Startups@Reeperbahn Pitch 2016: die glorreichen Fünf
Was haben eine Software zur Webseitenbeschleunigung, eine App für glückliche Pferde, eine Drohne, die 360-Grad-Aufnahmen macht, eine Plattform für Sportsponsoring und eine App, die einem beibringt Gitarre zu spielen, gemeinsam? Sie und die dazugehörigen Startups sind die Stars beim diesjährigen Startups@Reeperbahn Pitch. Die Show steigt am 21. September im Gruenspan, und den Siegern winkt ein Mediabudget im Wert von 100.000 Euro von der WELT. Wir sagen, wer genau die Finalisten sind und wie es zu der Entscheidung kam.
Es war an einem Freitagnachmittag, an einem der wärmsten und sonnigsten Tage in einem nicht unbedingt von der Sonne verwöhnten Hamburger Sommer, und gut zwei Dutzend eigentlich vernünftige Menschen fanden sich außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit in einem Konferenzsaal zusammen. Also drinnen. Und ohne Ausgang auf eine Terrasse oder einem Balkon. Und das ganz freiwillig.
Diese Leute sind nämlich 26 Startupexperten – Investoren, Journalisten, und andere, die sich professionell mit jungen, innovativen Unternehmen beschäftigen. Eingeladen worden waren sie von Sanja Stankovic und Sina Gritzuhn, den Gründerinnen von Hamburg Startups, die das Wochenende zuvor nicht weniger als 120 Pitchdecks durchgesehen und daraus die 27 vielversprechendsten Kandidaten für die vierte Ausgabe vom Startups@Reeperbahn Pitch herausgefiltert hatten.
Fünf Startups haben es schließlich ins Finale geschafft, und da das eine schöne Zahl ist und Listicals, also aus Aufzählungen bestehende Artikel besonders beliebt sind (zumindest bei Onlinejournalisten), fassen wir die Erkenntnisse des Nachmittags unter dem Motto 5 DINGE, DIE WIR BEI DER KURATORIUMSSITZUNG GELERNT HABEN zusammen.
1. Einer weiß immer Bescheid – mindestens
26 Kuratoriumsmitglieder plus die beiden Organisatorinnen – sind das nicht zu viele, die da mitreden? Nein, nicht, wenn die Mischung die richtige ist. Und die ist dann richtig, wenn Leute mit möglichst unterschiedlichen Fachkompetenzen am Tisch sitzen. Jeder von ihnen hatte die Patenschaft für einen der Teilnehmer übernommen und sich vorab schon genauer informiert. Zusätzlich gab es garantiert immer noch mindestens eine Person in der Runde, die das Gründerteam, den Markt oder die Geschäftsidee aus eigener Erfahrung besonders gut beurteilen konnte. So war gewährleistet, das auch kompliziertere Produkte und vermeintliche Nischenthemen die verdiente Aufmerksamkeit bekamen. Jurymitglied Maximilian Olk von der Deutschen Bank bestätigt das:
Die Arbeit im Kuratorium war spannend, intensiv und vor allem sehr vielfältig. Bei den vielen eingereichten Pitchdecks und den sehr guten Ideen war es nicht einfach die Top 5 zu finden. Dank der unterschiedlichen Branchenkenntnisse des Kuratoriums haben wir jedoch eine sehr gute Auswahl treffen können, die uns allen am 21. September mit Sicherheit viel Freude auf der Bühne bereiten wird.
2. Wer ein gutes Pitchdeck abgibt, ist klar im Vorteil
„Ich wollte die echt irgendwie gut finden, aber…“ Wir verraten natürlich nicht, wer das über welches Startup gesagt hat, doch die darauf folgende Kritik lässt sich leider auf viele Bewerber übertragen. Eine Menge der Pitchdecks genannten eingereichten Präsentationen waren, nett gesagt, verbesserungswürdig. Manche blieben schlichtweg rätselhaft. Über die konkrete Idee war da wenig zu erfahren, über das Team ebenso, und noch weniger über das Geschäftsmodell: Wie soll da jetzt eigentlich Geld verdient werden? Welche Zahlen liegen schon vor? An alle zukünftigen Teilnehmer schon heute der eigentlich banale, aber unverzichtbare Tipp: Googelt den Begriff „Pitchdeck“, schaut Euch an, was das enthalten soll, setzt das um, und ihr seid schon einen großen Schritt weiter.
3. Hartnäckigkeit zahlt sich aus
Wer von den diesjährigen Kandidaten jetzt seine Präsentation noch einmal unter die Lupe nimmt, feststellt, das die wohl doch nicht so toll war wie gedacht und sich ein Loch in den Bauch ärgert – nicht verzagen. Es gibt immer noch eine zweite Chance, bei diesem oder einen anderen Wettbewerb. Wer aus welchen Gründen auch immer in diesem Jahr das Finale nicht erreicht hat, sollte an seiner Idee und seiner Selbstdarstellung feilen und es auf jeden Fall nächstes Jahr wieder probieren. Zwei aus der diesjährigen Top 5 haben den Durchbruch sogar noch bei ihrem dritten Versuch geschafft.
4. Hamburg hat die Nase vorn
Der Startups@Reeperbahn Pitch ist ein internationaler Wettbewerb und entsprechend bunt gemischt war auch das Teilnehmerfeld. Am Ende haben sich dann trotzdem vier Startups aus Hamburg durchgesetzt (und eines aus Berlin). Hatten die einen Heimvorteil, und spielte bei der Juryentscheidung der Lokalpatriotismus eine Rolle? Vielleicht, ein bisschen. Wir glauben aber eher, dass die Hamburger Kandidaten, die es geschafft einfach objektiv gut sind.
5. Ein gutes Kuratorium hat Leidenschaft und Disziplin
Und wo wir gerade beim Verteilen von Lob sind: Eine große Portion davon gehört sicherlich EY, die den Wettbewerb von Beginn an unterstützen. Dieses Jahr unter anderem mit einem besonders gut klimatisierten und mit reichlich Getränken ausgestatteten Konferenzsaal, der die Hitze des Tages vergessen ließ. Die Mitglieder des Kuratoriums hätten vermutlich auch schlechtere Bedingungen in Kauf genommen, zu groß war und ist ihre Leidenschaft für die Startup Welt. Das wurde in den Diskussionen über jeden einzelnen Kandidaten deutlich.
Diszipliniert waren sie auch; für 18 Uhr war die Entscheidung angesetzt, und tatsächlich, fast auf die Minute pünktlich standen die fünf Gewinner fest. Vielleicht lag das auch daran, dass auf die meisten noch ein leckeres italienisches Abendessen im Restaurant Cucina D’Elisa wartete. Und das hatten sie sich dann auch redlich verdient. Jan Brorhilker, Partner beim Gastgeber EY, fasst für sich den Nachmittag zusammen:
Auch bei der 4. Ausgabe nimmt der Zulauf an Bewerbungen nicht ab. Ein Zeichen für den hohen Stellenwert des Pitches. Das Kuratorium – in neuer Zusammensetzung – hat lange diskutiert und tolle Start ups ausgewählt. Jetzt bin ich auf die finalen Pitches gespannt.
Und das sind die fünf Finalisten für den Startups@Reeperbahn Pitch!
Ein gutes Beispiel dafür, dass auch ein Unternehmen eine Chance hat, das ein eher kompliziertes Thema anpackt, ist Baqend. Backend-as-a-Service nennt sich ihr Angebot, das eine Cloud-Lösung für die Beschleunigung von Webseiten und Apps verspricht. Das muss nicht jeder auf Anhieb im Detail verstehen, aber die, die sich auf diesem Gebiet auskennen, sind begeistert. Bleibt zu hoffen, dass das Team von Baqend auch dem großen Publikum auf dem Reeperbahnfestival sein brillantes Konzept nahebringen kann. Malte Lauenroth von Baqend sagt:
Wir freuen uns alle sehr dabei zu sein. Das Festival ist ja inzwischen eine Institution. Als Unternehmen mitwirken zu dürfen ist für uns ein riesen Lob und Motivation, unsere Vision eines Webs ohne Ladezeiten noch schneller umzusetzen.
Im Englischen gibt es den Begriff „Dark Horse“ für einen Teilnehmer ursprünglich an einem Pferderennen, später an jeder Art von Wettbewerb, den zu Beginn niemand so richtig auf dem Zettel hat.Zu keinem Finalisten passt dieser Begriff so gut wie zu Horse Analytics. Klar, natürlich weil es sich dabei um eine App handelt, mit der sich die Aktivitäten von Pferden überprüfen und analysieren lassen. Aber auch, weil das Unternehmen noch völlig am Anfang steht, gerade erst Tester für seine Betaphase sucht und noch nicht einmal ein Logo hat. Zum Glück saß das geballte Pferdefachwissen im Kuratorium, und so waren am Ende alle überzeugt, das hier das Potenzial drin steckt, einen riesigen Markt mit zahlungskräftigen Kunden im Galopp zu erobern. Gründerin Enri C. Strobel:
„Im Ländle sozialisierte Hamburgerin aus Sachsen mit Startup in Hannover für das die Idee in Berlin entstanden ist, dazu Polo-liebende Geekette – Gegensätze faszinieren und inspirieren mich, und welcher Ort bringt Wirtschaft, Gesellschaft, Kunst und Technologie besser zusammen als die Reeperbahn das seid Jahrzehnten tut? Der Pitch steht in dieser Tradition, und ich freue mich auf den Austausch mit meinen fellow founders, der Jury, und darauf, dass der Reitsport dieses Jahr nicht nur Medaillen, sondern auch Pitches gewinnen wird!“
Längst im Flug erobert hat Spherie, die Drohne von spiceVR, die Hamburger Startup-Szene, und nicht nur die. Auch für das diesjährige SXSW-Festival in Austin konnte sich das Gerät qualifizieren und schon prominente Auftraggeber wie Red Bull überzeugen. Spherie macht 360-Grad-Aufnahmen, auf denen kein störender Kameramann zu sehen ist. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, etwa für Musikvideos, Sport- und Konzertübertragung, 3D-Scanns und, leider aktuell, bei Katastrophen wie Erdbeben in Zonen, wo Menschen nicht gefahrlos hinkommen. Mal schauen, ob die Drohne auch im Gruenspan abhebt. Kuratoriumsmitglied Christoph Schuh, Board Member der Investmentfirma Lakestar, über Spherie:
„Die Entertainment-Industrie erhält ein innovatives Power-Tool, dass 360Grad-Filmen und Drohnentechnologie kombiniert. Das Gründerteam hat jede Menge Erfahrung im professionellen Producing und konnte mit Facebook und Red Bull berets sehr attraktive Testkunde gewinnen.“
Three strikes and you’re out lautet eine Regel beim Baseball. Three strikes and your in gilt dagegen für Sponsoo, denn dieses Startup ist einer der beiden Finalisten, der es beim dritten Anlauf geschafft hat. Dementsprechend kann Sponsoo schon eine Menge Erfahrung und auch einige Erfolge aufweisen. Erst kürzlich gab es eine Finanzierungsrunde über 300.000 Euro für die Plattform für Sportsponsoring. Mit Jung von Matt/sports und IBM hat das Team bereits prominente Kooperationspartner mit an Bord, doch ein Auftritt beim Startups@Reeperbahn Pitch ist immer noch etwas Besonderes, wie CEO Andreas Kitzing bestätigt:
Wir freuen uns riesig, im Finale von Startups@Reeperbahn dabei zu sein. Unser erstes Büro befand sich in einem Hinterhof in der Nähe vom Kiez. Auch wenn wir mittlerweile in der Hafencity „wohnen“, sind wir dem Kiez immer treu geblieben: In feiner Hamburger Art feiern wir jeden großen Erfolg mit Dosenbier und Cheeseburger bei Hesburger an der Großen Freiheit. Wir freuen uns, zum Reeperbahn Festival zurück nach St. Pauli zu kommen und hoffen, dass wir auch dieses Mal wieder einen Anlass zum Feiern haben!
Dort sollte idealerweise ein Startup mit auf der Bühne stehen, das sich dem Thema Musik widmet. Die Berliner von Uberchord sind da eine hervorragende Wahl. Auch sie haben es im dritten Anlauf geschafft mit ihrer App, die es Anfängern wie Profis gleichermaßen ermöglicht, ihr Gitarrenspiel zu verbessern. Einige Hobbymusiker aus dem Kuratorium haben bestätigt: das funktioniert wirklich und macht großen Spaß.
Lisa Hegemann, Startup-Redakteurin bei t3n , fasst die Entscheidungsfindung noch einmal zusammen:
Als wir die Kuratoriumssitzung begannen, hätte ich nicht gedacht, dass die Diskussion so kontrovers wird. Schon bei den ersten Startups entstanden hitzige Debatten über Sinn und Zweck von Geschäftsmodell, Idee und Produkt. Spannend war für mich, dass das Kuratorium mit sehr vielen unterschiedlichen Charakteren besetzt wurde und sich dadurch auch die Kriterien bei der Auswahl von Startups stark unterschieden. Das hat mir persönlich bei der Meinungsbildung sehr geholfen.
Es hat sich auch gezeigt, dass eine gewisse Einsicht ins Thema dazu beiträgt, sich ganz anders mit den Geschäftsmodellen zu beschäftigen. Ich würde stark bezweifeln, dass wir vorher schon alle Horse Analytics oder Baqend als Finalisten auf dem Schirm hatten. Aber dadurch, dass echte Experten für den Pferdemarkt und für Tech-Produkte in der Runde saßen, ließ sich das Potential viel besser einschätzen. Die Auswahl der fünf Finalisten fiel trotzdem nicht leicht. Ich glaube aber, dass wir fünf Startups ausgesucht haben, die sehr unterschiedliche und gleichzeitig sehr vielversprechende Geschäftsmodelle mit sich bringen. Ich bin gespannt, wie die Jury am Ende entscheidet.
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