Was Startups gegen Stress und für Gesundheit tun
Bei Startups herrscht immer gute Laune, alle sind hoch motiviert und wahnsinnig engagiert, und trotz 60+-Stunden-Wochen ist niemand überarbeitet, weil doch alle für ihre Ideen brennen. So sieht das Idealbild aus, und vieles davon ist gar nicht falsch, aber auch bei Startups arbeiten ganz normale Menschen, die irgendwann an ihre Grenzen stoßen und dann ihre Gesundheit gefährden. Wir haben nachgefragt, wie in jungen Unternehmen mit Stress umgegangen und Überforderung vermieden wird.
Burnout – für viele in der Startup-Welt ein Tabuwort. Suggeriert es doch eine Form des Versagens und der Entfremdung mit einer Arbeit, die im eigenen Unternehmen doch Lebensinhalt sein sollte. Dabei ist bei Startups trotz aller Begeisterung, die die Protagonisten für ihre Sache mitbringen, der Stress oft enorm: Das Geld ist knapp, der Geschäftserfolg ungewiss, das Produkt muss immer wieder den Marktbedürfnissen angepasst werden und das Team soll am besten wie eine Wohngemeinschaft funktionieren. Schwächen darf man sich da vermeintlich nicht erlauben, schon gar nicht, wenn man Investoren davon überzeugen will, viel Geld in eine Idee und vor allem in Personen zu stecken.
Sport,gesunde Ernährung und Gemeinschaftserlebnisse gegen Startup-Stress
Wie Gründerinnen und Gründer mit diesem Druck umgehen können, hat die Neurologin Dr. med. Miriam Goos in einem äußerst lesenswerten Interview mit Hamburg Startups erklärt. Da das Thema damit längst nicht erschöpft ist, haben wir uns noch weiter in der Szene umgehört und viele interessante Antworten erhalten.
Zum Beispiel vom Team von Stuffle, das bei seiner Kleinanzeigen-App das Angebot gerade gewaltig erweitern konnte, was bestimmt viel Zeit und Arbeit gekostet hat. Sport, gesunde Ernährung und gemeinsame Aktivitäten sorgen dort für den notwendigen Ausgleich, wie Lara Hämmerle (Head of Growth) erzählt:
„Wir haben tatsächlich ein paar Maßnahmen, um Überforderungen zu vermeiden und den Arbeitsalltag gesund und positiv zu gestalten. Es gibt einen Deal mit der Kaifu Lodge, der es Stuffle-Mitarbeitern ermöglicht, dort vergünstigt Sport zu treiben. Der wird von einigen genutzt, was einerseits das Teamgefühl stärkt und uns andererseits topfit ins Büro kommen lässt. Des Weiteren bekommen bei uns Mitarbeiter auf Wunsch ein Dienstfahrrad von Urbike zur Verfügung gestellt, natürlich im Stuffle-Design.
Zudem haben wir kontinuierlich frisches Obst auf dem Tisch, als gesunde Stärkung zwischendurch. Was wir seit letztem Jahr zudem gemacht haben sind sogenannte „Workations“. Dazu fahren wir für eine Woche an einen abgelegenen Ort, arbeiten intensiv an einem Projekt und kochen dazwischen zusammen was oder gestalten die Freizeit auf irgendeine andere Art und weise spannend. Dieses Jahr im März geht’s nach Österreich in die Berge.
Abgesehen davon haben wir regelmäßig Teamevents wo wir gemütlich etwas essen oder trinken gehen. Vor allem nach stressigen Phasen, quasi als kleines Dankeschön für das Engagement. Wenn die Hamburger Temperaturen es zulassen, sitzen wir am liebsten nach Feierabend auf unserer Dachterrasse und lassen den Tag mit ein paar Bier ausklingen.“
Auch Familo, wo das weltweite Geschäft erfolgreich vorangetrieben wird und unlängst der einmillionste Kunde die Lokalisierungs-App heruntergeladen hat, setzt auf Sport, erklärt Mitgründer Hauke Windmüller:
„Damit das ganze Team nicht nur geistig, sondern auch körperlich fit bleibt, bieten wir einmal wöchentlich Bürosport an. Dazu kommt eine Trainieren zu uns ins Büro und macht zum Feierabend ein 30-minütiges Workout mit dem ganzen Team. Das kommt super an!
Ich persönlich gehe gerne viel Laufen, da man dies immer und überall machen kann. Bei einer Runde abends um die Alster bekomme ich den Kopf frei. Da Unternehmer oftmals auch in der Freizeit Herausforderungen lieben, laufe ich jedes Jahr den Hamburg Marathon.“
Work-Life-Ballance – ein überholter Begriff?
Während der Begriff Burnout eher vermieden wird, sprechen viele gern von der Work-Life-Ballance, also dem Ausgleich zwischen Arbeitszeit und dem „wahren“ Leben – als ob diese Unterscheidung heutzutage sinnvoll oder überhaupt möglich wäre. Freya Oehle von Spottster, spätestens seit dem Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“ bundesweit bekannt und demnächst eine Vertreterin Hamburgs beim SXSW Festival, hat sich dazu ihre Gedanken gemacht:
„Work-Life Balance – a.k.a. die omnipräsente Enttäuschung des verdammichten Entweder-oder-Prinzips. Der Begriff der Work-Life Balance hat mittlerweile etwas ähnlich Beständiges wie das Häkeldeckchen im gutdeutschen Wohnzimmer. Nicht vorteilhaft. Nie zeitgemäß. Immer zeitlos. Im Ursprung bieder aber dem guten Ton stets zugehörig. Und nicht unbedingt unser Ding!
Die Aufteilung der Lebenszeit in Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Leben und – naja -Nichtleben, wie es dieser hartnäckige Terminus vornimmt, hat einen gravierenden Nachteil für Gründer: Wir und unser Team verbringen somit dummerweise einen Großteil im angeblich lästigen Teil des Daseins.
Multiple Lachkrämpfe im Tagesverlauf. Weekly Lectures zur Horizonterweiterung (pro Neugierde, contra Routine). Erbitterte Stellungskämpfe und Materialschlachten rund um die Marke Nerf-Gun (wirkt auch aggressionshemmend). Wöchentliche Vorstellung der eigenen Arbeitsergebnisse, Hürden, Erfolge und Erkenntnisse. Wöchentliches Kräftemessen und Kreislaufpressen beim Team-Sportevent. Mit Babyfotos angereicherte Heimatvorträge als Kennenlernritual (social statt formal). WhatsApp Alumni Club zu Zwecken der Event-Kommunikation und nachhaltigen Freundschaftspflege (da können selbst Startups Langfrist).
Das sind banale Bestandteile unserer Arbeitswelt, die sie minimal lästig machen. Man muss sich also letztlich dazu aufraffen, das verdammichte Entweder-Oder aus seinem Kopf zu bekommen. Arbeit mit dem Team als Teil produktiver Freundschaft sehen, eine durchgängige Quality Time für sich selbst definieren. Und niemals monoton werden, denn Routine ist der Tot jeder inneren Regung!“
Jimdo – Beispiel für zeitgemäße Arbeitskultur
Auf die Frage, welches Unternehmen denn eine besonders vorbildliche Arbeitskultur pflege, bekommt man häufig Jimdo als Antwort. Nun ist Jimdo längst kein Startup im engeren Sinne mehr, als erfolgreicher Vertreter der Digitalwirtschaft aber immer noch ganz nah dran am Lebensgefühl der Gründerwelt. Nils Schnell, Viability Manager und Coach, beschreibt, was das Arbeiten beim Webseiten-Baukasten angenehmer machen soll:
„Bei Jimdo versuchen wir die Teams aus verschiedenen Bereichen heraus mit unterschiedlichen Angeboten zu unterstützen. Wir haben ein Feelgood-Management, dass ausgleichende Angebote wie Sport neben der Arbeit anbietet, als Ansprechpartner bei Problemen da ist und immer ein offenes Ohr für die Bedürfnisse unserer Kollegen hat.
Wir Coaches sind Ansprechpartner in schwierigen Situationen, in denen Mitarbeiter Unterstützung brauchen. Dies bedeutet, dass wir Hilfe im Lösungsfindungsprozess von Problemen und Überforderungen geben. Wir können die Aufgaben- und Rollendefinition der Mitarbeiter schärfen, um sich besser abzugrenzen oder den Arbeitsauftrag konkreter werden zu lassen. Unser Ziel ist es, passende Lösungsansätze zu finden, die sowohl dem Erfolg von Jimdo als auch den persönlichen Möglichkeiten der Mitarbeiter entsprechen.
Dies kann auch bedeuten, dass wir Klärungsgespräche zwischen Mitarbeitern oder Vorgesetzten vorbereiten helfen. Meine Erfahrung ist, dass Mitarbeiter dankbar dafür sind, Anlaufstellen zu haben, die ihnen nicht vorgesetzt, sondern eher neben der offiziellen Hierarchie angegliedert sind. Kaum einer bespricht diese Themen gerne direkt mit seinem Vorgesetzten. Unsere Arbeit funktioniert natürlich nur dann, wenn Vertrauen da ist und wir professionell und ressourcenorientiert arbeiten.“
Ein Startup, das sich die Förderung der Gesundheit zur Aufgabe gemacht hat, ist healinda Zusammen mit Friederike Müller hat Inge Heumann diese Plattform für alternative Heilmethoden gegründet, deren Betalaunch für Februar geplant ist.
Für Vermeidung von gesundheitsgefährdenden Stress hat Inge gute Erfahrungen mit ihren Tipps gemacht, die banal klingen mögen, deren Befolgung aber sehr effektiv sein kann:
- Regelmäßige Pausen während der Arbeitszeit
Studien beweisen mittlerweile, dass eine kürzere Arbeitszeit produktiver ist - Pass auf Dich auf und kümmere Dich um
– gesunde Ernährung
– Entspannungsmethoden wie Meditation
– Sport
– Urlaub
– Freizeitplanung
…und das alles regelmäßig! - Lerne Deine eigenen Grenzen kennen, zu achten und zu kommunizieren
– Was will ich? Was will ich nicht?
– Lerne nein zu sagen
Nicht immer lassen sich alle diese Ratschläge im turbulenten Startup-Alltag beherzigen, aber das Bewusstsein schärfen für die Grenzen der eigenen Belastbarkeit kann jeder. Und damit ist der wichtigste Schritt in ein gesundes und erfolgreiches Gründerleben bereits getan.
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