OTTO NOW – So geht Startup bei einem Großunternehmen
Bei manchen Geräten möchte man technisch immer auf dem neuesten Stand sein, andere benötigt man nur zu bestimmten Anlässen – zwei triftige Gründe, etwas zu mieten, statt zu kaufen. OTTO NOW, ein konzerninternes Startup der Otto Group, hat daraus ein Geschäftsmodell entwickelt und setzt dieses Jahr ganz auf Wachstum.
Whyownit war der Name eines Startups, das vor ein paar Jahren viel Aufmerksamkeit erregte. Viele waren begeistert von der Idee, doch kaum jemand machte tatsächlich mit, sodass Whyownit Anfang 2015 nach knapp drei Jahren und mehrfacher Überarbeitung des Konzepts aufgeben musste. Dabei schien dieses in Zeiten, in denen Shared Economy in aller Munde ist, doch so erfolgversprechend. Das Startup wollte einen Marktplatz etablieren, auf dem Nutzer die unterschiedlichsten Geräte und Gegenstände leihen und verleihen konnten. Gescheitert war das unter anderem daran, dass nicht genug Verleiher gefunden wurden.
OTTO NOW ist eine Antwort des Konzerns auf die Herausforderungen der Digitalisierung
Dieses Problem hat das Jungunternehmen OTTO NOW nicht, wie schon der Name ahnen lässt. Es kann auf das riesige Sortiment eines Großkonzerns zugreifen. Und auch sonst sind die Voraussetzungen wesentlich günstiger. Die Otto Group, eines der Hamburger Vorzeigeunternehmen, geht verschiedene Wege, um bei der Digitalisierung mitzuhalten oder sogar Vorreiter zu sein. Ein Beispiel ist der 2012 gegründete Company Builder Liquid Labs, ein anderes die inzwischen zum Einhorn aufgestiegene, also mit einer Milliardenbewertung versehene Tochterfirma About You.
2015 erfolgte der konzerninterne Aufruf, neue Ideen zu entwickeln, um Kundenprobleme zu lösen. Um die 200 Vorschläge wurden eingereicht, durchgesetzt hat sich der von David Rahnaward. David ist Wirtschaftsinformatiker und seit dem Dualen Studium mit Otto verbunden. Im Unternehmen hat er die Aktivitäten rund um Onlinemarketing und Social Media mit vorangetrieben. Sein Mitgründer bei OTTO NOW ist Sören Nilsson, ebenfalls ein Eigengewächs, mit Erfahrungen aus den Bereichen Kundenservice und Logistik.
Zu Beginn so schlank wie jedes normale Startup
Nach einigen Tests und Evaluierungsschritten ging die Webseite von OTTO NOW am 12. Dezember 2016 online. Zu Beginn war das Angebot bewusst klein gehalten. Beispielsweise drei Kameras, drei Fernseher oder drei Kaffeemaschinen sollten reichen, insgesamt stand rund 100 Artikel zur Auswahl. Auch sonst ging es anfangs noch recht schlicht zu; die Auftragsverwaltung erfolgte über Excel und das Team bestand aus vier Personen, die parallel noch andere Aufgaben im Konzern hatten. Ohne großen Werbeaufwand fand die Möglichkeit, sich hochpreisige oder selten genutzte Produkte auszuleihen, schnell wachsenden Zuspruch. Ein Beispiel ist die teure Kamera, die nur ein einmaliges Ereignis wie eine Hochzeitsfeier dokumentieren soll und danach irgendwo ungenutzt einstauben würde.
2019 soll nun das Jahr werden, in dem OTTO NOW richtig durchstartet. Die Zahl der zu leihenden Artikel bewegt sich auf die 1.000 zu, das Team ist auf 17 Mitarbeiter angewachsen, darunter eigene Softwareentwickler, und Excel ist schon lange kein Thema mehr. Im Mai trat das Unternehmen mit einer Reihe von neuen Angeboten an die Öffentlichkeit. Bisher betrug die Mietzeit je nach Produkt drei, sechs, zwölf oder 24 Monate, jetzt sind einige Artikel auch für nur einen Monat zu haben. Das beinhaltet die Möglichkeit, Innovationen wie Drohnen oder Virtual-Reality-Brillen unverbindlich zu testen und dann zu kaufen.
Marketingoffensive mit vielen neuen Angeboten
Diese Kaufoption ist ebenfalls neu und gilt für alle Artikel. Bereits bezahlte Leihgebühren werden auf den Kaufpreis angerechnet. Stand bisher der Privatkunde im Fokus, öffnet sich OTTO NOW jetzt auch für Freiberufler und Unternehmer, die die Produkte zum gleichen Preis mieten können. Die werden sich vermutlich weniger für eine weitere Angebotserweiterung interessieren: In Kooperation mit Hülsta bietet das Unternehmen neuerdings auch Kindermöbel an, andere Möbel gab es schon seit Dezember 2018.
Einiges läuft bei OTTO NOW wie bei den meisten anderen Startups. Die Hierarchien sind flach und die Arbeitsmethoden agil. Hier kann das Team Strukturen ausprobieren, die sich später zumindest teilweise auf den Konzern übertragen lassen. Eine sonst übliche Sorge treibt das junge Unternehmen allerdings nicht um, nämlich die Frage nach der Finanzierung. Otto investiert im laufenden Geschäftsjahr einen zweistelligen Millionenbetrag, um OTTO NOW voranzubringen. Da ist es leicht nachvollziehbar, dass die Gründer alle zwei Wochen an den Vorstand zu berichten haben, wie sich das Geschäft entwickelt. Aktuell sieht es gut aus, vor allem Smartphones und Drohnen werden gern gemietet.
Wahrscheinlich ist auch der Zeitgeist noch stärker auf der Seite von OTTO NOW, als er es bei Whyownit war. Die Wegwerfgesellschaft steht auf dem Prüfstand und nicht jeder muss immer das neueste Gerät besitzen. Ein älteres Modell tut es oft auch und eine kleine Schramme ist kein Problem. Die Zukunft könnte daher sogenannter B1-Ware gehören, nicht perfekt und nicht mehr ganz neu, aber noch prima zu gebrauchen und preisgünstig zu mieten.
Fotos: OTTO NOW