MLOVE – Liebesgrüße aus Heiligendamm
Es gibt Begriffe, die sollten nur sehr sparsam eingesetzt werden, weil sie schon beinahe bis zur Unkenntlichkeit abgenutzt sind. „Inspirierend“ gehört dazu. Das MLOVE Forum aber, das vergangene Woche in Heiligendamm stattgefunden hat, hat diese Bezeichnung definitiv verdient, und noch einiges mehr an Lob.
Im Seebad Heiligendamm ist die Vergangenheit noch nicht vorüber. An der Uferpromenade, zwischen einem Wäldchen und der Ostsee, reihen sich unbehauste Villen aus dem 19. Jahrhundert wie stumpfe Perlen aneinander und warten darauf, aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt zu werden. Im neuen Glanz dagegen erstrahlen seit 2003 die fünf restaurierten historischen Gebäude, die das Grand Hotel Heiligendamm bilden. Und hier hatte die Zukunft bereits begonnen, zumindest für die Zeit vom 7. bis 9. Juli 2016.
An diesen Tagen nämlich war das Luxushotel Schauplatz des MLOVE Forums (hier unser Vorbericht). Schon die ersten Vorträge mit ihren Ausflügen in modernste Technologie und Kunst bestätigten, dass MLOVE-Mastermind Harald Neidhardt und seinem Team wieder eine großartige Mischung an Themen und Teilnehmern gelungen war. Am Donnerstag stand allerdings noch eine ganz aktuelle Zukunftsfrage im Vordergrund: Wer folgt Portugal ins EM-Finale? Einige werden sich erinnern: Deutschland war es nicht.
Der Freitag war dann so vollgestopft mit Programm, dass es schon an Überforderung grenzte – und damit eine ziemlich akkurate Bestandsaufnahme der Gegenwart lieferte. So war beispielsweise von der „Cambrian Explosion of Change“ die Rede (Im kambrischen Zeitalter vor über 500 Millionen Jahren fand die größte evolutionäre Entwicklung der Erdgeschichte statt, die meisten Tierstämme tauchten hier erstmals auf).
MLOVE legt sich in die exponentielle Kurve
Immer wieder fiel der Begriff „exponentielles Wachstum“, vor allem in Bezug auf die Technologien, die heute schon unseren Alltag bestimmen und zukünftig noch mehr verändern werden, als den meisten Menschen bewusst ist. Alles ist in Bewegung, die Preise fallen, die Effizienz steigt, die Lebensdauer von Unternehmen sinkt, die Innovation von heute ist morgen schon hoffnungslos veraltet. Wer auf diese Beschleunigung nicht vorbereitet ist, fliegt schnell aus der Kurve.
Womit wir bei einem der Kernthemen, des MLOVE Forums wären, nämlich der Mobilität. Mit Johann Jungwirth (VW), Alexander Mankowsky (Daimler) und Dieter May (BMW) standen drei der wichtigsten Vordenker der deutschen Autobranche auf der Bühne und teilten ihre Visionen von einer sichereren und nachhaltigeren Verkehrswelt mit. Das selbstfahrende Auto ist da nur ein Aspekt. In ihren und weiteren Vorträgen ging es auch immer darum den „Corporate Virus“ zu bekämpfen, wie es an anderer Stelle hieß, die Trägheit, die sich in viele lange erfolgreiche Unternehmen eingeschlichen hat.
Hamburger Startups überzeugen in Heiligendamm
Träge sind Startups sicherlich nicht, erst recht nicht jene fünf, die sich im Programm des Forums dem Publikums vorstellen durften. nextMedia.Hamburg hatte sie nach Heiligendamm eingeladen, um die Hamburger Startup-Szene würdig zu vertreten. Das ist Mellow Boards mit einem elektrischen Skateboardantrieb gelungen, ebenso der Reiseplanungs-App Voya, der digitalen Krankenakte LifeTime von connected-health und den Webseitenbeschleunigern von Baqend.
Publikumsliebling und Pitchgewinner aber war einmal mehr SpiceVR. Kein Wunder, denn Mitgründer Nicolas Chibac ließ seine für 360°-Aufnahmen konstruierte Drohne Spherie durch den Ballsaal des Hotels fliegen und sorgte damit für einen besonders erfrischenden Moment. Wer darunter gestanden hat, weiß jetzt: Das Gerät macht ordentlich Wind.
Auch Kunst hat seinen Platz beim Forum
Ein wesentliches Element aller MLOVE-Veranstaltungen ist die Vielfalt der Teilnehmer. Deshalb kommen nicht zur Businesskoryphäen und Technikfreaks zu Wort, sondern auch Künstlerinnen und Künstler, wobei die Übergänge oft fließend sind. Beste Beispiele: Liat Segal mit ihrer Confession Machine, Anina Net mit High-Tech-Mode, Dave Mathews, der eine Boing 747 zu einem Prunkwagen für das Burning Man-Festival umbaut, und Naziha Mestaoui, die virtuelle Bäume auf den Eiffelturm projiziert hat.
Projektionen verschönerten am Abend auch die zum Hotel gehörende, schon am Tage eindrucksvolle Burg Hohenzollern. Die lieferte eine ideale Kulisse für ein Konzert des finnischen Elektroduos Phantom, welches dann doch noch draußen stattfinden konnte, nachdem zwischenzeitlich der im Sommer 2016 wohl unvermeidliche Regen Heiligendamm erreicht hatte. Dass die Zuschauer fast ausschließlich weiß gekleidet waren, ist natürlich kein Zufall, denn auf dem Programm stand ein „White Dinner“. Und anschließend eine Party mit reichlich Moscow Mule und…
Am nächsten Morgen zeigte sich die Ostsee von ihrer grauen und stürmischen Seite, die Segeltörns mit einer klassischen America’s Cup Yacht mussten daher aus Sicherheitsgründen leider ausfallen. Zum Glück gab es auch am Samstag noch einige Vorträge, so den von Martin Wezowski, Chefdesigner von SAP und Heavy Metal-Bassist, der für viele einer der Höhepunkte war. Er betonte noch einmal die Bedeutung von Design, das weit über die äußere Erscheinung hinausgeht.
Und dann war das MLOVE Forum zu Ende. Was bleibt? Eine Menge, selbst wenn es nicht auf alle Fragen, die die Vorträge aufwarfen, Antworten geben konnte, auch in den vertiefenden Workshops nicht. Das war auch gar nicht die Aufgabe der Veranstaltung, die schon viel erreicht hat, wenn sie Denkanstöße gegeben und neue Sichtweisen eröffnet hat. Das wichtigste aber waren und sind die Menschen, die an den drei Tagen zusammengekommen sind.
150 Teilnehmer aus Hamburg und aller Welt waren da, und diese überschaubare Zahl und die Abgeschiedenheit und Besonderheit des Ortes führten dazu, dass man mit vielen ins Gespräch kam, als würde man sich schon lange kennen. Gerade für an Mobilität Interessierte war Heiligendamm ein Paradies, so viel Kompetenz auf einem Fleck findet man selten. So können wir Harald Neidhardt zu seinem Herzensprojekt nur gratulieren und uns viele weitere Ausgaben wünschen.
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