SHIPSTA will zum Robin Hood des E-Procurement werden
Begonnen hat alles in Luxemburg, vor einigen Wochen ist ein neuer Standort dazugekommen: Hamburg. SHIPSTA heißt das Startup, das sich die Digitalisierung der Beschaffung in der Logistik zur Aufgabe gemacht hat. Wir haben es in seinem neuen Büro in der Speicherstadt besucht.
Nicht wenige halten das Logistikunternehmen Kühne + Nagel wahrscheinlich für eine urhamburgische Institution, aber gegründet wurde es 1890 in Bremen und seit 1976 befindet sich der offizielle Firmensitz in der Schweiz. Auch in Luxemburg hat der Marktführer einen wichtigen Standort. Dort arbeitete Christian Wilhelm einige Jahre im globalen Einkauf und erlebte mit, wie mühsam wesentliche Prozesse dort abliefen. Besonders auffällig war das bei großen Ausschreibungen, bei denen es um langfristige Verträge zu Frachtdienstleistungen ging. Die Auswertung mithilfe von Exceltabellen konnte Wochen in Anspruch nehmen.
Die Gründer: drei Profis mit Kühne + Nagel als gemeinsamen Nenner
Das geht auch einfacher, schneller und vor allem digitaler, dachte sich Christian Wilhelm, und gründete 2015 CLEAR LOGISTICS. Mit ins Boot holte er sich zwei Mitgründer, die ebenfalls für Kühne + Nagel gearbeitet haben. Der IT-Spezialist Stefan Maratzki hatte das Großunternehmen vier Jahre lang beraten und wurde CTO des neuen Startups. Als CCO kam Logistikprofi Oliver Ritzmann dazu, der zudem beim Medizin- und Sicherheitstechnikhersteller Dräger drei Jahre lang als Einkaufs- und Prozessmanager tätig war. Alleiniger Firmensitz blieb zunächst Luxemburg, weil dort die Drähte in die Politik besonders kurz und qualifizierte Mitarbeiter gut zu finden sind.
Für CLEAR LOGISTICS entwickelte das Trio eine Lösung für E-Procurement (elektronische Beschaffung) mit dem Fokus auf Frachtvolumina. Die Software kann ein Ausschreibungsverfahren in Sekundenschnelle analysieren. Zudem spart das jede Menge Geld – neben dem günstigeren Transport von Gütern ergeben sich laut Unternehmensangaben um bis zu 65 Prozent reduzierte Prozesskosten. Weiterhin automatisiert das System Aufgaben, die bisher mühsam von Hand erledigt werden mussten, etwa Plausibilitätsprüfungen bei Angeboten. Auch in Sachen Transparenz bietet es eine neue Qualität: Verlader erhalten Informationen über den aktuellen Stand der Ausschreibungen und können sich jederzeit an Spediteure wenden.
Aus CLEAR LOGISTICS wird SHIPSTA
Dieses Angebot trägt den Namen SHIPSTA FLEX – inzwischen hat sich das junge Unternehmen nämlich in SHIPSTA umbenannt – und eignet sich für kurzfristige Aufträge wie für langfristige Verträge. Von der Branche wird es mit zunehmenden Erfolg angenommen. Bestand das Team Anfang 2018 noch aus nur drei Mitgliedern, nämlich den Gründern, waren es Ende letzten Jahres bereits 17 und sind es inzwischen 30, Tendenz weiter steigend. Zu den Kunden gehören ein global agierender Chemiekonzern und weitere führende Unternehmen aus den Branchen Lebensmittel, Hightech und Automotive.
Einen weiteren Schub bekam SHIPSTA diesen Sommer. Mit einem mittleren siebenstelligen Betrag stiegen RTP Global Investments und Mangrove Capital Partners bei den Luxemburgern ein. Und jetzt kommt auch endlich Hamburg ins Spiel. Diese Geldspritze erlaubte es nämlich, dem Startup einen zweiten Standort zu geben. Die Wahl fiel nicht schwer und auf Deutschlands größte Hafenstadt mit langer Logistiktradition. Dazu passt die neue Büroadresse in der Speicherstadt; SHIPSTA ist beim Digital Logstics Hub untergekommen und arbeitet von dort aus seit dem 1. Juli 2019 mit acht Festangestellten und zwei Aushilfen am Ausbau des Geschäfts. Die Leitung hat Oliver Ritzmann übernommen, der zurzeit noch zwischen Luxemburg und Hamburg pendelt.
Ein Meta-Markplatz für Logistikdienstleister entsteht
Für die Zukunft hat SHIPSTA noch einiges vor. Bis Ende des Jahres soll eine Art Meta-Marktplatz entstehen, über den auch andere Logistik-Startups ihre Dienste anbieten können. Oliver vergleicht das Konzept mit dem von Booking.com und sieht sein Unternehmen auf dem Weg zum Robin Hood des E-Procurements. Eine neue Qualität der Transparenz und modernste Technologie soll es nämlich auch kleineren Anbietern ermöglichen, konkurrenzfähige Angebote abzugeben. Langfristig ist virtuelles Procurement das Ziel. Mithilfe künstlicher Intelligenz können die automatisierten Prozesse immer noch transparenter und effizienter werden. Wohin die Reise gehen und wie lange sie dauern wird, muss sich zeigen. Die Weichen dafür werden jetzt jedenfalls auch in Hamburg gestellt.