ryddle – mit dem Chatbot auf Stadtrallye
In Hamburg gibt es viel zu entdecken, für Touristen ebenso wie für Einheimische. Mit einem Chatbot als Reisebegleiter stellt das Startup ryddle Neugierigen Sehenswürdigkeiten und unbekannte Ecken vor. Auch wir haben uns auf die Reise begeben und eine Tour durch das jüdische Hamburg gemacht.
Verena Mathews, Martha de Vries, Jan-Frederik Gräve und Timo Mandler haben alle einen Marketinghintergrund und kennen sich von der Uni Hamburg. Vor etwa zwei Jahren kam ihnen bei einem gemeinsamen Bummel durch Hamburg die Idee, daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Schnitzeljagden oder Stadtrundgänge gab schon in mehreren Varianten, aber bisher kaum in Verbindung mit einem Chatbot. Diese Technologie faszinierte die vier, also beschäftigten sie sich in den folgenden Monaten intensiver mit ihr.
Das Ergebnis ist ryddle. Als erste Hamburg-Rallye ging Mitte 2019 die erste Geschichte „Tödlicher Kiez“ live. Hier gilt es, zusammen mit dem Chatbot einen Mörder zu fangen. Die Zusammenstellung der Tour sowie die Programmierung hat das ryddle-Team komplett in Eigenregie durchgeführt, wobei sich Jan-Frederik und Timo hauptsächlich um die technische Umsetzung und Verena und Martha um Marketing und Vertrieb gekümmert haben. Neben den üblichen sozialen Medien kam für Werbezwecke der klassische Flyer, verteilt in Hotels, zum Einsatz. Schließlich spricht die Kiez-Tour vor allem Touristen an, ebenso „S.O.S. im Hafen“. Eine Rallye auf den Spuren des jüdischen Hamburgs ist dagegen eher für Einheimische attraktiv, wie die Abrufzahlen andeuten. Insgesamt haben bisher über 1.000 Personen eine der Touren gespielt.
Volle Flexibilität bei ryddle
Der Vorteil der Steuerung über einen Chatbot ist, dass Nutzer an keinerlei zeitliche Vorgaben gebunden sind. Wer sich einmal mit einem Code über den Facebook Messenger, Telegram oder seit ein paar Wochen auch WhatsApp eingeloggt hat kann die Tour beliebig in die Länge ziehen, für einen Kneipenbesuch unterbrechen und sogar erst am nächsten Tag beenden. Ebenso flexibel wie die Nutzer ist das Team von ryddle, denn inzwischen haben sich ihre beruflichen Wege getrennt. Jan arbeitet zum Beispiel in Kopenhagen, weshalb es auch für diese Stadt bald eine Rallye gibt. Noch haben alle ihre Vollzeitjobs, doch ryddle lässt sich durchaus skalieren. Mit weiteren Hamburg-Touren, weiteren Städten (Lübeck beispielsweise, Martha kommt aus der Gegend) und weiteren Formaten, wie Rallyes per Fahrrad oder E-Scooter.
Aber wie funktioniert ryddle nun eigentlich genau? Um das herauszufinden, haben wir uns auf Entdeckungsreise durch das jüdische Hamburg begeben. Startpunkt ist die Moorweidenstraße 36. Dort aktiviert man die Rallye und kommuniziert fortan an mit Tamar, einer fiktiven Israelin, die in Tel Aviv zu Hause ist und deren Großmutter einst in Hamburg lebte. Tamar gibt den Weg vor und stützt sich dabei auf Tagebucheintragungen der Großmutter. So erwähnt sie beispielsweise das Logenhaus in der Moorweidenstraße. Der Platz davor war eine Sammelstelle für Juden, die in Konzentrationslager deportiert wurden. Ein Mahnmal weist auf dieses Verbrechen hin.
Eine lehrreiche Rallye mit emotionalem Hohepunkt
Von hier aus geht die Tour kreuz und quer durch das Grindelviertel, das Zentrum des jüdischen Lebens in Hamburgs war und in Teilen auch heute noch ist. Vieles wurde aber in der Nazizeit zerstört, so auch die Bornplatzsynagoge, an die nur noch eine Gedenktafel und ein leerer Platz erinnern. Der ist einer der Anlauforte der Rallye, ebenso wie die Hamburger Kammerspiele. Viel mehr möchten wir hier über den genauen Ablauf nicht verraten, um potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht die Spannung zu nehmen. Grundsätzlich sind an jeder Station Fragen zu beantworten. Die Lösung lässt sich entweder direkt an Ort und Stelle ermitteln oder über das Internet herausfinden. Wenn man, wie empfohlen, in der Gruppe unterwegs ist, sollte die Antwort gemeinsam meist schnell gefunden sein.
Wenn nicht, gibt der Chatbot auf Wunsch Hinweise, die die Beantwortung erleichtern. Sollte auch das nichts nützen, lassen sich einzelne Fragen auch überspringen. Audiodateien, zum Beispiel von der Webseite Gedenkstätten in Hamburg, liefern in komprimierter Form Informationen zu den verschiedenen Orten und ihrer Geschichte. Und dank der Aufgabe, Fotos von einigen Stationen zu machen und an Tamar zu schicken, erstellt man sich automatisch ein kleines Erinnerungsalbum der Rallye. Das Ziel ist das ehemalige Wohnhaus der Großmutter. Hier vermischen sich Erzählung und Realität auf berührende Weise, wie genau, möchten wir hier ebenfalls nicht vorwegnehmen. Ein schöner Schlusspunkt einer empfehlenswerten Tour, auch und gerade für alteingessene Hamburger.