MLOVE 2018: Zum Mond und darüber hinaus
„MxLOVE – The MLOVE Un-Conference“ lautete der Name einer ungewöhnlichen Veranstaltung, die Ende vergangener Woche in der windumtosten HafenCity stattfand. Ein Event wie eine Schachtel Pralinen – man durfte gespannt sein, was es da so alles gab. Wir haben mal nachgeschaut.
„What is Love?“ ist nicht nur der Titel eines Eurodance-Hits aus den 90ern, sondern eine Frage, auf die die Menschheit bisher keine endgültige Antwort gefunden hat. „What is MLOVE?“ ist keine so weltbewegende Frage, aber auch nicht leicht zu beantworten. „Pirelli-Kalender unter den Networking-Events“ hieß es in unserem Bericht über das MLOVE Forum 2017, aber zumindest die diesjährige Ausgabe hatte eher die Anmutung eines Klassentreffens.
Containerdorf statt Grand Hotel
Das hängt auch mit den jeweiligen Orten des Geschehens zusammen. War in den vergangenen zwei Jahren das luxuriöse Grand Hotel des weltentrückten Ostseebadeorts Heiligendamm der Schauplatz der Konferenz, fand sie 2018 auf dem MLOVE Future City Campus in der Hamburger HafenCity statt. Das ist so eine Art gallisches Dorf der Digitalwelt, gebaut aus Schiffscontainern. Eingeladen hatte MLOVE-Mastermind Harald Neidhardt viele gute Bekannte von früheren Veranstaltungen, was den Eindruck verstärkte, man sei unter Freunden. Andere feierten ihre Premiere bei diesem Format, Menschen aus Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft und NGOs, eine Mischung, die so kaum irgendwo sonst zu finden ist. Was alle eint: Sie wollen für eine bessere Zukunft sorgen.
Los ging es am frühen Donnerstagabend mit Cindy Chin, die in ihrer Rolle als NASA Datanaut über „Moonshots“ sprach, im buchstäblichen wie übertragenen Sinn. Der Begriff beschreibt zum einen Projekte, die so grandios wie größenwahnsinnig sind, zum anderen natürlich echte Reisen zum Mond. Der sei aber gar nicht mehr das Ziel, sondern nur Zwischenstation auf der Reise zum Mars oder den Monden des Jupiter. Promise Hub bleibt da lieber auf der Erde, doch die Pläne der Organisation sind nicht weniger ambitioniert. Madelynn Martiniere berichtete von der Aufgabe, weltweit 10 Millionen Menschen zu Digitalentrepreneuren auszubilden. In Nakivale, einer Flüchtlingssiedlung in Uganda, startet jetzt das erste Projekt.
Tag eins: 5 Keynotes, 5 Frauen
Weitere knackige Keynotes hielten Dijana Galijasevic vom Positive Business Lab, die sich als „heartist, not artist“ bezeichnete. Anna Rierola, die aus Nanopartikeln Kunstwerke schafft, die wie Aufnahmen einer außerirdischen Tiefsee wirken. Und Jessica de la Chesnais, die aus einem Schloss im Burgund eine Begegnungsstätte für Weltbürger vom Land und aus der Stadt gemacht hat. Fünf Beiträge, fünf Frauen, kein Mann – das gibt es gewiss nicht so oft. Bei MLOVE schon.
Noch abwechslungsreicher war das Programm am Freitag, wobei das Leitmotiv „Moonshots“ wieder im Mittelpunkt stand. Roxy Güllmeister vom weltbekannten Architekturbüro Foster + Partners erklärte, warum man dort Pläne für eine Siedlung auf dem Mars entwickeln würde. Vieles davon ließe sich sicherlich in absehbarer Zeit nicht verwirklichen, doch schon die Gedankenspiele würden zu besseren Lösungen für die Erde führen.
Moonshots und Workshops
Tatsächlich zum Mond, und zwar bald, wollen die PTScientists von Robert Böhme. Der CEO dieses privaten europäischen Raumfahrtunternehmens möchte Reisen ins All so normal und langweilig wie eine Fahrt mit dem Bus machen. Schon im nächsten Jahr, 50 Jahre nach Apollo 11 und Neil Armstrong, soll die Raumfähre Alina auf dem Mond landen und dort zwei von Audi mitentwickelte Mondfahrzeuge auf Erkundungstour schicken. Als weitere Unterstützer sind Vodaphone und Red Bull Media House an Bord. Der Chief Innovation Officer des zu dem Getränkekonzern gehördenden Medienunternehmens, Andi Gall, hatte auch seinen Auftritt, und zwar in Lederhosen. Er sprach unter anderem vom nächsten Paradigmenwechsel hin zum „Age of Fusion“, in dem alles miteinander vernetzt ist. Noch ein Tipp von ihm: Sagt nein zum Elevator Pitch, lasst euch Zeit!
Ein Merkmal einer Un-Conference ist, dass neben dem vorgeplanten Programm noch genügend Platz für spontane Vorträge, Diskussionen und Workshops bleibt. Dafür konnten bei MxLOVE diverse Räume in der verschachtelten Containerkonstruktion genutzt werden, oder auch ein offenes Zelt. So verging der Tag wie im Flug und fand seinen Höhepunkt im schon traditionellen White Dinner, dieses Mal mit Karaoke-Einlage, die wieder für Klassentreffen-Atmosphäre sorgte. Ganz in Weiß waren allerdings nicht alle Gäste gekommen. Dank des heftigen Windes wurde es nach Sonnenuntergang ganz schön frisch, da war eine wärmende Jacke unverzichtbar.
In ihrem Beitrag hatte Roxy Güllmeister auch vom „Sick Building Syndrom“ gesprochen. Demnach werden viele Menschen krank, weil sie zu viel Zeit in geschlossenen Räumen verbringen. Konsequenterweise fand am Samstag das Programm dann fast komplett unter freiem Himmel statt. Powerpoint-Präsentationen gab es dann natürlich auch nicht mehr. Stattdessen kurze Pitches von vier Startups und ausführliche Diskussionen über Themen wie Europa und Virtual Reality. Hier zeigte sich die eigentliche Stärke der Konferenz, die keine sein wollte.
MLOVE bringt Menschen ins Gespräch
MLOVE liefert keinen Frontalunterricht und schickt die Leute nicht mit fertigen Antworten nach Hause. Die Idee des Formats ist vielmehr, die unterschiedlichsten Menschen zusammenzubringen und sie miteinander reden zu lassen, um zahlreiche neue Eindrücke zu gewinnen. Viele der internationalen Teilnehmer bestätigten in ihren Schlussworten, das Erlebte erst einmal verarbeiten zu wollen und hofften, die Inspirationen in ihren Alltag einfließen lassen zu können. Auf die Frage, was MLOVE nun eigentlich ist, gibt es vielleicht immer noch keine eindeutige Antwort. Aber gelohnt hat es sich auf jeden Fall.