Quantencomputer – The NEXT Big Thing
Die NEXT Conference bot vergangene Woche eine Vielzahl aktueller Themen rund um die Digitalisierung unserer Gesellschaft. Dabei waren viele kritische und nachdenkliche Töne zu hören, aber auch der Spaß kam nicht zu kurz. So prägte der Physiker César A. Rodríguez Rosario den Begriff „quantum drunk“. Was es damit auf sich hat und wie der Stand der Dinge beim Quantencomputer ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Die beliebteste Figur aus der komplizierten Welt der Quantenphysik ist zweillos Schrödingers Katze. In einem Gedankenexperiment, in dem sie die Hauptrolle spielt, kann das Tier sowohl lebendig als auch tot sein, beziehungsweise ist ihr Zustand so lange unbestimmt, bis er genau untersucht wird. Hinter dem rätselhaft erscheinenden Schicksal der Katze steckt das sogenannte Superpositionsprinzip, die Gleichzeitigkeit mehrer Zustände. Der in Puerto Rico geborene Physiker César A. Rodríguez Rosario brachte bei seinem Vortrag auf der NEXT Conference über den Quantencomputer dafür einen neuen Charakter ins Spiel: den Quantensäufer.
Mit Quantenphysik schneller ans Ziel
Der ist nach reichlich Alkoholkonsum schon ziemlich desorientiert und sucht nun wahlweise seine Freunde oder den Ausgang aus der Kneipe. Gegenüber den normal Betrunkenen hat der „quantum drunk“ bei der Suche aber einen entscheidenden Vorteil. Er muss sich nicht entscheiden, ob er zunächst in die eine oder andere Richtung wanken will, sondern kann parallel mehrere Wege einschlagen. Hier greift wieder das Superpositionsprinzip, das in diesem Fall dafür sorgt, dass unser Quantensäufer schneller an sein Ziel gelangt. Nüchtern betrachtet, steht der Quantensäufer aus unserer kleinen Geschichte für den Quantencomputer. Beim klassischen Computer ist die kleinste Informationseinheit ein Bit, der den Zustand 0 oder 1 haben kann. Der Quantencomputer arbeitet mit Qubits, bei denen sich die Zustände überlagern können.
Weiter ins Detail wollen wir hier gar nicht gehen. Quantenphysik ist für die meisten Außenstehenden ein Buch mit sieben Siegeln und steht scheinbar teilweise im Widerspruch zur realen Welt, wie wir sie beobachten können. Wichtig ist vor allem eine Tatsache: Quantencomputer sind verdammt schnell. Sie können in kürzester Zeit Berechnungen durchführen, für die herkömmliche Computer viele Jahre benötigen. Zumindest in der Theorie, denn noch gibt es kein Gerät, eine solche Quantenüberlegenheit aufweist. So war jedenfalls der Kenntnisstand am Freitag vergangener Woche, als Rodriguez Rosario die kommenden Meilensteine bei der Entwicklung des Quantencomputers aufzählte.
Der erste überlegene Quantencomputer kommt bald – oder ist er schon da?
Er erwartete die Quantenüberlegenheit, also den Punkt, an dem ein Quantencomputer ein bisher praktisch unlösbares Problem bewältigen kann, im kommenden Jahr. Vielleicht ist dieser Punkt aber schon erreicht, denn inzwischen kursiert das Gerücht, Google habe eine Aufgabe in 200 Sekunden gelöst, für die es mit herkömmlichen Rechenmethoden 10.000 Jahre gebraucht hätte. Das wäre in der Tat ein gewaltiger Quantensprung. Offiziell bestätigt ist dieser Durchbruch allerdings noch nicht. (Hier dazu ein Beitrag bei Fortune.)
Lange wird es aber so oder so nicht mehr dauern und Rodriguez Rosario vermutet, das schon innerhalb der nächsten fünf Jahre der erste vielseitig einsetzbare Quantencomputer bereitstehen wird. Die großen amerikanischen Tech-Konzerne, allen voran IBM, investieren massiv, auch in Europa passiert einiges und dass die Chinesen nicht schlafen, davon kann man ausgehen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, beispielsweise bei medizinischen Experimenten, bei denen das Prinzip von Versuch und Irrtum gilt. Insgesamt gilt, dass sich das Sammeln, Sichten und Auswerten von Daten um ein Vielfaches beschleunigen lässt. Davon profitieren werden auch Entwicklungen in den Bereichen Machine Learning und künstliche Intelligenz.
Programmierer gesucht – Chancen für Startups
Bleibt nur ein kleines Problem: Das Thema ist, wie gesagt, reichlich kompliziert. Wirklich den Durchblick hat nur ein kleiner Kreis von Experten, wo jeder jeden kennt. Es fehlen vor allem Programmierer, welche die Möglichkeiten der neuen Technologie tatsächlich einsetzen können, zumal noch gar nicht absehbar ist, wo die Reise genau hingeht und welcher Anbieter sich durchsetzen wird. Die ersten Quantencomputer wird sich der Normalverbraucher und auch ein kleines Startup gar nicht leisten können. Gedacht ist an eine Cloud-Lösung, die die Nutzung eines dieser Supergeräte ermöglicht.
Hier eröffnen sich Chancen für Startups, die frühzeitig auf die neue Technologie setzen und dann vielleicht so etwas wie „Quantum-Computing-as-a-Service“ anbieten. In der Szene herrschen ein Pioniergeist und ein großes Gemeinschaftsgefühl. Der Austausch von Know-how und Software, unter Codern sowieso gang und gäbe, ist hier besonders wichtig. Schon deshalb, um das Feld nicht vollständig einigen wenigen Konzernen überlassen zu müssen. Wenn das klappt, können Quantencomputer hoffentlich bei der Lösung von Problemen helfen, die wichtiger sind als den schnellsten Weg aus der Kneipe zu finden.