fehlt zurzeit das Geld für die Entwicklung einer Software, die eine weitreichende Spielanalyse und -dokumentation ermöglicht. Ziel ist es, ein Videospiel so weit wie möglich in die Realität zu übertragen. „Dann wären wir einzigartig“, hofft Sandro.
Und das ist längst nicht alles. Das noch brachliegende Außengelände, ehemalige Ascheplätze, soll ebenfalls zur Spielfläche umfunktioniert werden. Bei dem einem Standort soll es auch nicht bleiben, die Entwicklung eines Franchisemodells sei durchaus „Sinn der Sache“. Bevor es dazu kommt, muss allerdings zuerst die offizielle Eröffnung der abgespeckten Hallenvariante der TILTA über die Bühne gehen. Nachdem einige Testspiele schon erfolgreich verlaufen sind, ist Sandro fest entschlossen, das noch im April zu bewerkstelligen. Im Zweifelsfall wird Bezirksamtsleiter Rösler schon für galaktischen Frieden sorgen.
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