Qualitize bringt die Marktforschung in die Läden
„Marktforschung, das ist doch langweilig und umständlich und macht keinen Spaß.“ Wer so denkt, kennt höchstwahrscheinlich noch nicht die Touchpad-Terminals von Qualitize, die Kundenbefragungen in Sekundenschnelle möglich machen. Damit hat das Hamburger Startup im Einzelhandel schon große Erfolge erzielt und treibt jetzt die Internationalisierung voran.
Eine Frage beantworten Kathrin und André Kistner gleich zu Beginn, bevor sie überhaupt gestellt wurde: Nein, sie seien keine Geschwister, wie manche vermuten, sondern ein Ehepaar. Eines mit einem dreijährigen Sohn übrigens, und das ist längst nicht alles, was sie gemeinsam haben. Kennengelernt haben sie sich beim Medienmanagement-Studium in Hannover, Schwerpunkt: Marktforschung. Schon damals hatten sie den Wunsch, sich mit einem eigenen Startup selbständig zu machen, schließlich stammen beide aus Unternehmerfamilien.
Ein neues Konzept für Marktforschung am Point of Sale
Nach dem Abschluss ging es dann allerdings erstmal in die Festanstellung. Kathrin wurde Beraterin bei der Boston Consulting Group, André Verkaufsleiter für diverse Zeitschriften bei Gruner + Jahr. Vier Jahre lang sammelten sie Berufserfahrung auch auf internationalem Parkett und entwickelten parallel ein Konzept, um die Marktforschung für den Einzelhandel auf eine neue Ebene zu bringen.
Bisher war es üblich, Testkäufer, sogenannte „Mystery Shopper“, in die Läden zu schicken und deren Einkaufserlebnisse auszuwerten. Wirklich repräsentative Ergebnisse sind da allerdings kaum zu erwarten, dafür ist die Fallzahl viel zu gering. Auch herkömmliche Kundenbefragungen per Papierfragebogen lassen sich nur mit großem Aufwand und letztlich eher unbefriedigenden Resultaten realisieren.
Die von den Kistners entwickelte Alternative sind Touchpad-Terminals, die direkt am Ort des Geschehens (im Fachjargon: Point of Sale), meistens im Ausgangsbereich eines Ladens, deutlich sichtbar aufgestellt werden. Die Besucher, egal ob sie dort etwas gekauft haben oder nicht, können in der einfachsten Version drei Fragen beantworten. Als Antwortmöglichkeiten sind jeweils fünf Smileys vorgegeben, die sich durch die Stellung der Mundwinkel unterscheiden. Das breiteste Grinsen entspricht der Schulnote „1“, die am weitesten heruntergezogene Flunsch einer „5“.
Qualitize hat Kunden aus vielen Bereichen
Das ist verkürzt dargestellt die Grundidee, die Kathrin und André an ihrer ehemaligen Uni in Hannover vorstellten. Sie wurde intensiv diskutiert und am Ende für gut befunden. Eine ähnlich positive Erfahrung konnten sie auch in einem Gespräch mit dem Unternehmer Wilhelm Weischer machen. Ihn hatten sie eigentlich nur um Expertenrat gebeten, doch war er von dem Service so angetan, dass er ihn gleich in seinen BabyOne-Fachmärkten einsetzen wollte.
So kam es, dass Qualitize gleich bei der Gründung im Jahr 2013 einen namhaften Großkunden vorweisen konnte, der dem Marktforschungs-Startup bis heute die Treue hält. Inzwischen hat Qualitize rund 500 Kunden überzeugen können, darunter so große Namen wie SportScheck, Peek & Cloppenburg, Adler oder Globetrotter. Aber auch Arztpraxen und Krankenhäuser gehören dazu, die mit den Terminals die obligatorischen Patientenbefragungen durchführen. Und die Betreiber öffentlicher Toiletten, die über das System dringende Bedürnisse mitgeteilt bekommen, etwa, wenn es an Seife oder Papierhandtüchern fehlt.
Die Haspa fragte nach dem Dresscode
Womit deutlich wird, dass die eben beschriebene Variante mit den drei einfachen Fragen nur eine von vielen Anwendungsmöglichkeiten ist. Dabei sind auch hier mehr als ledglich drei verschiedene Fragen im Umlauf, der Kunde bekommt nur nicht mehr zu sehen. In der Regel handelt es sich um eine Standardfrage und zwei, die rollieren. Aber auch umfangreichere Fragenkataloge sind möglich, bei denen die Teilnehmer zum Beispiel ihr Urteil über bestimmte Werbeauftritte abgeben können. Die Haspa hat Qualitize genutzt um zu erfahren, wie die Kunden über einen weniger förmlichen Dresscode für die Bankangestellten denken. Der kam gut an, also wurde er eingeführt.
Der Erfolg von Qualitize ist aber nicht nur der vielseitigen Einsetzbarkeit der Terminals geschuldet, sondern auch dem sich rasant ändernden Verhalten der Konsumenten, mit dem sich der Einzelhandel auseinandersetzen muss. In Zeiten, in denen sich alles jederzeit im Internet bestellen lässt, kommt es mehr denn je auf das Einkaufserlebnis vor Ort und einen umfassenden Service an. Da geben die Daten, die Qualitize erhebt, entscheidende Hilfestellungen.
Befragungsergebnisse führen zu konkreten Verbesserungen
Die Qualitize-Kunden bekommen regelmäßig ausführliche Auswertungen, die oft Probleme aufdecken, die ihnen gar nicht bewusst waren. Wenn beispielsweise zu bestimmten Uhrzeiten oder an bestimmten Tagen schlechtere Noten für den Service vergeben werden als üblich, wird das möglicherweise an zu wenig Personal zu diesen Zeitpunkten liegen. Ein Mangel, der leicht behoben werden kann. In den folgenden Reports sollten die Werte dann entsprechend besser ausfallen. Dabei fällt viel weniger schlechte Kritik an, als manche befürchten. Kunden verteilen über die Terminals auch gerne Lob, das sonst bei den Mitarbeitern gar nicht ankommen würde.
Die Auswertungsgrafiken sind somit eine hervorragende Motivationshilfe, zumal sie sehr einfach zu verstehen sind. Grüne Elemente stehen für positive Noten. Je grüner also, desto besser, und die paar roten Flächen kann man dann sicherlich auch noch tilgen! Die Reports lassen sich für ein gesamtes Unternehmen ebenso wie für einzelne Standorte ausfahren, und auch unternehmensübergreifende Vergleiche sind möglich, natürlich anonymisiert, wie überhaupt niemals persönliche Daten ausgewertet werden.
Es gibt Jobs!
Über 12 Millionen Kundenbefragungen wurden inzwischen erfasst, in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Polen. Weitere Länder kommen bald hinzu. Die Kundenzufriedenheit ist hoch, da Qualitize Resultate liefert, die zu konkreten Änderungen und messbaren Verbesserungen führen. In Zukunft möchte das Startup von sich aus Handlungsempfehlungen aussprechen und die Software entsprechen optimieren. Nicht nur dafür soll das momentan zwölfköpfige Team ausgebaut werden. Wer also immer schon mal für ein preisgekröntes Startup arbeiten wollte (Hamburger Gründerpreis 2015), sollte einmal in unserem Jobboard nachschauen!
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