Das waren die Online Marketing Rockstars 2017
Vielleicht ist Online-Marketing mittlerweile die wichtigste und mächtigste Branche der Welt – eine ziemlich steile These, gewiss, aber eine, die von Jahr zu Jahr immer mehr Gewicht bekommt. Genau wie die Online Marketing Rockstars (OMR), ein Messe- und Konferenzereignis, das von Rekord zu Rekord eilt. So ziemlich alle, die in der Branche etwas zu sagen haben, waren dabei – Hamburg Startups natürlich auch.
Da sind die Veranstalter ganz akkurat: Waren es im vorigen Jahr genau 16.533 Besucher, verkündeten die Veranstalter für die Online Marketing Rockstars 2017 die Zahl von 26.872. Wenig überraschend gab es daher am Donnerstag lange Schlangen beim Einlass, die auch auf ein neues Bezahlsystem zurückzuführen waren. In dem Zugangsbändchen war ein Chip integriert, der sich mit Geld aufladen ließ, um dann später Essen und Getränke bargeldlos bezahlen zu können. Gute Idee, hat nur leider nicht ganz geklappt, mit der Konsequenz, dass am ersten Tag bis 17 Uhr die gesamte Verpflegung kostenlos war. Übrigens auch für die, die etwas später kamen und keinerlei Probleme bei der Registrierung hatten.
Die hatte die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries ohnehin nicht. Sie ließ sich in den beiden für die OMR geöffneten Hallen zeigen, was die Digitalbranche so zu bieten hat. Und das war eine Menge. In Halle A2 konnten kleinere Unternehmen zeigen, was sie drauf haben, in A3 buhlten die Großen der Szene um Aufmerksamkeit. Dazu stellte der Next Media Accelerator gleich 50 Medienstartups vor, liefen ständig spannende Vorträge und Diskussionen auf der Expo-Bühne und boten Masterclasses Gelegenheit, sich mit bestimmten Themen intensiver zu beschäftigen. Und das war praktisch nur das Vorprogramm zu dem eigentlichen Höhepunkt.
Der fand am Freitag in Halle A4 statt, die rund 5.500 Teilnehmern Platz bot. Sie waren gekommen, um sich bei der Konferenz ein Allstar-Aufgebot an Speakern anzuschauen. Den Auftakt machte Cheforganisator Philipp Westermeyer, der einen ersten Überblick über den Stand der Dinge im Onlinemarketing gab. Und damit kommen wir wieder zurück auf unser gewagtes Eingangsstatement, Stichwort „mächtigste Branche der Welt“. Die zumindest wertvollsten Unternehmen der Welt von heute sind Google beziehungsweise Alphabet, Facebook, Amazon, Apple und Microsoft. Davon sind mindestens die drei zuerst genannten absolute Marketingmaschinen. Vielleicht ist die These doch nicht so steil.
Wer sein eigenes Produkt nicht versteht, verliert
Deutsche Unternehmen können da in Bezug auf Größe nicht mithalten, nicht ansatzweise. Dafür gibt es hierzulande viele Weltmarktführer aus dem Mittelstand, die offensichtlich ihr Produkt verstanden haben. Eine Grundvoraussetzung, die im Internetzeitalter genauso gilt wie eh und je. Andrew „Boz“ Bosworth von Facebook erklärte das an einem historischen Beispiel. Natürliches Eis war früher eine begehrte Ware, die „Barons of the Ice Trade“ waren mächtige Männer. Bis zur Erfindung des Kühlschranks. Statt diese Innovation für ihr Geschäft zu nutzen, bekämpften die Eisbarone sie, weil sie eines nicht begriffen hatten: Nicht das Eis an sich war ihr Produkt, sondern Kühlung. Die lieferte der Kühlschrank wesentlich einfacher und zuverlässiger, also setzte er sich durch.
Die Themen Produkt und Marketing und dass ein gutes Produkt sowieso das beste Marketing sei, zogen sich als roter Faden durch die meisten Vorträge. Facebook und Instagram kamen als wichtige Werbekanäle immer wieder zur Sprache, aber auch Amazon. Das Webkaufhaus ist inzwischen mehr als nur ein Marktplatz; als Suchmaschine für Produkte hat es Google als wichtigste Quelle abgelöst. Wer also beispielsweise an einem neuen Smartphone interessiert ist, gibt den Suchbegriff nicht zwingend zuerst bei Google ein, sondern geht immer häufiger erst zu Amazon und dann dort auf die Suche. Das ist eine Entwicklung, die vielen Anbietern noch gar nicht genug bewusst ist.
Ohne Big Data kein Donald Trump?
Ebenfalls ein beliebtes Thema: Donald Trump. Der hierzulande doch ziemlich unbeliebte US-Präsident durfte immer mal wieder für den einen oder anderen Gag herhalten. Und stand im Mittelpunkt des Vortrags von Alexander Nix, CEO von Cambridge Analytica. Die britische Analysefirma war weltweit in die Schlagzeilen geraten, weil sie mit detaillierter Auswertung von Social Media-Daten der Trump-Kampagne auf die Sprünge geholfen hatte. Manche sagen sogar, ohne Cambridge Analytica hätte Trump nicht gewonnen. Ob er deswegen ein schlechtes Gewissen habe, wurde Nix gefragt. Er verneinte dieses und zeigte sich zufrieden mit seiner Arbeit, unabhängig von der politischen Beurteilung.
Wie ein Online Marketing Rockstar sah Nix nicht unbedingt aus, doch gab es die überhaupt auf der Konferenz? Das ursprünglich aus China stammende Startup musical.ly beschäftigt sich zwar mit Musik, spricht aber eher Teenies als Rocker an. Verena Papik, Marketingchefin der kürzlich eröffneten Europaniederlassung in Berlin, konnte dafür von über 200 Millionen Downloads der Playbackfilmchen-App berichten und die neue App live.ly für Livestreamings vorstellen.
Einfach machen mit Gary und Casey
Die werden die Künstler, die die Kaffeepause als Überraschungsgäste musikalisch aufmischten, sicherlich nicht zur Steigerung ihrer Bekanntheit brauchen. Schließlich sind Die Fantastischen Vier schon seit fast 28 Jahren dabei und verstehen es immer noch ihr Publikum mitzureißen. Genau wie später bei der Aftershowparty die Beginner und Chefboss und zwischendurch als Nachwuchs-Startupler Das Bo, der bei OMR schon zum Inventar gehört. Sie alle waren dann eher die Online Marketing RAPstars.
Wie Rockstars traten tatsächlich die drei Speaker auf, die die größte Aufmerksamkeit erzielten, erkennbar an den vielen Selfiewünschen und Nachfragen aus dem Publikum. Einer von ihnen war Gary Vaynerchuk, Unternehmer, Investor, Autor (Selbsteinschätzung: „I can’t write for shit“) und Provokateur. War das jetzt eine Motivationsrede oder eine Publikumsbeschimpfung, was er da ablieferte? Jedenfalls rief er seine Zuhörer dazu auf, nicht rumzujammern und endlich aktiv zu werden, schließlich sei dies die beste aller Zeiten für Gründerinnen und Gründer. Oder, um es in seinen Worten auszudrücken: „Less talking, more fucking doing!“
Ähnlich drauf war auch der YouTuber Casey Neistat, wenn in seiner Wortwahl etwas gemäßigter. Er erzählte, dass er seine Karriere kaum geplant und meistens einfach gemacht habe. So bei seinem Spot für die Sportartikelmarke Nike, deren Motto ja auch in diese Richtung geht. Für diesen Auftraggeber flog er zehn Tage lang um die Welt, bis das Geld alle war, und drehte, was ihm gerade vor die Kamera und in den Sinn kam. Ohne Konzept oder gar Drehbuch. Das Ergebnis hat inzwischen über 24 Millionen Views bei YouTube. Als Nächstes soll er, der noch nie eine Zeile gecodet hat,was Digitales für CNN aufbauen. Ohne echten Plan. Das kann nur gut werden.
Ein echter Online Marketing Rockstar: Bruce Dickinson
Und dann kam zum Schluss doch noch ein waschechter Rockstar auf die Bühne: Bruce Dickinson, Sänger von Iron Maiden. Wer jetzt allerdings einen dekorativ verlebten, leicht besoffenen, in Kutte und Lederhose gekleideten Langhaarträger erwartet hatte, wurde rundherum enttäuscht. Bruce erfüllte keines der gängigen Heavy Metal-Klischees und wirkte in grauem Anzug und hellem Hemd eher wie ein Gentleman, allerdings mit Biss. Kein Wunder, der Mann ist nicht nur Musiker, sondern auch Pilot, Manager einer Fluggesellschaft, Betreiber einer Flugzeugwerksatt und vor allen Verwalter der Marken Bruce Dickinson und Iron Maiden. Da gibt es eine Uhr, ein Videospiel und ein Bier und wer weiß, was bald noch alles, Hauptsache es passt zum Image. Rotwein können seinetwegen Motörhead machen.
Und das waren sie dann, die Online Marketing Rockstars 2017. Zu groß, zu voll, zu egal, sagen manche, für die mittlerweile auch schon früher alles besser war. Überwältigend, finden beispielsweise die Mitglieder des Chors „Die Hamburger Goldkelchen“, die alle erklärtermaßen nicht singen können und unter denen sich viele Vertreter der Starup-Szene finden. Sie waren quasi die Vorgruppe der Beginner. Klar, nicht alles hat geklappt (siehe „Cashless Payment“), und nicht alle Speaker konnten gleichermaßen begeistern. Geschenkt, ein Spektakel wie die Online Marketings Rockstars sucht nicht nur in Hamburg seinesgleichen und tut der doch manchmal etwas behäbigen Hansestadt auf jeden Fall gut. Wo das noch hinführen soll? Wir werden sehen, Philipp Westermeyer und sein Team fangen wahrscheinlich gerade schon wieder mit der Planung für 2018 an.
Beitragsfoto: Philipp Westermeyer küsst seinem Spezi Bo die Füße
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