recalm bekämpft Lärm mit Antischall
Kürzlich hat recalm auf der Hannover Messe den Gründerwettbewerb Digitale Innovationen des Bundeswirtschaftsministeriums gewonnen. Am 17. Mai ist das Team beim Hamburg Innovation Summit zu sehen. Umso mehr freuen wir uns, die Jungs von recalm zwischendurch noch für ein Interview erwischt zu haben, um uns erklären zu lassen, wie sich Lärmbelästigung im Alltag verringern lässt.
Hallo liebes recalm-Team, vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit für ein Interview nehmt! Würdet Ihr Euch zu Beginn bitte kurz vorstellen?
Hallo, liebes Hamburg Startups-Team. Wir haben zu danken und freuen uns über das Interesse an recalm! Unser Team besteht derzeit aus sechs Mitgliedern. Wir, das sind Marc, Martin und Lukas, fungieren als Geschäftsführer in den Bereichen Hardware- und Softwareentwicklung sowie Business Development. André und Sebastian kümmern sich um die Weiterentwicklung des Produkts. Unterstützt wird das Team von Ralf, unserem Mentor.
Wie ist die Idee zu recalm entstanden?
Marc wohnt in Hamburg-Altona, direkt oberhalb des Fischmarktes. Im Sommer 2016 wollte Marc bei offenem Fenster schlafen, hat aber aufgrund des Lärms keine Ruhe gefunden. „Ruhe auf Knopfdruck und das ohne Kopfhörer tragen zu müssen – das wäre es doch!“, dachte er sich und kam so auf die Idee zu recalm. Nach ersten Recherchen und einigen Gesprächen wurde uns schnell klar, dass Marc stellvertretend für viele Menschen steht, bei denen Lärmbelastung im Alltag zu einer ungewollten Einschränkung der Lebensqualität führt. Seitdem arbeiten wir an der Lösung dieses Problems.
Wie funktioniert die Technologie von recalm?
Um dem Stress- und Gefahrenfaktor Lärm entgegenzuwirken, entwickeln wir ein intelligentes, anwenderfreundliches Akustikgerät zur aktiven Lärmminderung. Durch Aussenden eines Antischall-Signals, mit entgegengesetzter Polarität zur Lärmquelle, werden mittels destruktiver Interferenz störende Signale ausgelöscht. Dazu setzen wir Lautsprecher, Mikrofone und unsere eigens entwickelte Software ein. Die Summe all dessen ergibt ein kompaktes Produkt, das zum Beispiel in Fahrzeugsitze integriert wird.
Angefangen habt Ihr mit recalm, um den Lärm in Flugzeugen zu reduzieren, jetzt konzentriert Ihr Euch vor allem auf Baumaschinenführer als Zielgruppe. Wie kam es zu diesem Kurswechsel?
Auf diesen Kurswechsel werden wir häufiger angesprochen. Die Idee ist in der Luftfahrt auf Begeisterung gestoßen, die Branche strotzt aber nicht gerade vor Agilität. Zudem besteht ein hoher Zertifizierungsaufwand, wenn man Hardware ins Flugzeug bringen möchte. Wir mussten uns seinerzeit überlegen, welche Szenarien für uns als junges Startup darstellbar sind. Dabei waren unternehmerische Faktoren, aber auch technologische Herausforderungen ausschlaggebend. Zähneknirschend haben wir diesen Anwendungsfall vorerst auf Eis gelegt – produktseitig hat uns das jedoch nicht zurückgeworfen.
Gleichzeitig sind wir über unser Netzwerk auf eine Branche aufmerksam geworden, in der Lärm ein großes Problem ist und die dementsprechend hohen Bedarf aufweist: die Bau- und Landmaschinenbranche. Hierbei kam uns entgegen, dass in der Branche noch ein Handschlag bei Absprachen zählt und wir uns produktseitig erstmal auf einen Anwender je Fahrzeug konzentrieren konnten. Die Fahrer und Fahrerinnen dieser Maschinen sind Lärm per se ausgesetzt, wenn sie in ihren Fahrzeugkabinen sitzen, und das bis zu acht Stunden am Tag! Hier können wir einen echten Mehrwert bieten, indem wir beispielsweise bestimmte Motorengeräusche mindern.
In welchen Bereichen ließe sich Eure Technologie noch einsetzen?
Unsere Vision ist es, die Lebensqualität von möglichst vielen Menschen zu erhöhen, indem wir Lärm mindern. Das Schöne an unserer Active Noise Cancelling Technologie ist, dass wir sie theoretisch in jeglicher Art von Sitzen integrieren können. Wir planen eines Tages in Bussen, Bahnen, Autos und Flugzeugen vertreten zu sein, um so noch mehr Menschen von unserer Technologie profitieren zu lassen.
Ihr habt mit recalm schon einige Hamburger Förderprogramme und -institutionen nutzen können. Bitte gebt uns einen Überblick!
Angefangen hat unsere Reise im Accelerator-Programm von Airbus. Pünktlich zum erwähnten Kurswechsel haben wir das EXIST-Stipendium des BMWi erhalten. Unsere Anschlussförderung heißt InnoRampUp und greift ab August dieses Jahres. Darüber hinaus sind wir im regen Austausch mit dem Startup Dock und der IFB Hamburg, um zu schauen, ob und wie Förderung für uns sinnvoll ist. Es mag vielleicht nicht die Strategie der großen Schritte sein, aber wir fühlen uns damit wohl und sind sehr zufrieden mit der Entwicklung von recalm.
Welches sind die größten Hindernisse, die Ihr als Gründer bisher überwinden musstet?
Der Marktwechsel von der Luftfahrt zur Bau- und Landmaschine war mit Sicherheit spannend, keine Frage. Das mühevoll aufgebaute Netzwerk und Beziehungen zu künftigen Kunden schienen plötzlich umsonst gewesen zu sein, was, wie wir jetzt wissen, völlig unbegründet war. Es war ein kleiner Neuanfang nötig. Wir glauben aber, dass wir das vernünftig gelöst haben und auch das nötige Quäntchen Glück hatten. Im Nachhinein sind wir mehr als froh darüber, den Schritt gegangen zu sein. Die nächste große Herausforderung heißt Markteintritt – darauf freuen wir uns schon! Je nach Herausforderung holen wir uns Unterstützung von außerhalb dazu. Wir haben beim InnoMatch-Programm von Hamburg Startups einen Mentor von uns überzeugen können, der uns immer mal wieder zur Seite steht, wenn es brennt. Aus eigener Erfahrung können wir sagen: Das kann unglaublich wertvoll sein.
Welches sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?
Das große Ziel ist der Markteintritt. Wir sind von einer Hand voll potenzieller Kunden eingeladen worden, zusammen mit ihnen auf der weltgrößten Baumaschinenmesse, der bauma, auszustellen. Diese findet im April 2019 in München statt. Bis dahin soll das Produkt einen Langzeittest durchlaufen haben und in ersten Fahrzeugen dieser Kunden integriert sein. Um das erreichen zu können, werden wir unser Team sukzessive vergrößern. Unser Plan ist es, bei recalm einen Ort zu schaffen, an dem wir gemeinsam daran arbeiten, unsere Vision der Stressreduktion durch Lärmreduktion Realität werden zu lassen. Wir freuen uns, dort Startup-Enthusiasten, kompetente Mitstreiter und tolle Menschen willkommen zu heißen, die unser Team bereichern! Wir suchen derzeit zum Beispiel einen Softwareentwickler im Bereich Embedded Systems.
Vielen Dank für das Interview!