Startup Weekend Women Hamburg – Recap von Mathias Jäger
Bääm! Das ist, auf den Punkt gebracht, das Fazit des Startup Weekends Women, das vom 10. bis 12. April zum ersten Mal in der Gründerwerft und in Hamburg stattfand.
Und Bäääm! War auch der freundliche Schlachtruf, mit dem Faciliator Ümit Konuray Teinehmer/innen und Publikum immer wieder zu stürmischem Applaus hinriss und dazu brachte, über den eigenen Schatten zu springen. „Less Bla Bla, more Bäääm!“ war schließlich das Motto des Events, das als Idee schon seit November 2013 in Cheforganisatorin Heide Peuckert, Hauptberuflich Produktmanagerin bei der Softwarefirma Njiuko, gärte.
Im Herbst 2014 begann dann die heiße Phase der Organisation, die Heide mit ihrem eingeschworenen Team, zusammen 10 Frauen und 2 Männer, anpackte. 40 Bewerber/innen schwebte ihnen als Minimalziel vor, gehofft hatten sie auf 60, am Ende wurden es über 100, die gar nicht alle untergebracht werden konnten; einige wurden an das „reguläre“ Startup Weekend Ende Mai weiterempfohlen.
Ein eindeutiger Beweis für eine gelungene Kommunikation und die Zustimmung zu einem Konzept, das nicht als einseitig feministisch verstanden werden sollte, sondern als Einladung an die vielen begabten Frauen, die sich bisher nicht über die Hemschwelle bei den üblicherweise männerdominierten ähnlichen Events getraut hatten. Mathias Jäger hat das Wochenende für Euch zusammengefasst:
Los geht’s – Das Startup Weekend Women nimmt Fahrt auf
Am späten Nachmittag des 10. April fanden sich dann schließlich gut 80 Menschen, davon 80 % Frauen, in der Gründerwerft am Hamburger Hafen ein und ließen sich von Ümit dazu animieren, ihre Konzepte vorzustellen und dafür Mitstreiter/innen zu finden. 33 Ideen waren es anfangs, aus denen die 15 besten ausgewählt wurden. Schließlich bildeten sich 11 Teams, die sich sofort intensiv an die Arbeit machten.
Was dann geschah, sollte jeder, dessen Herz für die Startup-Szene schlägt, einmal erlebt haben: fieberhaftes Nachdenken, Diskutieren, Machen, Verwerfen, Umdenken, Verzagen und Neustarten. Da geht es nicht immer harmonisch zu, manchmal fließen sogar Tränen, aber wie durch einen Zauber gelingt es allen fast immer, ein Geschäftsmodell und einen Pitch auf die Beine zu stellen, von denen die meisten am Anfang nicht gedacht hätten, das sie dazu überhaupt in der Lage wären.
Die Atmosphäre beim Startup Weekend Women, die auch geprägt war von der Liebe zum Detail, trug dazu wesentlich bei. So kümmerten sich um das leckere Catering gleich eine Reihe von Food-Startups, die Deko mit Hühnerkarrikaturen und Pappsprechblasen sorgte für Schmunzler, und eine streng analoge Wand mit Briefumschlägen für alle Teilnehmer/innen, in die man liebevolle Botschaften stecken konnte, brachte zusätzliche Herzlichkeit ins Spiel. Dazu fachliche Unterstützung durch kompetente Coaches- was sollte da schon schiefgehen? So gut wie nichts, wie dann die Pitches am Sonntagnachmittag zeigten.
Let the Pitches begin!
Als erstes stellten sich die Foodmakers als „Hub for Foodpreneurs“ vor. Sie haben ein Netzwerk für angehende Restaurantbesitzer konzipiert, das über das bestmögliche Küchenequipment informieren und sich durch Nutzungsgebühren finanzieren soll.
Eine größere Zielgruppe peilt das Team von Nuba Box an, nämlich Neugeborene, beziehungsweise Menschen, die den Babys und ihren Eltern etwas schenken möchten, aber nicht so richtig wissen, was. Zum Start soll es zwei Themenboxen in jeweils zwei Preiskategorien geben, für den Erfolgsfall ist eine Ausweitung des Angebots geplant. Eine Webseite gibt es bereits.
Zum Kreislauf des Lebens gehört wie die Geburt ebenso der Tod, auch wenn darüber weniger gern gesprochen wird. Happy Afterlife will dieses Tabu brechen und mit per 3D-Drucker individuell gestalteten Grabsteinen diesem unvermeintlichen Kapitel eine positive Note geben. In der Vorbereitung gab es intensive Gespräche, der Pitch fiel dann auf überraschend angemessene Weise heiter aus.
Puerto Seguro (sicherer Hafen), möchte sich um Migranten kümmern, die auf eine Vielzahl von Informationen aus dem Internet angewiesen sind, diese aber oft nur auf Deutsch und nicht in ihrer Muttersprache finden, und schon gar nicht versammelt auf einer Webseite. Forum, Blog, Wiki und Events sind geplante Features, die Finanzierung könnte durch Sponsoren oder staatliche Institutionen erfolgen.
Viele kennen das Problem: Die Lieblingsband spielt endlich in Hamburg, doch keiner aus dem Freundeskreis möchte mitkommen, und allein macht ein Konzertbesuch nur halb so viel Spaß. Die Crowdmates wollen nun Musikfans per App zusammenbringen und am Ticketverkauf verdienen.
Um die Freizeitgestaltung mit bisher Unbekannten geht es auch bei den Cookings. Gemeinsames Kochen ist zwar kein ganz neues Konzept, das Team glaubt aber, einen USP gefunden zu haben, nämlich durch spezielle, kulturell definierte Themenabende einen Anspruch zu erfüllen, der über den kulinarischen Genuss hinausgeht. Das Geld sollen hier Sponsoren und Werbekunden einspielen.
Das eigene Leben oder der Werdegang eines Unternehmens in Buchform – Zeitwert bringt Autoren mit Menschen zusammen, die an der Erstellung einer Biografie interessiert sind, in Kurzform oder als echter Schmöker, je nach Wunsch und Geldbeutel. Einnahmen generieren möchte dieses Startup durch Vermittlungsgebühren.
Frauen stehen im Geschäftsleben vor vielen Entscheidungen und Fragen. Eine davon lautet nach Ansicht von Skyette: „Was ziehe ich heute bloß an?“, und zwar zum Businesstermin. Die Plattform stellt zu jedem Anlass passende Kombinationen zusammen, kooperiert mit den passenden Shops und verdient prozentual an den Verkäufen.
Alle Pitches und die darin vorgestellten Geschäftsideen haben die Teams mit viel Leidenschaft und Detailarbeit vorbereitet und präsentiert, und wenn es an der einen oder anderen Stelle noch etwas hakte – völlig normal!
Wartezeit mit Tipps und Tricks für die Entrepreneure-to-be
Während sich die Jury für die Beratung zurückzog, nutzte unter anderem die Hamburg Startups Gründerin und Geschäftsführerin Sina Gritzuhn die Zeit, um den Teilnehmern mit einem kurzen Talk die nächste Schritte nach dem Startup Weekend Women leichter zu machen. “Sprecht über Eure Startup-Idee“ war dabei die Kernaussage.
Hamburg Startups hat bereits große Arbeit darin geleistet, die wichtigsten Startup-Köpfe, Partner, lokale Investoren und natürlich die meisten hier gegründeten Startups abzubilden. Die Hürden für eine Kontaktaufnahme sind somit schon wesentlich niedriger: “Holt Euch Feedback bei anderen Gründerinnen und Gründern und benchmarkt Eure Idee mit Hilfe des Startup Monitor“, meint die Chefredakteurin der Hamburger Startup Plattform. “Vernetzt Euch und lasst Euch von anderen Female-Founders inspirieren!“
Sina hat eine Slideshare zu ihrem Talk hochgeladen. Dort findet Ihr noch mal alle Infos mit Links hinterlegt.
And the winner is…
Am meisten überzeugt haben Jury und Publikum diese drei Siegerteams: Der Preis für Best Design ging an bring me to art, eine App, die alle Termine und Locations für Kunstinteressierte zusammenstellt. Konzipiert als Paid App, sind Ticketing und ein Audioguide, der den Besuchern per Smartphone die Ausstellungen erklärt, weitere Einnahmequellen. Das soll zuerst in Hamburg funktionieren und ist als Geschäftsmodell auf alle Metropolen der Welt mit entsprechendem Kulturangebot übertragbar. Der Jury gefiel besondes das Concept Design, das schnell und schön verständlich gemacht hat, wie die Lösung funktionieren wird.
Für den Best Pitch wurde Spizeclub mit einem Award belohnt. Auf dieser Plattform können sich Gourmets ihre Gewürzmischungen selbst zusammenstellen und erhalten dabei Hinweise, welche einzelnen Gewürze gut miteinander harmonieren und welche nicht. Eine Konzept, das sich zum Beispiel auch auf Salatsoßen übertragen lässt. Besonders überzeugt haben nicht nur die Idee und ihre optisch ansprechende Umsetzung, sondern auch die umfangreichen Berechnungen zur Skalierbarkeit.
Und dann Bäääm! Bäääm! Bäääm! die Überflieger des Wochenendes, erst als Gewinner des Audience Awards und wenige Minuten später auch noch Overall Winner: comate.me! Das ist ein Service, der hilft, die perfekten WG-Mitbewohner zu finden. Über Persönlichkeitskriterien (z. B. Sitz- oder Stehpinkler – großes Gelächter im Publikum) errechnet sich ein Wert für die Kompatilität von Bewerber und Vermieter, die diesem eine Vorselektion ermöglicht und das nervige Filtern der E-Mail-Flut sowie Massen-WG-Castings überflüssig macht.
Comate.me sieht sich dabei als Ergänzung zur bereits bestehenden Plattform WG-Gesucht und basiert zudem auf einem Algorithmus, der sich auch für andere Geschäftsmodelle verwenden lässt. Das überzeugte die Jury ebenso wie der sehr gute Pitch und das attraktive Design, das gleich ein Gefühl für die User Experience gab. Auch im Internet ist die Plattform schon gut gestartet: Bis Sonntag waren bereits über 200 Likes auf Facebook eingesammelt worden.
Das ist comate.me
Und das ist, in alphabetischer Reihenfolge, das Team von comate.me: Anna Aruschanjan, als studierte Mathematikerin für die Finanzplanung zuständig; Caroline Bauer, Modedesignerin und als Mitglied des Hermes-Gewinnerteams vom Business Hack Weekend Anfang des Jahres schon erfahrene Award-Abräumerin; Dennis Müller, Student der Wirtschaftsinformatik an der Uni Hamburg, der den Spirit der Gruppe auf den Punkt bringt: „Wir sind die, die am meisten daran glauben!“; Laura Smith, Ideengeberin, Linguistin und Datenanalystin mit dem Motto „Get it done!“; Marina Guz, Marketingexpertin, die schon beim FinTech Finmar Startup-Luft geschnuppert hat; Moritz Alber, der maritime Technologie in Bremerhaven studiert und mit sechs weiteren Mitstreiter/innen Erfahrungen gesammelt hat, um eine ähnliche Veranstaltung in der wirtschaftlich gebeutelten Küstenstadt aufzuziehen; Robert Rafai, ein selbständiger Softwareentwickler, der besonders intensiv an dem Algorithmus gewerkelt hat; und Veronika Reichboth, die gerade beim StartHub von nextMedia.Hamburg (einer der Unterstützer des Events) angeheuert hat, um dort zu helfen, die Startup-Szene der Hansestadt zu fördern.
Die Zusammensetzung des Teams ist typisch für die Bandbreite aller Teinehmerinnen und Teilnehmer, und da die meisten Mitglieder spontan geäußert haben, sie würden sehr gerne weitermachen, ist von comate.me hoffentlich noch einiges zu erwarten!
Alle sind sich einig: ein tolles Event!
Nach den Pitches und der Verkündung der Gewinnerteams waren sich alle einig: Das Startup Weekend Women war ein voller Erfolg! So sagt Jurymitglied Ramin Nikbin:
„Alles in allem ein großer Spaß und spannend zu sehen, wie die Teams ihre geballte Kreativität und Motivation in drei Minuten verpacken.Uns allen fiel die Entscheidung nicht leicht, wir waren uns dann aber relativ einig. Ein gutes Gefühl gibt dann immer das Feedback des Publikums, das mit unserer Entscheidung übereinstimmte. Wir hatten ja auch nicht viel Zeit. Ich zumindest hätte noch Stunden über die einzelnen Teams diskutieren können.“
Sanja Stankovic, ebenfalls in der Jury, stimmt zu:
„Man merkte sowohl bei den Pitches als auch bei den Gesprächen im Nachhinein, wie engagiert alle Teilnehmer an ihren Projekten mit teilweise beeindruckenden Ergebnissen gearbeitet haben. Das Gewinner-Team hat die Jury in allen Bewertungskategorien am meisten überzeugt, das gleiche Voting der Audience hat uns in unserer Entscheidung bestätigt.“
Und sie fügt hinzu:
„Es war total beeindruckend, wie liebevoll und professionell das Startup Weekend Women organisiert und durchgeführt wurde. Angefangen beim Design, der Kommunikation vorab und vor Ort, dem Essen bis hin zur Auswahl des Facilitators war es eine rundum gelungene Veranstaltung.“
Begeistert äußerte sich auch Faciliator Ümet, der als Coach und Moderator zwar schon weltweit Erfahrungen sammeln konnte, ein Format wie das Statup Weekend Women aber noch nie begleiten durfte, weshalb er auch kein fertiges Moderationskonzept mitgebracht hatte, sondern sich von der Dynamik des Events inspirieren ließ.
Besonders motiviert hat ihn die Offenheit und Aufnahmbereitschaft der Teilnehmer/innen und die Möglichkeit, etwas zögerliche Charaktere „over the edge“ zu bringen, also aus sich heraus kommen zu lassen. So erzählte er, dass die spätere Gewinerin Laura, die ihren Pitch präsentierte, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, ihre Idee zuerst gar nicht präsentieren wollte.
Wie geht es weiter?
Wird es eine Fortsetzung geben? Das mochte Oberorganisatorin Heide am Finalabend weder bestätigen noch ausschließen; idealerweise habe sich das Konzept irgendwann überlebt, dann sei der Anteil von Männern und Frauen sowieso ausgewogen und das Geschlecht letztlich egal.
Für den Moment jedenfalls fasste sie die Ereignisse der letzten Tage glücklich zusammen:„Es war viel besser, als ich es mir vorgestellt habe!“ Das Konzept, den Startup-Spirit verstärkt auch bei Frauen zu verbreiten und das Networking zu verbessern, ist voll aufgegangen. „You don’t have to reinvent the world, you just have to make it better“, ist ein Motto, das sie allen mit auf den Weg geben wollte und das offensichtlich bei vielen angekommen ist.
Besonders wichtig ist ihr dabei der Dank an das großartige Team:
„Die Arbeit in und mit unserem Orgateam hat einfach so viel Spaß gemacht. Ich glaube nicht nur die Teilnehmer, sondern auch wir haben super viel gelernt durch das SWWHH. ich bin unglaublich stolz dass sich so viele unterschiedliche, vorher unbekannte Menschen zu einem so wunderbaren Team zusammengefunden haben. Da ist deutlich mehr als nur irgendeine Veranstaltung entstanden!“
Das belegte auch die anschließende Feier, die bis weit nach Mitternacht dauerte – Bäääm! Aber das ist eine andere Geschichte…
Über den Autor
Mathias Jäger ist freier Autor und lebt in Hamburg. Er hat Informatik und Amerikanistik studiert und ist seit vielen Jahren in der Medienwelt zuhause. Neben seiner Tätigkeit als Autor bei gründerfreunde.de wird er zukünftig die Hamburg Startups Redaktion verstärken und über Events und Startups bei uns im Blog berichten.
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