OnlineDoctor diagnostiziert Hauterkrankungen künftig mit KI
Telemedizin ist auf dem Vormarsch und einer der führenden Anbieter in diesem Bereich ist OnlineDoctor, spezialisiert auf Hauterkrankungen. Jetzt hat das Unternehmen das Tübinger Startup A.S.S.I.S.T. übernommen, um zukünftig mit künstlicher Intelligenz Diagnosen zu unterstützen.
Hauterkrankungen sind ebenso häufig wie in vielen Fällen harmlos, doch Betroffene wollen natürlich möglichst in jedem Fall eine medizinische Begutachtung einholen. Einen zeitnahen Arzttermin zu bekommen ist allerdings nicht so einfach, die Wartezeit beträgt bei gesetzlich Versicherten im Durchschnitt 35 Tage. Telemedizin kann da eine zeitsparende Alternative sein.
In der Schweiz ging es los, Deutschlandsitz wurde Hamburg
Das zumindest ist der Ansatz von OnlineDoctor, einem Startup, das 2016 als Ausgründung der Universität von St. Gallen entstand. Die drei Gründer sind der Dermatologe Dr. Paul Scheidegger sowie Tobias Wolf und Philipp S. F. Wustrow, die auch beide einen Doktortitel besitzen, aber statt eines medizinischen einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund haben.
2018 gingen die drei mit ihrem Angebot online, damals in Kooperation mit acht Dermatologen aus der Schweiz. Inzwischen hat sich rund ein Viertel der auf Hautkrankheiten spezialisierten Ärztinnen und Arzte aus der Alpenrepublik OnlineDoctor angeschlossen. Als die rechtlichen Grundlagen für Telemedizin auch in Deutschland geschaffen waren, entstand im Herbst 2019 die OnlineDoctor 24 GmbH mit Sitz in Hamburg.
Gründer Philipp erklärt, man habe die Hansestadt als Standort gewählt, weil hier die Arbeitsbedingungen und die Lebensqualität besonders gut seien, was das Recruiting leichter mache. Einen entscheidenden Schub brachte dem frisch gegründeten Unternehmen auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD). Der sprach seinen gut 3.500 Mitgliedern eine ausdrückliche Empfehlung für OnlineDoctor aus.
Über 40 Krankenkassen zahlen für OnlineDoctor
Mit dem Erfolg, dass über die Plattform inzwischen über 600 Dermatologen und Dermatologinnen in der DACH-Region verfügbar sind, denn auch in Österreich ist OnlineDoctor mittlerweile am Start. Für Patienten ist das Prozedere denkbar einfach. Sie benötigen keine App, sondern können direkt über die Webseite ihren Fall schildern. Dazu wählen sie zunächst eine Ärztin oder einen Arzt aus ihrer Region. Dann beantworten sie ein paar Fragen zu ihrem Hautleiden, fügen möglichst aussagekräftige Fotos hinzu und schicken die Infos ab.
Nach im Durchschnitt nicht mehr als sieben Stunden erhalten sie dann eine Ferndiagnose. In 85 % der Fälle ist ein persönlicher Termin in der Praxis nicht erforderlich, beim Rest erfolgt eine genauere Untersuchung. Die Wartezeit dafür beträgt durchschnittlich fünf Tage, ist also erheblich kürzer als sonst üblich. Bezahlt wird der Service in Deutschland von über 40 gesetzlichen Krankenkassen, auch privat Versicherte können mit Erstattung rechnen. Ansonsten wird eine Gebühr von 39 Euro fällig.
Mit der Übernahme von A.S.S.I.S.T. kommt künstliche Intelligenz ins Spiel
Das gesamte Unternehmen hat inzwischen von privaten Investoren und Risikokapitalfirmen insgesamt 10 Millionen Schweizer Franken eingesammelt, offensichtlich vorwiegend aus dem Ursprungsland des Startups. Das Geld kommt aber allen Standorten zugute, ganz aktuell bei der Übernahme eines anderen Startups, nämlich A.S.S.I.S.T. Auch hier handelt es sich um eine Ausgründung, in diesem Fall der Uni Tübingen.
Die Abkürzung steht für Automated Scientific Skin Infection Search Technology und die Langfassung macht deutlich, warum OnlineDoctor an dem Team Interesse hatte. A.S.S.I.S.T. entwickelt nämlich eine künstliche Intelligenz (KI), die Hautkrankheiten diagnostiziert. Mittlerweile funktioniert das bereits bei rund 50 verschiedenen Indikationen mit einer Zuverlässigkeit von über 80 %. Der Prototyp der KI hat sich in Test also schon bewährt.
Zum Einsatz kommen kann sie allerdings erst in einigen Monaten. Die Zertifizierung als Medizinprodukt ist nämlich noch nicht abgeschlossen und der Prozess nimmt erfahrungsgemäß eine längere Zeit in Anspruch. Zeit, die zumindest sinnvoll genutzt werden kann, um die KI weiter zu verfeinern. Wertvollen Datennachschub erhält sie dann, wenn sie als Diagnosetool zugelassen ist und Patientendaten einfließen können, selbstverständlich nur anonymisiert und mit ausdrücklicher Zustimmung.
Die KI gibt die „zweite Meinung“ ab
Auch soll die KI keine menschliche Expertise ersetzen, sondern nur wertvolle Hilfe bei der Diagnose geben, vergleichbar mit der in medizinischen Kreisen fast schon sprichwörtlichen zweiten Meinung. Auf jeden Fall bietet OnlineDoctor mit dieser Form der Bildanalyse dann eine echte Pionierleistung an. Entsprechend begeistert äußert sich Gründer Tobias: „Gemeinsam entwickeln wir jetzt das erste KI-gestützte Medizinprodukt in der Teledermatologie – ein Meilenstein in der Digitalisierung des Gesundheitswesens und eine Revolution in der Teledermatologie.“
Für das Team von A.S.S.I.S.T. ändert sich durch die Übernahme nichts, es wird als neue KI-Abteilung vollständig übernommen. Auch der Standort Tübingen bleibt grundsätzlich erhalten, wobei die Teammitglieder herzlich eingeladen sind, nach Hamburg umzusiedeln. Wie man hört, sollen hier besonders angenehme Arbeitsbedingungen herrschen.
Fotos: OnlineDoctor