So verlief die Fusion von Gpredictive und CrossEngage
Was sollte ein Startup tun, um seine Position am Markt zu verbessern – Investoren an Bord holen oder sein Produktangebot erweitern? Oder sollte es eher einen Exit anstreben? Dr. Björn Goerke, CEO von Gpredictive aus Hamburg, hat noch einen anderen Vorschlag. Für sein Unternehmen hat sich die Fusion mit den Berliner Mitbewerbern CrossEngage als der richtige Weg erwiesen. Wie es dazu kam und was bei einem solchen Schritt zu beachten ist, fassen wir in diesem Beitrag zusammen.
Den ersten Kontakt mit CrossEngange hatte Gpredictive-CEO Dr. Björn Goerke bei der NOAH Konferenz in Berlin im Sommer 2016. Er war beeindruckt von dem Vortrag von CrossEngage-CEO Manuel Hinz und stellte fest, dass beide Unternehmen einige Gemeinsamkeiten hatten, sich aber auch hervorragend ergänzten. Gpredictive hatte kürzlich seine neue Software zur Reife gebracht, mit der sich das Kaufverhalten von Kunden prognostizieren lässt. (Einen ausführlichen Bericht darüber findet ihr hier). CrossEngage etablierte sich gerade als Plattform für die Bündelung und Auswertung von Kundendaten und die Planung von Marketingkampagnen.
Gpredictive und CrossEngage: erst gemeinsame Auftritte, dann die Fusion
Beiden nahmen sich also nicht gegenseitig die Butter vom Brot, sondern machten ihren Kunden komplementäre Angebote. Konsequenterweise traten die Unternehmen in der Folge immer mal wieder gemeinsam bei Kundenveranstaltungen auf. Anfang 2018 gab es erste Gespräche über eine Fusion, doch damals schien der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen. Anders zwei Jahre später, im Januar 2020: Jetzt wurde es konkret und die Verhandlungen waren schon gut vorangekommen, als die Corona-Krise auch hier als Spielverderber dazwischen funkte. Im Sommer gingen dann die Verhandlungen weiter, sodass im September die Öffentlichkeit erfahren konnte: CrossEngage und Gpredictive schließen sich zusammen.
Das Unternehmen wird als CrossEngage weiterbestehen, der Name Gpredictive wird mittelfristig verschwinden. Kein Problem für das Hamburger Team, das sowieso schon über eine Umbenennung nachgedacht hatte. Auf der Führungsebene gab es auch kein Kompetenzgerangel. Die Geschäftsführung besteht jetzt eben aus fünf Personen, jeder hat seine fest definierten Aufgaben und Kompetenzen. Etwas komplizierter war es da schon, alle Investoren unter einen Hut zu bringen und die neuen Besitzverhältnisse zu regeln. Das Term Sheet mit den entsprechenden Vereinbarungen enthielt über 40 Unterschriften. Am Ende gab es sogar noch zusätzliche 6,5 Millionen von diversen Kapitalgebern, darunter die Facelift-Gründer Benjamin Schroeter und Teja Töpfer.
Personalabbau war nie Thema
Bei manchen Fusionen ist der Abbau von Personal zumindest ein erwünschter Nebeneffekt. Bei Gpredictive und CrossEngage war das nie der Plan, im Gegenteil. Beide Standorte in Hamburg und Berlin bleiben mit jeweils knapp 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erhalten und sollen noch ausgebaut werden. Bei Neueinstellungen entscheidet künftig der Wohnort der Kandidaten, welches Team Zuwachs bekommt. Das Gehaltsniveau ist mittlerweile in beiden Stadt ziemlich gleich.
Natürlich ergeben sich auch Einsparungen durch Synergien, zum Beispiel im Marketing. So wird zukünftig nur noch ein Messestand benötigt – wenn es denn wieder Messen gibt. Noch besser als gedacht verlief bisher der gemeinsame Vertrieb. Kaum mehr als eine Woche war seit der Fusion vergangen, da gab es bereits den ersten Cross Sale, also einen Kunden, der sich für beide Softwarelösungen begeistern konnte. Alle Verträge der Bestandskunden haben nach wie vor ihre Gültigkeit und es dauert seine Zeit, bis alle über die neue Situation umfassend informiert werden können. Da besteht die Hoffnung, das bei Nachverhandlungen viele aufstocken wollen. Verpflichtet dazu ist aber niemand, beide Softwarelösungen bleiben auch separat verfügbar.
Bei der Zusammenführung halten oft Kleinigkeiten am meisten auf
Die vielleicht größte Herausforderung war, die Fusion intern zu kommunizieren und zu organisieren. Theoretisch wäre es sinnvoll, die Teams frühzeitig einzubeziehen, um den Übergang vorbereiten zu können. Praktisch ist das selbstverständlich nicht möglich, bevor nicht alle Details geklärt sind, an denen die Verhandlungen noch scheitern könnten. So kam die Meldung über den Zusammenschluss für die meisten plötzlich und überraschend. Eventuelle Bedenken wichen schnell Zuversicht und Begeisterung, doch der Teufel steckte mal wieder im Detail. Kleinere Hürden galt es bei der Harmonisierung der Unternehmenskulturen zu überwinden. Bei den einen war die Mitgliedschaft bei einem Fitnessstudio üblich, bei den anderen kam der Personal Trainer.
Wesentlich mehr Aufwand bedeutet die Abstimmung der IT-Systeme und die Zusammenführung der Daten. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen und manchmal hakt es bei Kleinigkeiten. „Es gibt Tage, da hast du das Gefühl, es geht einfach nicht voran“, resümiert Björn. Für alle, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, hat er folgende Tipps:
- Holt möglichst früh das Team ins Boot und informiert auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von bestimmten Maßnahmen nicht direkt betroffen sind. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.
- „Set the pace early“. Macht rechtzeitig einen Plan mit konkreten Zeit- und Zielvorgaben.
- Aber: Nicht alles lässt sich planen. Manches geht schneller als gedacht, manches dauert eben länger.
- Macht euch Gedanken, welche neuen Strukturen und Hierarchien enstehen, wenn zwei Teams fusionieren und sich Mitarbeiterzahl sprunghaft erhöht.
- Versucht, möglichst alle vorhandenen Führungskräfte im Unternehmen zu halten, denn es gibt für alle genug zu tun.
Das Fazit, das Björn an diesem Punkt zieht, ist auf jeden Fall positiv. Er rät anderen Startups, mehr über die Fusion als Wachstumsoption nachzudenken. Gerade bei Jungunternehmen, die in ähnlichen Märkten gegen etablierte Konkurrenten antreten, ist Kooperation allemal besser als Konfrontation. Und wenn ein Mitbewerber ein Produkt anbietet, das in eurem Portfolio noch fehlt, geht Fusionieren über Kopieren. So gilt es zumindest für CrossEngage und Gpredictive.