Tenzir ist die Spezialeinheit gegen Cyberangriffe
Immer wieder sorgen Cyberattacken für Schlagzeilen. Herkömmliche Antivirenprogramme und Firewalls reagieren oft zu spät und bieten nicht den optimalen Schutz. Das Startup Tenzir hat den Kampf gegen die Angreifer aus dem Web aufgenommen und entwickelt eine Schutzsoftware der nächsten Generation.
Virenschutzprogramme gehören zur Grundausstattung eines jeden Computers und erst recht der IT von Unternehmen. Die meisten erledigen auch wacker ihre Arbeit, haben aber einige entscheidende Nachteile. Zunächst können sie nur Schadsoftware aufspüren, die sie auch als solche erkennen. Natürlich erhalten die Schutzprogramme permanent Aktualisierungen, aber Hacker lassen sich eben auch ständig neue Wege einfallen, um Computersysteme zu infiltrieren. Das ist ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel, oder wie das Rennen zwischen Hase und Igel.
Cyberangriffe haben oft eine lange Geschichte
Auch wenn es so wirkt, geschehen Cyberattacken nicht über Nacht. Oft ziehen sie sich über Monate hin. Zu Beginn dringen Teile von Schadprogrammen in einen Computer ein, ohne zunächst irgendeine Wirkung zu erzielen. Sie dienen vielmehr als Spione, die herausfinden sollen, wo sich Sicherheitslücken befinden und ein Angriff am einfachsten und effektivsten durchführen lässt. Irgendwann ist dann der Zeitpunkt für den großen Angriff gekommen, der für große Aufregung sorgt und hoffentlich erfolgreich abgewehrt werden kann. Was fehlt, ist eine Historie der Attacke.
Hier kommt Tenzir ins Spiel, denn die Software des Hamburger Startups funktioniert im Prinzip wie ein Flugschreiber. Der hilft mit seinen Daten, bei einem Flugzeugabsturz den Hergang und die Ursache zu ermitteln, wodurch idealerweise eine weitere ähnliche Katastrophe verhindert werden kann. Tenzir sammelt ebenfalls kontinuierlich Daten und kann daraus den Ablauf des Cyberangriffs rekonstruieren. Wann hat alles angefangen? Wie ist die Schadsoftware in mein System eingedrungen? Welche meiner sensiblen Daten sind betroffen? Das sind einige der wesentlichen Fragen, die Tenzir beantworten kann.
Der Informatiker Dr. Matthias Vallentin hat nach seinem in München abgeschlossenen Master einige Jahre an der Universität von Berkeley, Kalifornien über Cybersicherheit geforscht. Dabei stieß er eines Tages auf die Masterarbeit von Dominik Charousset aus Hamburg und fand darin viele Gemeinsamkeiten mit den Themen, die ihn beschäftigten. Fünf Jahre führten die beiden eine wissenschaftliche Fernbeziehung, lernten sich auf Konferenzen besser kennen und beschlossen schließlich, ihre Erfahrungen in ein gemeinsames Unternehmen einzubringen. Gegründet im Herbst 2017, fiel der offizielle Startschuss von Tenzier am 1. Januar 2018, nicht zuletzt aus persönlichen Gründen am Standort Hamburg.
Tenzir geht in vier Dimensionen auf Virensuche
Als dritter Informatiker kam im Juli 2018 Tobias Meyer dazu. Tobias hat in Erlangen und Berlin studiert und sich für das Fraunhofer Institut mit Videocodierung beschäftigt. Matthias Schwester Julia sorgt als Juristin dafür, dass in puncto Datenschutz alles mit rechten Dingen zugeht bei Tenzir. Der Name leitet sich übrigens von dem mathematischen Begriff Tensor ab, der in Zusammenhang mit Vierdimensionalität steht. Mit der vierten Dimension ist in der Regel die Zeit gemeint, die bei der Datenanalyse von Tenzir wie schon erwähnt eine wichtige Rolle spielt. Das „ir“ im Namen steht außerdem für „incidence response“, also Reaktion auf einen Vorfall. Aber vielleicht sollte man auch nicht zu viel in den Namen hineingeheimnissen.
Die Forschungsarbeiten der Gründer waren auf riesige Datenmengen angelegt, weshalb Tenzir Kunden jeder Größenordnung bedienen kann. Die Unternehmen benötigen auf jeden Fall einen Mitarbeiter, der die Analyseergebnisse auch verstehen und verarbeiten kann. Beim kleinen Handwerksbetrieb um die Ecke wird das eher nicht der Fall sein, dort ist die Gefahr eines Angriffs aber auch nicht so groß. Bisher evaluiert Tenzir seine Software in Projekten mit dem Forschungszentrum CERN und dem Karlsruher Institut für Technologie; die Vermarktung läuft gerade erst an. Im ersten Schritt wird dabei der Mittelstand im Fokus stehen. Business Angel unterstützen das Startup seit dem Start, inzwischen erhält es auch eine Förderung durch das InnoRampUp-Programm der IFB.
Früherkennung ist der nächste Schritt
In Zukunft will Tenzir seine digitale Detektivarbeit noch verfeinern und Cyberangriffe schon im Anfangsstadium aufdecken. Scheinbar harmlose Abweichungen vom üblichen Tagesbetrieb können ein Indiz sein, wobei darauf zu achten ist, dass ein solches Frühwarnsystem nicht voreilig anschlägt. Falscher Alarm könnte im Wiederholungsfall zur Desensibilisierung führen und dazu, dass echte Probleme dann nicht mehr ernst genommen werden. Es bleibt auf jeden Fall spannend, denn die Hackerszene lässt nicht locker, aber die Hamburger Spezialeinheit gegen Cyberangriffe zum Glück auch nicht.