Mit jumiwi gemeinsam gegen Einsamkeit
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter psychischen Erkrankungen, sind hochsensibel oder fühlen sich überlastet. Oft führt das zur Vereinsamung und dadurch zur Verstärkung der Probleme. Mit ihrer App jumiwi und über eine Community möchte die Gründerin Chris Gust diese Menschen aus ihrem Teufelskreis herausholen.
Hochsensibilität – was ist das eigentlich? Die eine, alles einschließende Definition gibt es nicht, und der Übergang zwischen „normal“ und „hochsensibel“ ist fließend. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass hochsensible Menschen äußere Reize besonders intensiv und detailliert wahrnehmen und nur sehr schwer in der Lage sind, bestimmte Sinneseindrücke zu filtern und auszublenden. Jedes Geräusch, jede Kleinigkeit wird gleichermaßen aufgenommen. Chris Gust vergleicht das mit dem Surfen im Internet, wenn zu viele Seiten gleichzeitig geöffnet sind und man den Überblick verliert. Eine andere Form von Hochsensibilität kann ein Übermaß an Empathie sein, die etwa das Ansehen von Nachrichtensendungen kaum erträglich werden lässt.
Auf jeden Fall kann sich diese Eigenschaft negativ auf das Sozialverhalten auswirken. Smalltalk wird schnell als zu oberflächlich empfunden, gleichzeitig ist das Bedürfnis nach Kontakten und Interaktion mit Gleichgesinnten groß. Chris Gust weiß das aus eigener Erfahrung: „Das ist meine Motivation für die Gründung von jumiwi. Ich habe Jahre gebraucht, um zu verstehen, warum ich mich aufgrund meiner Hochsensibilität Zeit meines Lebens nicht zugehörig fühlte, und musste mich zusätzlich aus meiner Angsterkrankung herausarbeiten. Es brauchte viel Energie, um den Menschen in meinem Umfeld nahezubringen, was mit mir los ist. In diesem Prozess habe ich mich nach Austausch mit Gleichgesinnten gesehnt und ihn mir mühsam aufgebaut. Diesen schweren Weg möchte ich möglichst vielen anderen ersparen.“
Zuerst Mutruf, dann jumiwi
Chris war schon immer ein kreativer Geist auf der Sinnsuche. Sie hat als freie Autorin und Künstlerin gearbeitet und Anfang 2019 den Mutruf initiiert. Dort können Menschen, die unter einer Panikattacke leiden, telefonischen Beistand erhalten von Personen, die mit einer solchen Situation vertraut sind. Es handelt sich um ein auf den Moment ausgerichtetes Hilfsangebot, das eine längerfristige psychologische Betreuung und Therapie nicht ersetzen kann und will. In gewisser Weise ist jumiwi eine Weiterentwicklung von Mutruf. Vor gut eineinhalb Jahren begann Chris mit der Konkretisierung ihrer Idee, einen sicheren digitalen Ort zu schaffen für alle, die aufgrund ihrer besonderen psychischen Disposition im Alltag oft Ausgrenzung und Ablehnung erfahren.
Das betrifft nicht nur Hochsensibilität, sondern auch Themen wie Mental Health, Mental Load, Depressionen, Angststörungen, Burnout, ADHS, Endometriose, Lipödem und vieles mehr. Die Zahl der Betroffenen ist riesig, fast jeder dritte Mensch leidet im Laufe seines Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung, heißt es auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit. Demnach gehen rund zehn Prozent der Fehltage bei den Berufstätigen auf Erkrankungen der Psyche zurück. Der Bedarf für jumiwi sollte also definitiv vorhanden sein. Die auf einer App basierenden Community bietet ihren Mitgliedern die Möglichkeit, mit Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen in Kontakt zu kommen und gemeinsam neue Wege zu gehen. In einem sicheren Netzwerk finden sie verständnisvolle Gleichgesinnte, mit denen sie sich austauschen und neue Freundschaften knüpfen können. Im Austausch miteinander bekommen sie wertvolle Tipps, Informationen und Rückhalt.
Sorgfalt bei der Unternehmensgründung
Beim Aufbau ihres Unternehmens hat Chris ihre Hochsensibilität durchaus genützt, ist sie es doch gewohnt, auf jedes Detail zu achten. Also hat sie sich ausführlich über die Modalitäten einer Gründung informiert und dabei festgestellt, dass sie die Kosten unterschätzt hatte. Bei der Investorensuche wurde sie im Freundes- und Familienkreis fündig. Bei der Erstellung des Businessplans erhielt sie Hilfe von ihrem Mann Jörg, der auch als Mitgründer genannt wird.
Für die Entwicklung der App engagierte Chris eine Firma aus Kiel. Auf zwei Dinge legte sie besonderen Wert: zum auf einen eine einfache Handhabung. Die Anwendungsmöglichkeiten sind übersichtlich, die interaktive Kommunikation steht im Mittelpunkt. Zum anderen, soviel Sicherheit wie möglich zu gewährleisten. Nutzerinnen und Nutzer kreieren einen Avatar, ganz bewusst wird auf Bilder verzichtet, um eine Vorverurteilung aufgrund von Äußerlichkeiten zu vermeiden. Um der Gefahr des Missbrauchs der Community durch Fake-Profile zu begenen, bietet jumiwi keine Kostenlos-Abos, es sind aber vergünstigte Konditionen für Menschen in schwierigen Lebenslagen geplant. Auch lassen sich geschlossene Gruppen, etwa speziell für Frauen, einrichten.
Sein ein paar Wochen ist jumivi jetzt verfügbar und versucht Reichweite vor allem über soziale Medien zu erzielen. Als Schirmherrin konnte Chris die Krankenschwester und Bestsellerautorin Franziska Böhler gewinnen, die auf Instagram fast 250.000 Follower erreicht. Wenn die Community wie erhofft wächst, sind in Zukunft auch Live-Treffen denkbar, die jeweils auf die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen abgestimmt werden. Denn wenn auch die Kommunikation über eine App Trost spenden und ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen kann: Nichts geht über den persönlichen Kontakt von Mensch zu Mensch.
Bilder: jumiwi