Rock Our Kitchen – ein Restaurant wie ein Startup
In Hamburg gibt es bestimmt mehr als tausend Restaurants, immer wieder werden neue eröffnet, von der Imbissbude bis zum Gourmettempel. Das ist nicht unbedingt ein Thema für Hamburg Startups, aber bei Rock Our Kitchen sieht die Sache ein bisschen anders aus. Warum dieses Restaurant auch ein Startup ist, erzählt ein neuer Beitrag unserer Reihe Spot on: Food & Health Special.
Die gebürtigen Hamburger Till Witten und John Ehlerding kennen sich seit ihrer frühesten Kindheit und wollten schon immer zusammen etwas auf die Beine stellen. Zum Beispiel eine Würstchenbude aufmachen. Diesen Traum haben sie nie aufgegeben, auch wenn sich ihre Wege zwischenzeitlich trennten, beruflich wie räumlich.
Ein BWLer, ein Jurist und der Traum vom Gastro-Startup
Till hat BWL studiert und im Bank- und Immobilienbereich gearbeitet, zuletzt in Frankfurt. John ist Jurist, hat einen Master in internationalen Beziehungen und ist als Unternehmensberater vornehmlich für den öffentlichen Sektor viel in der Welt herumgekommen. Vor sechs Jahren waren die beiden Freunde schon einmal kurz davor ein Startup zu gründen. Sie dachten an einen Gin oder Wodka, der zwar besonders, aber nicht so teuer wie andere neue Marken sein sollte. Das hat dann nicht geklappt, es fehlten die Zeit und der entscheidende Funke der Leidenschaft für das Projekt.
Solch ein Funke sprang über, als Till 2014 in seinem Italienurlaub ein besonders schönes Restaurant entdeckte. Jetzt war das Ziel klar. Er und John tüftelten an einem neuen Gastronomiekonzept und gaben im Frühjahr 2015 ihre bisherigen Jobs auf, um sich vollständig ihrer neuen Aufgabe widmen zu können. Im Sommer reisten sie zwei Wochen lang kreuz und quer durch die USA, um sich über 200 Restaurantkonzepte anzusehen, die sie zuvor schon im Internet recherchiert hatten.
Bei Pizza kommt es auf den Ofen an
In den USA holten sie sich wichtige Inspirationen; ziemlich konkrete Vorstellungen davon, was sie ihren zukünftigen Gästen anbieten wollten, hatten sie schon vorher. Pizza gehörte auf jeden Fall dazu, weshalb die nächste Recherchereise nach Italien führte. Dort galt es, den idealen Pizzaofen zu finden. Der klassische aus Backstein sollte es nicht sein, dessen Gewicht von 3,5 Tonnen stellt zu hohe Anforderungen an die Statik.
Fündig wurden John und Till bei einem Hersteller für industrielle Backstraßen. Folgerichtig ist ein wesentliches Element ihrem Restaurant ein Pizzaofen mit einem durchlaufenden Schamottstein. Am Eingang wird die ungebackene Pizza auf ein Pizzasteinelement gelegt, befindet sich dann ca. 100 Sekunden in dem auf bis zu 500 Grad erhitzten Ofen und kommt am Ende fertig gebacken heraus. Jetzt wird sie noch mit frischen Zutaten belegt und kann dann dem Gast serviert werden.
Das hört sich schnell und einfach an und ist auch nicht besonders kompliziert. Gleichwohl ist das Pizzabacken eine kleine Wissenschaft für sich. Till und John haben sie auf der Accademia Pizzaioli studiert, einer weltweit anerkannten Schule für Pizzabäcker, die auch in Berlin eine Niederlassung hat. Auch bei der Auswahl des Weins, ein weiterer wichtiger Punkt ihres Konzepts, haben sie nichts dem Zufall überlassen. Der Schwerpunkt ihrer umfangreichen Karte liegt auf deutschen Weinen. Deren Winzer haben die beiden Junggastronomen alle besucht.
Gäste können sich ihr Essen individuell zusammenstellen
Wo wir schon mitten drin sind im Konzept von Rock Our Kitchen (ROK), wie das Restaurant von Till und John heißt, wird es Zeit, das kurz zu erklären. Es gibt, wie gesagt, Pizza, es gibt frischen Salat und Weine für jeden Geldbeutel. Das ist ein wichtiger Punkt: gutes, originelles Essen, das nicht teuer ist und auch in der Mittagspause schmeckt, wenn die Zeit knapp ist. Und wer einmal einen etwas kostspieligeren Wein probieren möchte, muss dafür nicht ins Sternerestaurant.
Weitere wichtige Punkte sind die Individualisierung der Speisen und die Neuinterpretation von Pizza und Salat. Die Gäste eine können eine der originellen ROK-Kreationen von der Karte wählen oder sich ihre Gerichte selbst zusammenstellen. Dafür gehen sie an eine Theke und sagen dem Personal, was sie gern auf ihrer Pizza hätten oder was in den Salat kommen soll. Dieser Bereich wird bei ROK „Gewächshaus“ genannt, weil er optisch ähnlich gestaltet ist. Der Gast ist also eingeladen, in der Küche mitzumischen, daher auch der Name Rock Our Kitchen.
Digitalisierung ist das nächste Merkmal, das ROK ausmacht. Gleich am Eingang bekommen die Gäste einen sogenannten Table Tracker. Danach geben sie wie eben geschildert ihre Bestellung auf. Wenn das Essen fertig ist, signalisiert das der Tracker, und die Gäste holen sich ihre Sachen aus dem Gewächshaus. Nach Ende der Mahlzeit können die Gäste am Empfangscounter zahlen und müssen nicht auf die Rechnung warten, der Tracker hat die Daten gespeichert. Das ist besonders in der Mittagspause sinnvoll, wenn es schnell gehen soll. Abends, wenn die Gäste mehr Muße haben, werden die Speisen auch an den Tisch gebracht, der sich dank des Trackers mühelos im Restaurant orten lässt; daher kann sich jeder seinen Lieblingsplatz selber aussuchen.
Vieles geht, nichts muss
Da das Restaurant erst vor wenigen Tagen eröffnet hat, ist die Karte momentan auf wenige festgeschriebene Gerichte begrenzt. Noch ist Testphase, aber schon bald wird das Konzept der individuellen Pizzen und Salate in die Tat umgesetzt. Dann können die Kunden ihre Kreation schon zu Hause oder im Büro am PC komponieren. Geplant ist außerdem, dass die Gäste irgendwann auch per Handy und im Restaurant selbst ihre Lieblingspizza bauen können. Wobei nichts davon zur Pflicht werden soll, denn grundsätzlich gilt: Bei Rock Our Kitchen ist vieles möglich und nichts vorgeschrieben. Irgendwelche gastronomischen Ideologien wollen die Macher nicht verbreiten.
Wer das Restaurant einmal besuchen möchte, findet es in der Lilienstraße, parallel zur Spitalerstraße mitten in der Innenstadt. Die Suche nach der richtigen Location war mit das Zeitraubendste, mit dem es John und Till zu tun hatten. Alternativ hatten sie auch an Standorte in Berlin oder Frankfurt gedacht, Hamburg war aus alter Verbundenheit aber erste Wahl. Jetzt machen die beiden Gründern nach gründlicher Vorbereitung erste praktische Erfahrungen, unterstützt von einem vierköpfigen internationalen Team. Alles keine Gastronomieveteranen, aber Leute, die etwas schaffen wollen.
Rock our Kitchen ist auf Wachstum ausgerichtet
Finanziert ist Rock Our Kitchen durch Eigenkapital, Investitionen von Freunden und Familie und ein Bankdarlehen. Viele sind also daran interessiert, dass der Laden läuft. Erste Stammgäste gibt es bereits, und wenn es so weitergeht wie erhofft, soll es bei einem Restaurant nicht bleiben. Auch das macht Rock Our Kitchen zu einem Startup, das Geschäftsmodell ist definitiv skalierbar. Von gutem Essen kann man schließlich nie genug bekommen.
Spot on: Food&Health
Hamburg ist ein Food-Standort und optimaler Eintrittsmarkt für Lebensmittelhersteller aller Art. Über 10% der Hamburger Startups bei uns im Monitor sind der Lebensmittelbranche zuzuordnen, und es werden immer mehr. Sie setzen als Innovatoren neue Trends, entwickeln neue Produkte, Vertriebswege und Geschäftsmodelle.
Geschätzt verfügt das Hamburger Startup Ökosystem über mindestens 100 Food-, Beverage- oder Food-Tech-Startups. Ein invieler Hinsicht großes Thema! Daher werden sich unsere Redaktion und unser Eventmanagement dem Thema Food in den nächsten Monaten mit dem ‚Spot on: Food&Health Special‘ intensiv widmen! Bleibt also gespannt!
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