Mit Mom Hunting machen Mütter Karriere
Mutter sein und Karriere machen müssen nicht im Wiederspruch zueinander stehen, im Gegenteil. Leider ist nur viel zu wenigen Arbeitgebern bewusst, welches Potenzial in karrierebewussten Müttern steckt, gerade in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels. Mom Hunting, das siegreiche Startup bei unserem Gründerinnen-Wettbewerb STARTERiN Hamburg 2023 in der Kategorie Tech, will das ändern.
Virginia Thrun und Nadine Schneider kennen sich seit frühester Kindheit, denn schon ihre Mütter waren befreundet. Dementsprechend haben sie schon viel gemeinsam erlebt, auch beruflich. So haben beide in Führungspositionen bei Tchibo gearbeitet. Virginia war dort für internationale Strategien und den Bereich Reisen zuständig, Nadine für den Aufbau von Tchibo Energie. Außerdem hat sie für die Otto Group gearbeitet und zwei Berliner Startups. Diese Aufzählung der Karrierestationen der beiden Gründerinnen ist längst nicht vollständig, macht jedoch deutlich: In der Berufswelt kennen sie sich bestens aus.
2019 gründete Virginia New Work People, um ihr Wissen weiterzugeben und Unternehmen beim Einstieg in die neue Arbeitswelt und beim Aufbau von Teams zu helfen. Dabei wurde ihr erneut ein Missstand deutlich, mit dem sie sich seit ihrer zweiten Elternzeit beschäftigte. Damals nahm sie an einem Workshop teil, der die Vereinbarkeit von Familie und Karriere zum Thema hatte. Viele Frauen erleben durch die Mutterschaft einen Rückschlag in ihrer beruflichen Entwicklung, sie kommen in den Überlegungen von Unternehmen bei der Vergabe von Spitzenpositionen schlicht nicht mehr vor.
Mutterschaft wirkt wie eine Fortbildungsmaßnahme
Dabei wirkt Elternschaft beinahe wie ein Bootcamp, ist wie eine Fortbildungsmaßnahme in Sachen sozialer Kompetenz, Organisation und Koordination vielfältiger Aufgaben und einigem mehr. Das auch den Arbeitgebern zu verdeutlichen und ihnen das Potenzial von hochqualifizierten Müttern zu erkennen helfen, machte sie zu ihrer Mission. Den Namen Mom Hunting ließ sie sich schon vor einigen Jahren schützen, richtig konkret wurde die Idee dann Anfang 2022. Allein wollte Virginia allerdings Mom Hunting nicht aus der Taufe heben, also sprach sie Nadine darauf an.
Die ist zwar Nicht-Mutter aus Überzeugung, aber sie erkannte schnell, dass es bei Mom Hunting um die Stärkung von Frauen in der Arbeitswelt insgesamt geht und um mehr Sichtbarkeit für weibliche Vorbilder. Den Traum vom eigenen Unternehmen, verbunden mit der Möglichkeit völlig selbstständig zu agieren, konnte sie sich so auch noch verwirklichen. Und dann noch mit ihrer langjährigen Freundin – na klar war sie dabei! Im Juli 2022 ging es zum Notar und im November fiel der offizielle Startschuss.
Bei Mom Hunting müssen sich die Arbeitgeber qualifizieren
Allerdings finden erst seit April 2023 die ersten Anbahnungen zwischen Kandidatinnen und Unternehmen statt. Die lange Anlaufzeit liegt in der Natur des Geschäftsmodells von Mom Hunting, schließlich muss sowohl seitens der Karrieremütter als auch der Arbeitgeber eine genügend große Zahl für qualifizierte Vermittlungen vorhanden sein. Inzwischen haben sich über 1.000 Frauen registriert und um die 30 Unternehmen. Weitere befinden sich im Anmeldungsprozess, der mit einem Maturity Assessment beginnt, bei dem die Eignung eines Arbeitgebers ermittelt wird. Durchgefallen ist dabei noch keiner, die Qualifizierung dient eher dazu, Stärken und Schwächen zu identifizieren.
Im nächsten Schritt pflegen die Unternehmen dann ihre Vakanzen ein. Die Jobbeschreibungen enthalten natürlich die üblichen Informationen zu Aufgaben und Anforderungen, aber auch zu den Arbeitsbedingungen, die speziell auf die Bedürfnisse von Müttern zugeschnitten sein sollten. Da geht es dann beispielsweise um feste und flexible Arbeitszeiten oder den Arbeitsort – zu Hause, im Büro oder eine Mischung aus beidem. Entsprechende Angaben haben auch die Jobkandidatinnen gemacht. Mom Hunting durchsucht anhand aller Kriterien den Talentpool, trifft eine Vorauswahl und stellt dann die Verbindung her.
Der Zeitgeist ist auf der Seite von Mom Hunting
Im Idealfall kommt es dann zur Jobvermittlung, erst dann verdient Mom Hunting an seiner Dienstleistung. Weitere Einnahmequellen sind die Maturity Assessments und die Unterstützung bei Social-Media-Kampagnen. Da das eigentliche Geschäft erst vor wenigen Monaten angelaufen ist, sind die Umsätze bisher noch sehr überschaubar. Die Förderung durch das InnoFounder-Programm hat da sehr geholfen. Mom Hunting kann zudem optimistisch in die Zukunft blicken, denn das Thema ist aus vielerlei Gründen brandaktuell.
Der Fachkräftemangel bringt immer mehr Unternehmen zum Umdenken, das Potenzial von Karrieremüttern zu vernachlässigen wäre da geradezu fahrlässig. Zumal Mom Hunting hochqualifizierte Bewerberinnen zu bieten hat, deren Vollzeitgehalt im Durchschnitt bei 90.000 Euro liegen würde. Die gewünschte durchschnittliche Arbeitszeit beträgt übrigens knapp über 30 Stunden. Weitere Trends, die Mom Hunting in die Karten spielen, lassen sich mit den Schlagworten „New Work“ und „Diversität“ zusammenfassen. Unternehmen werden zunehmend zu ESG-Reportings verpflichtet, in denen sie auch ihr Engagement bezüglich sozialer Fragen wie der Förderung von Frauen darlegen müssen. (ESG steht für Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).
Das Mom Hunting einen Nerv getroffen hat, zeigt auch das große Medieninteresse. Erst kürzlich liefen Beiträge über das Startup auf diversen Sendern der RTL-Gruppe rauf und runter. Das hat die Nachfrage noch einmal erheblich gesteigert. Gute Nachrichten für alle Mütter, die beruflich noch einmal so richtig durchstarten wollen.