Premium – die Cola, die keine Gewinne machen darf
Ein Unternehmen, das keine Gewinne erzielen will. Und keine Werbung macht. Das keine Hierarchien kennt und bei dem jeder und jede bei allen Entscheidungen mitbestimmen kann – Konsumenten eingeschlossen. Bei dem die Gleichwertigkeit von Menschen das oberste Prinzip ist. Das sich daher auch lieber Kollektiv als Unternehmen nennt. Und seit 15 Jahren am Markt ist. Gibt’s nicht? Doch, das gibt es, nennt sich Premium und ist mit Cola und anderen Getränken erfolgreich. Und damit ein Fall für unseren Spot on: Food & Health.
Es begann damit, dass die Lieblingscola von Uwe Lübbermann ihre Rezeptur geändert hatte, ohne dass er darüber informiert worden war. Bei großen Konzernen eine durchaus übliche Vorgehensweise, aber eine, die nicht Uwes Wertvorstellungen entsprach. Einer seiner Leitsätze lautet: „Rede mit jedem, auf den Du Dich auswirken wirst.“
Bei Premiun trifft ein Kollektiv alle Entscheidungen
Im Privaten mag das funktionieren, aber kann das auch im Geschäftsleben klappen? Konkret heißt das nämlich, dass nicht nur sämtliche Mitarbeiter Mitspracherecht haben, sondern auch Lieferanten, Händler und alle anderen Geschäftspartner. Und nicht zuletzt die Kunden, die das Produkt kaufen. Sie alle können Teil des Kollektivs werden, das über das Vorgehen bei Premium entscheidet. 190 Mitglieder hat das Gremium zurzeit. Den inneren Kreis bilden dabei die zehn Kollektivisten, die hauptberuflich für das Getränkeunternehmen arbeiten.
Sie sind Freiberufler und verdienen im Prinzip alle dasselbe. Das geschieht nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit, was nicht absolute Gleichbehandlung bedeutet. So bekommen Kollektivisten Zuschläge, wenn sie Kinder versorgen, eine Behinderung haben oder ihren Platz zum Arbeiten finanzieren müssen, denn ein zentrales Büro gibt es nicht. Daher ist Uwe, der den Titel „zentraler Moderator“ trägt und die genannten Bedingungen für einen Zuschlag nicht erfüllt, auch nicht der höchstbezahlte Kollektivist.
Weiterhin sind rund 50 Sprecherinnen und Sprecher für Premium unterwegs. Das sind quasi Hobbyaußendienstler, die dafür sorgen, dass die Cola (sowie Bier, Mate und ein Holunderblütengetränk) mittlerweile in gut 200 Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz erhältlich ist. Insgesamt gibt es 1.700 gewerbliche Partner, von der Kneipe bis um Etikettenhersteller. 2016 wurden 1,55 Millionen Flaschen verkauft. Für das vergangene Jahr hatte das Kollektiv ein Wachstum von 10 % avisiert. Das wurde nicht erreicht, stattdessen waren es 11 %.
Keine Gewinne und keine Werbung
Wachstum ist nicht das oberste Ziel bei Premium, Gewinne machen schon gar nicht. Sollten die trotzdem mal anfallen, wird umgehend der Preis der Ware gesenkt. Als kürzlich bei der Versorgung eines Hackerkongresses mit Cola ein Überschuss blieb, kam der als Spende dem Wiederaufbau des Golden Pudel Club zugute. Dort fanden nämlich einst die ersten Sitzungen des Kollektivs statt. Womit wir noch einmal auf die Anfänge zurückkommen. Uwe sicherte sich damals die ursprüngliche Rezeptur seiner Lieblingscola (es war übrigens afri) und führte Premium in den Markt ein. Ganz ohne klassische Werbung übrigens, denn auch das gehört zum Credo.
Selbst das Etikett auf der Flasche beschränkt sich auf die allernötigsten Informationen. Niemand soll mit Werbebotschaften konfrontiert werden, die er oder sie nicht bewusst empfangen möchte. Immerhin gibt es inzwischen eine Facebookseite, was lange umstritten war. Schließlich ist für eine Entscheidung Einstimmigkeit erforderlich, und die zu erzielen dauert manchmal etwas länger. Trotzdem hat sich das Verfahren bewährt, nur in drei Fällen musste Uwe sich als primus inter pares durchsetzen. Zweimal ging es um das Flaschenetikett, einmal um eine Rückholaktion, da die Cola versehentlich doppelt so viel Koffein enthielt wie üblich. Das war sowieso unvermeidlich und musste schnell gehen.
Ansonsten gilt für Uwe: „Mach so schnell wie Du kannst, aber nicht schneller.“ Dahinter steckt die Empfehlung, nichts zu überstürzen und Ausdauer zu haben. Das empfiehlt er auch Startups, die oft Skalierung um jeden Preis in den Mittelpunkt stellen und sich dabei in finanzielle Abhängigkeiten begeben. Uwe rät, sich zu fragen, ob wirklich immer alles so schnell gehen muss. Und er rät davon ab, alles auf eine Karte zu setzen und sich ausschließlich mit seinem Unternehmen zu beschäftigen, auch wenn es noch gar keinen Umsatz macht.
Startups berät Uwe kostenlos
Er selbst hat auch Jahre nach der Gründung von Premium noch andere Jobs gehabt und sich erst auf seine Cola konzentriert, als es sich wirklich rechnete. Das heißt, vollständig konzentriert auch wieder nicht, denn seit einiger Zeit ist er zudem als Berater tätig. Oder wie er es lieber nennt, als „Begleiter“. Bei der Wortwahl ist er sehr genau, denn „Sprache kann sehr mächtig sein.“
In dieser Funktion hat er schon einigen Startups geholfen, überwiegend aus dem Bereich Getränke. Kostenlos natürlich, denn wie sagt er so schön: „Wenn ich Erfahrungen weitergebe, habe ich hinterher nicht weniger.“ Von neun Startups, denen er Tipps gegeben hat, existieren acht noch heute, und das schon ein paar Jahre. Wer mit Uwe Kontakt aufnehmen möchte, kann das gern über seine Webseite tun.
Das können auch große Unternehmen, die allerdings für die Begleitung zahlen dürfen. Fünf Jahre hat er darauf hingearbeitet, jetzt freut er sich, dieses Ziel erreicht zu haben. Zu seinen Referenzen gehören inzwischen unter anderem die Vereinigten Arabischen Emirate und die Deutsche Bahn. Die werden gewiss nicht gleich den absoluten Kollektivismus einführen, wollen sich aber von dem ungewöhnlichen Geschäftsmodell inspirieren lassen. Das ist offensichtlich so ungewöhnlich, das Uwe von einem indischen Kongress kürzlich zu einem der „Top 50 Most Impactful Social Innovators“ gekürt wurde.
Mit Anstand Erfolg haben – das geht!
Über eine solche Auszeichnung kann sich Uwe nur bedingt freuen. Er meint, es könne viel mehr Menschen geben, die so handeln wie er, und ein besonderes Talent besitze er auch nicht. Er findet es irgendwie verrückt, dass er versucht, sich anständig zu benehmen, was das System aus seiner Sicht eigentlich nicht belohnt, und trotzdem Erfolg hat. Und das nachhaltig, in jeder Beziehung.
HÖRTIPP: Wer noch mehr über Uwe und Premium erfahren möchte, kann das in diesen Podcasts tun:
Spot on: Food & Health
Hamburg ist ein Food-Standort und optimaler Eintrittsmarkt für Lebensmittelhersteller aller Art. Über 10% der Hamburger Startups bei uns im Monitor sind der Lebensmittelbranche zuzuordnen, und es werden immer mehr. Sie setzen als Innovatoren neue Trends, entwickeln neue Produkte, Vertriebswege und Geschäftsmodelle.
Geschätzt verfügt das Hamburger Startup Ökosystem über mindestens 100 Food-, Beverage- oder Food-Tech-Startups. Ein invieler Hinsicht großes Thema! Daher werden sich unsere Redaktion und unser Eventmanagement dem Thema Food in den nächsten Monaten mit dem ‚Spot on: Food & Health Special‘ intensiv widmen! Bleibt also gespannt!
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