Metronus geht mit VR in die Reha
Dass Virtual Reality (VR) viel mehr ist als nur Spielerei, hat sich längst herumgesprochen. Einer der wichtigsten Einsatzbereiche ist die Medizin. Das Hamburger Startup Metronus will VR nutzen, um professionelle orthopädische Reha-Maßnahmen jedermann zugänglich zu machen. Wie das funktioniert, erklären wir in diesem Beitrag.
Während seines Medizinstudiums ist Taher Pham viel in der Welt herumgekommen und hat die Gesundheitssysteme in Ländern wie China, Iran, Vietnam und der Schweiz kennengelernt. So unterschiedlich diese auch sind, eines haben alle gemeinsam: die Herausforderung, mit den vorhandenen Ressourcen die bestmögliche Behandlung zu ermöglichen. Seinen Beitrag wollte Taher zunächst im UKE leisten, doch nach einem halben Jahr wurde ihm klar, dass eine klassische Ausbildung zum Assistenzarzt nicht die beste Lösung für ihn war.
Interesse für Sport und Virtual Reality führte zur Idee
Schon während seiner Zeit an der Uni hatte er zwei Projekte geleitet: zum einen die „Studicouch“, die ein Studium generale anbot, und zum anderen einen Gesundheitscheck für Obdachlose. Kreativ sein (er ist auch Hobbymaler) und Unternehmer, diese Kombination reizte Taher. Seine erste Idee war es, ein Geschäftsmodell rund um sein Wissen über Akupunktur aufzubauen. Zudem hatte er sich schon länger für Virtual Reality interessiert, ohne genaue Kenntnisse dieser Technologie zu haben.
Im vietnamesischen Teil seiner Familie – der gebürtige Hamburger hat Wurzeln im Iran und in Vietnam – ist allerdings so gut wie jeder Informatiker, auch der Vater. Allzuweit weg ist dieses Thema für Taher also nicht. Zudem interessiert er sich für Sport und Sportmedizin und hat bei einem Symposium PD Dr. Götz Welsch, den Mannschaftsarzt des HSV, kennengelernt, der ihn seither unterstützt. All das zusammen hätte schon genügt, um Taher auf die Idee zu Metronus zu bringen, doch den entscheidenden Anstoß gab, wie bei so vielen Gründerinnen und Gründern, ein persönliches Erlebnis.
Den entscheidenden Anstoß gab ein Kreuzbandriss
Beim Triathlontraining war ihm das Kreuzband gerissen, was umfangreiche Rehabilitationsmaßnahmen zur Folge hatte. Die Krankenkasse zahlte allerdings nur einen Bruchteil der eigentlich benötigten Therapie. Nach fünf Wochen war Schluss, obwohl eine Reha zur vollständigen Wiederherstellung im Durchschnitt 7,3 Monate dauert. Das ideale Training erfolgt in einem medizinisch sicheren Rahmen. Der behandelnde Arzt kontrolliert die Belastungen, Sport- und Physiotherapeuten kümmern sich um die Umsetzung der Übungen. Bei einer Behandlung, wie sie Fußballprofis bekommen, greifen viele Module ineinander. Das ist natürlich teuer, zu teuer für „normale“ Patienten.
Wie also ein Reha-Programm auf HSV-Niveau für alle möglich machen? Die Antwort liegt in der virtuellen Realität. Durch die Visualisierung von Bewegungsabläufen, gepaart mit spielerischen Elementen, der sogenannten Gamification, lässt sich eine Menge erreichen. Ein virtueller Trainer führt durch das Programm, der Patient kann in dem Reha-Spiel die Identität eines Superhelden oder Leistungssportlers übernehmen und sich so nebenbei noch einen kleinen Traum erfüllen.
Die wichtigsten Komponenten beim Training sind Kraft, Ausdauer und Koordination. Als Hilfsmittel aus der analogen Welt können Matten, Flexisticks, Bänder oder Balance Boards zum Einsatz kommen. In der Virtual Reality geht es beispielsweise darum, durch Körperbewegungen einen Ball auf Kurs zu halten und bestimmte Ziele zu treffen. Auch kann man seinem Avatar dabei zusehen, wie er die Kniebeugen macht, die man selber durchführt. In der Testphase sind der Schauplatz dieser Reha-Maßnahmen Kliniken, die mit dem nötigen VR-Equipment ausgestattet sind. Die Übungen können Patienten dann selbstständig durchführen.
Schlagkräftiges Team aufgebaut
Einen ziemlichen Dämpfer bekam Metronus, als vor gut zwei Monaten der ursprüngliche Mitgründer ausstieg. Zum Glück fand Taher schnell Ersatz, mit der Unterstützung der Meetup-Reihe 12min.me und der Hamburger Digitalagentur Absolute Software, die zudem Arbeitsplatz und zwei Entwickler zur Verfügung stellt. Die neuen Co-Founder sind Markus Käding, zuständig für das operative Geschäft und Marketing, und Max Braun, der als technischer Leiter unter anderem das Gamedesign und das 3D-Modelling besorgt.
So aufgestellt, kann Metronus jetzt die nächsten Schritte machen. Die Bewilligung eines EXIST-Gründerstipendium ist höchstwahrscheinlich nur noch Formsache. Bereits im Januar gab es eine erste Prototypenförderung in Höhe von 40.000 Euro. Mit Prof. Dr. Frank Steinicke von der Uni Hamburg, Prof. Dr.-Ing. Boris Tolg von der HAW Hamburg und Oliver Rößling, COO/CSO bei Absolute Software, sitzen ausgewiesene Experten im Beirat. Außerdem profitiert das Startup seit gut zwei Monaten vom Netzwerk und Know-how des Health Innovation Ports von Philips.
Metronus ist bereit für den Praxistest
Ein Prototyp des Reha-Programms von Metronus ist inzwischen fertig, bis Ende des Jahres soll in fünf Kliniken getestet werden. Eine damit verbundene Studie soll ermitteln, wie der Trainingsplan und die Gamification in der Praxis funktionieren. Die dabei entstehenden Daten ermöglichen dann hoffentlich eine Fortschrittsanalyse und irgendwann eine Prognose, wie viel Trainingszeit noch erforderlich sein wird. Das wäre dann ein weltweit bisher einmaliger Service. Der ist noch Zukunftsmusik, genau wie eine Reha-App für das Smartphone, die mit Elementen der Augmented Reality arbeiten könnte. Aber schon heute lässt sich vorhersagen: Wenn alles klappt, hat Metronus eine äußerst gesunde Entwicklung vor sich.