Startup-Standort Hamburg: eine Halbjahresbilanz
In diesen Tagen erschienen wieder zwei Untersuchungen, die sich mit dem Stand der Dinge in der Startup-Szene Deutschlands beschäftigen: das EY Startup-Barometer und Next Generation. Wir haben uns die Ergebnisse mit besonderem Fokus auf Hamburg mal genauer angeschaut.
Finanzierungen: deutlicher Rückgang auf noch immer hohem Niveau
Das EY Startup-Barometer, das seit 2014 die Finanzierungsrunden der Startups in Deutschland auswertet, wird stets mit Spannung erwartet. In letzter Zeit auch mit gewissen Befürchtungen, schließlich hat sich nach allgemeiner Einschätzung das Investitionsklima deutlich verschlechtert. Das bestätigen auch die Zahlen für das 1. Halbjahr 2023. Demnach ging das Gesamtvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 49 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro zurück. Dies liegt vor allem daran, dass weniger große Deals abgeschlossen wurden. Waren es im ersten Halbjahr 2022 noch 15 Abschlüsse im Wert von mehr als 100 Millionen Euro, gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres lediglich fünf Investitionen in dieser Kategorie. Halbiert haben sich auch die Abschlüsse in einem Volumen von jeweils mehr als 50 bis 100 Millionen Euro, von zwölf im ersten Halbjahr 2022 auf sechs in den ersten sechs Monaten dieses Jahres.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Jahr 2021 und auch noch das 1. Halbjahr 2022 Rekordergebnisse aufzuweisen hatten. Die ersten sechs Monate dieses Jahres liefern immerhin noch das sechstbeste Halbjahresergebnis seit Beginn der Erhebung. Auch die Ergebnisse für Hamburg sehen gar nicht so schlecht aus. Zwar konnten im 1. Halbjahr 2023 nur 27 statt wie im Vorjahr 38 Startups Finanzierungsrunden abschließen und das Gesamtvolumen fiel von 414 Millionen auf 281 Millionen Euro. Das reichte im Vergleich der Bundesländer aber immerhin zum dritten Platz hinter Berlin (1,438 Milliarden) und Bayern (851 Millionen), aber vor Nordrhein-Westfalen (169 Millionen).
1KOMMA5° holt für Hamburg die Kohlen aus dem Feuer
Auch im Vergleich zu früheren Jahren erscheint das aktuelle Hamburger Halbjahresergebnis positiv. Im bundesweiten Rekordjahr 2021 waren es 110 Millionen Euro, 2020 gar nur 26 Millionen. Die Sache hat allerdings einen Haken: Das Resultat für 2023 ist zu über 75 % einem einzigen Startup zu verdanken. 1KOMMA5° erhielt 215 Millionen und teilt sich den Spitzenplatz in der Einzelwertung mit Enpal aus Berlin. Offensichtlich war das Thema erneuerbare Energien für Investoren besonders attraktiv. Trotzdem musste die Kategorie „Energy“ Verluste gegenüber dem Vorjahr verzeichnen, wie fast alle anderen Branchen außer „E-Commerce“ und auf sehr niedrigem Niveau „Education“. Platz eins gehört nach wie vor „Software & Analytics“, allerdings mit einem herben Rückgang von 1,81 Milliarden auf 769 Millionen Euro.
Bedingt durch die Dominanz von 1KOMMA5° konnten Hamburger Startups in keiner der im EY Startup-Barometer detaillierter ausgewerteten Branchen eine Top 3-Position erreichen. Da immer mehr heimische Startups auf Nachhaltigkeit setzen, könnte sich das aber bald ändern. Im ersten Halbjahr 2023 betraf jede fünfte Finanzierungsrunde ein Startup mit Nachhaltigkeitsbezug – noch nie war dieser Anteil so hoch. In beiden Halbjahren 2022 hatte der Anteil noch jeweils 17 Prozent betragen. Insgesamt wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 910 Millionen Euro in deutsche Startups mit einem solchen Fokus investiert, was einem Anteil am Gesamtfinanzierungsvolumen von 30 Prozent entspricht – auch dies ist ein Rekordwert.
Positive Entwicklung bei den Startup-Neugründungen
Und wie sieht es mit dem Nachschub an Startups aus? Darüber gibt die Studie Next Generation Auskunft. Sie stammt vom Bundesverband Deutsche Startups, der auch den Deutschen Startup Monitor veröffentlicht, und dem Informationsdienst startupdetector. Und siehe da, Next Generation vermag zumindest vorsichtigen Optimismus zu verbreiten. Im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2022 ist die Startup-Gründungsaktivität in Deutschland in den ersten sechs Monaten 2023 um 16 % gestiegen. Im Juni 2023 wurden besonders viele Startups gegründet, was nach dem Einbruch 2022 ein erstes Zeichen für die Rückkehr der positiven Dynamik früherer Jahre ist. Allerdings besteht auch noch viel Luft nach oben, die bundesweit 1.293 Neugründungen sind immer noch der niedrigste Halbjahreswert seit 2020.
Next Generation vergleicht vorzugsweise das 1. Halbjahr 2023 mit dem 2. Halbjahr 2022, und hier weist Hamburg mit 42 % und von 64 auf 90 eine besonders hohe Steigerung der Startup-Neugründungen auf. Im bisher erfolgreichsten ermittelten Halbjahr 2/19 waren es allerdings 123. Mit dem aktuellen Ergebnis liegt Hamburg auf Platz sechs der gründungsfreudigsten Städte Deutschlands. Ermittelt wird das anhand der Neugründungen innerhalb der letzten zwölf Monate pro 100.000 Einwohner. Hier führt München mit einem Wert von 12,6 vor Berlin mit 12,3. Es folgen mit Karlsruhe, Darmstadt und Heidelberg drei Standorte, die von einer starken Hochschullandschaft profitieren. Hamburg kommt auf einen Wert von 8,3.
Zum Schluss noch ein Blick auf die populärsten Branchen. Hier liegt „Software“ mit 239 Neugründungen klar vorn, gefolgt von „Medizin“ (140) und „Lebensmittel“ (97). Während die meisten Kategorien zulegen, befindet sich „Blockchain & Krypto“ auf dem absteigenden Ast (- 62 % auf 18), erstaunlicherweise aber auch „Umwelttechnologie“ (- 18 % auf 37). Da geht definitiv noch mehr, gerne auch in Hamburg.
Grafiken: EY Startup-Barometer, Next Generation