payever – ein Hidden-Champion-Fintech aus Hamburg
Viele Startups sorgen kurzfristig für Schlagzeilen und verschwinden dann leider auch wieder schnell von der Bühne. Andere blühen eher im Verborgenen, können sich aber langfristig durchsetzen. Zu ihnen gehört das Hamburger Fintech payever, das Bezahllösungen in Onlineshops integriert. Angefangen hat die Erfolgsgeschichte 2013 mit einer simplen WordPress-Seite.
Einmal eine Festanstellung in einem Unternehmen zu haben gehörte nie zur Lebensplanung von Artur Schlaht. Bereits im Alter von 15 Jahren wurde er daher im E-Commerce aktiv, handeltete in der Folge unter anderem mit DVDs und Waren aus China. In die Fintech-Welt stieg er 2011 mit der Gründung von fianc.de ein, einer – laut eigener Beschreibung – Plattform für kleine bis mittelgroße Private-Equity-Investments in Europa. Zu der Zeit war er noch in Würzburg aktiv, genau wie Viktor Butsch. Kennengelernt haben er und Artur sich an der dortigen Julius-Maximilians-Universität. Bezüglich ihrer Temperamente ergänzen sich die beiden gut: Viktor neigt zur kritischen Analyse, Artur ist mehr der optimistische Macher.
Die Anfangsidee: Ratenkäufe ermöglichen
Diese Kombination führte dazu, dass sie an ihre gemeinsame Gründung mit einer gehörigen Portion realitätsbezogener Zuversicht herangehen konnten. Mit payever wollten sie eine Lücke schließen, von der sie bei ihrer Recherche im Onlinehandel erfahren hatten. Vor allem kleinere Shopbetreiber hatten nicht die Möglichkeit Ratenkredite anzubieten. Gerade bei hochpreisigen Produkten ist das für Kunden häufig ein KO-Kriterium. Als payever Ende 2013 mit einer Lösung für dieses Problem an den Start ging, gab es nicht viel mehr als eine Webseite. An Automatisierung über eine Schnittstelle war da noch nicht zu denken. Die ersten Anfragen haben die Gründer quasi in Handarbeit erledigt, wenn es sein musste, auch mitten in der Nacht.
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Es dauerte fast zwei Jahre, bis eine Softwarelösung gefunden war, welche alle wichtigen Kundenwünsche erfüllen konnte. Und auch im Jahr 2025 hat das Modularsystem noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, wobei sich das Geschäftsmodell im Vergleich zu den Anfangstagen erheblich ausgeweitet hat. Inzwischen ermöglich das Unternehmen, das über den Startup-Status längst hinaus ist, die Integration von praktisch allen gängigen Bezahlmöglichkeiten in Onlineshops. In mancher Hinsicht erinnert das Konzept an Klarna, wobei payever auch den schwedischen Zahlungsanbieter integrieren kann.
Ein Weltkonzern als Partner von payever
Über 5.000 Unternehmen sind im Laufe der Jahre Kunden von payever geworden, darunter Schwergewichte wie MediaMarkt oder das Hamburger Erfolgsstartup 1KOMMA5°. Der Aufstieg gelang ohne schlagzeilenträchtige Finanzierungsrunden. Das erste Fördergeld erhielt das Startup über ein EXIST-Gründerstipendium, auch die Teilnahme an Wettbewerben und Programmen wie dem Microsoft Ventures Accelerator brachten payever voran. Ein weiterer Meilenstein war 2015 ein Investment des High-Tech Gründerfonds (HTGF). Den größten Vorteil brachte allerdings eine im gleichen Zeitraum entstandene Kooperation mit der Santander Consumer Bank. payever hat selbst keine Banklizenz, eine Zusammenarbeit mit einer etablierten Bank ist deshalb essentiell für die Skalierung.
Die spanische Banco Santander gehört zu den größten Bankkonzernen der Welt, mit insgesamt über 100 Millionen Kunden und annährend 200.000 Beschäftigten. Ende 2017 übernahm Santander die Anteile des HTGF an payever und ist seither einziger Anteilseigner neben den Gründern. Die weltweite Präsenz des Finanzdienstleistungsriesen war und ist eine große Hilfe bei der Internationalisierung von payever. Stand heute ist das Fintech in neun europäischen Ländern aktiv, neben Deutschland noch in Österreich, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Niederlande, Belgien und Großbritannien.
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Hauptstandort bleibt Hamburg
International aufgestellt ist auch das Team. Der Hauptsitz befindet sich in Hamburg, aber vor allem in der IT-Abteilung agieren Mitarbeitende aus aller Welt. Rund 100 Personen sind mitterweile bei payever im Einsatz. Der Wachstumsprozess brachte für die Gründer die bei prosperierenden Startups übliche Herausforderungen mit sich, Kontrolle und Kompetenzen abzugeben. Das gelingt auch deshalb, weil der Fokus eben auf den Standort Hamburg liegt. Von hier aus soll das Kundenpotenzial weiter ausgeschöpft werden, und das ist nicht nur in weiteren internationalen Märkten zu finden.
Eine intensive Auswertung der Gelben Seiten hat zum Beispiel ergeben, dass es in Deutschland um die 6.500 Fahrradhändler gibt. Rund die Hälfte von ihnen verfügt noch nicht einmal über eine Webseite. Da ist also noch eine Menge Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Das möchte payever in den kommenden Monaten tun und den Händlern beim Aufbau von kundenfreundlichen Onlineshops mit integrierten Bezahllösungen helfen. Als Mittel zum Zweck dient dabei die klassische Kaltakquise, also der Griff zum Telefon. Diese Methode hat sich bei dem Startup von Anfang an bewährt und ist auch in Zeiten von künstlicher Intelligenz der beste Weg. Auch die schlaueste KI kann des persönliche Gespräch nicht ersetzen.
Fotos: payever