Neumacher: Weltmarktführer, junge Wilde und gut gelaunte Löwen
Neumacher meets Weltmarktführer – das Motto des eintägigen Kongresses im Theater Kehrwieder in der Speicherstadt war vielleicht etwas holprig, die Veranstaltung selbst auf jeden Fall eine runde Sache. Prominente Speaker, Pitches, eine Preisverleihung und zwei bestens gelaunte Löwen – das Publikum bekam ein ebenso unterhaltsames wie informatives Programm geboten. Und mittendrin mal wieder Hamburg Startups.
Der viel beschworene digitale Wandel betrifft alle, natürlich auch altehrwürdige Unternehmen, selbst wenn sie in ihrer Branche Weltspitze sind. Das war eines der Hauptthemen der Konferenz Neumacher, zu der die Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ einmal mehr in das stimmungsvolle Theater Kehrwieder eingeladen hatte. Zu hören war von unterschiedlichen Methoden, mit diesem Wandel umzugehen. Der OTTO-Konzern, einst groß geworden durch den Katalogversand, macht inzwischen 90 % seines Umsatzes online und ist einer der Giganten des E-Commerce.
Die Ahrensburger Firma edding, bekannt für seine Textmarker, versucht sich derweil in Markendehnung. In Zeiten, in denen es immer mehr digitale Dokumente und immer weniger Papierausdrucke gibt, nimmt auch die Zahl der Markiergungsprozesse ab (wieder ein neues Wort gelernt). Also hat edding jetzt einen Nagellack auf den Markt gebracht und experimentiert mit funktionalen Tinten, die beispielsweise Stromleiten.
Corporates auf der Suche nach Startups
Beide Traditionsunternehmen suchen bei ihrer Neuausrichtung offensiv die Nähe von Startups, OTTO im großen Stil mit seiner Investmentfirma e.ventures. Aus 9.000 gesichteten Startups werden am Ende 20 bis 30 Beteiligungen pro Jahr. Und der Energiekonzern E.ON hat seinen :agile accelerator ins Leben gerufen, den im Jahr 40 Neugründungen durchlaufen.
Alles andere als traditionell verläuft die Karriere von Elvir Omerbegovic. Der ehemalige Basketballspieler hat mit Selfmade Records das wohl erfolgreichste deutsche Hip-Hop-Label gegründet und verkauft Alkopop-Eis mit dem subtilen Namen „Suck it“. Provokation gehört bei ihm also zum Geschäft. „Ist halt Hip-Hop“, erklärte er lapidar und sorgte noch für einige andere bemerkenswerte Einzeiler, etwa über die Musikbranche: „Die Branche interessiert mich gar nicht.“ Schön auch die Antwort auf die Frage, ob er jetzt häufiger bei Universal antanzen müsse, wo jetzt sein Label zum Konzern gehöre: „Ich muss gar nix.“ Das liest sich alles aggressiver, als es gesprochen wurde; auf der Bühne wirkte Elvir ziemlich entspannt.
Auf der selben Bühne konnten sich auch eine Reihe von Startups präsentieren. So bei der Paneldiskussion über Fintechs, vertreten durch: Wikifolio, einer Trading-Plattform, auf der Privatanleger zum Fondsmanagern werden. RatePAY, das Zahlungslösungen für den Onlinehandel anbietet, von der Bezahlung per Rechnung bis zum Ratenkauf. Und Kreditech aus Hamburg, mit Privatkrediten weltweit erfolgreich.
Ein Pitch, der mit Visitenkarten belohnt wird
Noch mehr Startups gab’s beim TECH SLAM. Spherie, die Drohne für 360°-Aufnahmen von SpiceVR, und die elektrischen Jetboards von Lampuga kennen viele unserer Leser vermutlich schon. In Hamburger noch weniger bekannt ist die Webdata Solutions GmbH aus Leipzig. Das Unternehmen besetzt mit Big Data eines der wichtigsten Trendthemen und durchforstet das Web nach Informationen, damit sich Webshops besser auf den Markt und ihre Mitbewerber einstellen können. Zu den Pitches gab es Fragen und konstruktive Kritik von einer Jury, bestehend aus Dr. Oliver Lücke, Technikvorstand der Jungheinrich AG, dem Google-Manager Christian Heise und Sina Gritzuhn, Mitgründerin von Hamburg Startups. Außerdem konnte das gut gemischte Publikum per abgegebener Visitenkarte abstimmen, mit welchem Startup es gerne Kontakt aufnehmen würde.
Die Taschen voller Visitenkarten hatte auch Carsten Maschmeyer. Seitdem er in der Erfolgsshow „Die Höhle der Löwen“ auftritt, hat der umstrittene Unternehmer deutlich an Popularität gewonnen. Mit seinem Auftritt bei Neumacher dürfte er noch ein paar Sympathiepunkte mehr eingesammelt haben. Er präsentierte sich nämlich in bester Laune, genau wie sein Löwen-Kollege Frank Thelen. Sie erzählten, wie es bei den Deals der Gründershow wirklich zugeht und kommentierten launig und pointiert die Startup-Welt.
Eine Auswahl der schönsten Löwen-Zitate bei Neumacher
Einige Kostproben von Casten Maschmeyer: „Der beste Fokus ist es, keinen Fokus zu haben.“ „Wir wollen soundsoviel Geld und soundsoviel von unserem Unternehmen behalten. Daraus ergeben sich dann solche Bewertungen.“ (Über die Gründer, die mit ihren Bewertungen deutlich über das Ziel hinausschießen). „Es gibt für mich kein too erarly oder too late, nur ein too bad.“ „Vielen Unicorns werden die Nasen schmelzen.“ (Über die Startup-Blase in den USA). „Europa hat die Digitalisierung verschlafen.“
Dazu noch ein paar O-Töne von Frank Thelen: „Gründen ist nicht witzig, gründen ist hart.“ „Entscheidend ist die Ethik. Ich kann mit jemanden zusammenarbeiten, der mir unsympathisch ist, aber nicht mit jemanden, der sich unkorrekt verhält.“ „Ich bin kein einfacher Typ.“ Ralf Dümmel macht brutal guten Vertrieb.“ „Airbnb ist eine echt blöde Idee.“ (So sein erster Eindruck, als Beispiel für eine Fehleinschätzung). Man hätte den beiden gerne noch länger zugehört, doch die nächsten Höhepunkte warteten schon.
Bereits zum zehnten Mal verlieh die Wirtschaftswoche in diesem Jahr ihren Gründerpreis. Grund genug für Chefredakteurin Miriam Meckel, zunächst mit drei früheren Preisträgern über ihren Erfahrungen und Entwicklungen nach der Ehrung zu sprechen (überwiegend positiv natürlich). Zeit für ein gemeinsames Selfie war auch noch (siehe Bild ganz oben links), dann ging es zur Preisverleihung. Ein Sonderpreis ging an Rimova. Das 118 Jahre alte Unternehmen ist wahrlich kein Startups mehr, seine neueste Erfindung dennoch eine echte Innovation: Ein Koffer, der sich per App am Flughafen selber eincheckt.
Das Siegerteam macht Stroh zu Geld
Beim Gründerpreis 2016 holte sich die App von Peat knapp den zweiten Platz. Peat erkennt anhand von Fotos Krankheiten von Pflanzen und leistet vor allem in der Landwirtschaft wertvolle Dienste. Übertroffen wurde das Startup nur noch von Landpack. Für die Idee, das wenig umweltfreundliche Styropor bei Verpackungen durch besonders verarbeitetes Stroh und Hanf zu ersetzen, gab es den Hauptpreis. Ein schönes Finale für eine gelungene Veranstaltung!
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