LignoPure gewinnt Plastikersatz aus Stroh
Alle suchen nach Ersatzprodukten für Plastik, eine Ausgründung der TU Hamburg hat eine mögliche Alternative gefunden. Aus Pflanzenresten extrahiert LignoPure den Rohstoff Lignin und hat dafür ein neues Verfahren entwickelt, das besonders gesundheitsfreundlich ist. Wie es dazu kam und wofür Lignin alles verwendet werden kann, erfahrt ihr in diesem Bericht!
Lignine sind Biopolymere, die zu den Grundbestandteilen vieler Pflanzen gehören. Sie bewirken die Verholzung von Zellen und sorgen beispielsweise für die Stabilität von Bäumen. Auch Stroh enthält Lignin, außerdem Hemicellulose und Cellulose. Während letztgenannter Stoff eine wichtige Rolle bei der Papierherstellung spielt, führt Lignin eher ein Schattendasein, meistens wird es zur Energiegewinnung verbrannt. Das liegt in erster Linie am bisher üblichen Extrahierungsverfahren, bei dem unter anderem Säuren zum Einsatz kommen. Das Endprodukt ist daher bis zu einem gewissen Grad toxisch.
An der TU Hamburg entwickelt
Wienke Reynolds und Joana Gil haben Verfahrenstechnik an der TU Hamburg studiert und beschäftigen sich seit 2015 auch mit Ligninen. Sie haben ein Verfahren entwickelt, das ein für Gesundheit und Umwelt völlig unbedenkliches Endprodukt ermöglicht. Ausgangsmaterial sind Stroh-Pellets. Die wesentlichen weiteren Zutaten sind CO₂, Wasser und Enzyme, der Prozess findet unter besonders hohem Druck und bei hohen Temperaturen statt. Das Endprodukt, zunächst eine Flüssigkeit, aus der sich dann ein bräunliches Pulver gewinnen lässt, hat das Zeug dazu, in vielen Bereichen Plastik zu ersetzen. Plastik ist nämlich auch ein Polymer, allerdings eines, dass die Umwelt stark belastet, während Lignin problemlos biologisch abbaubar ist.
Joana und Wienke sind da also an einem brandaktuellen Thema dran. Ein vor etwas über einem Jahr publizierter Artikel über die Verwendung von Lignin in Dämmstoffen sorgte für erste größere Aufmerksamkeit. Das Uni-Projekt entwickelte sich immer mehr zu einem Unternehmen, das inzwischen den Namen LignoPure trägt. Inzwischen hat das Startup auch zwei weitere Mitglieder: Daniela Arango bringt wirtschaftliches Know-how aus ihrem Business Administration-Studium mit, Stefan Boersing gehört schon länger zum Forschungsteam und ist spezialisiert auf Bio-Verfahrenstechnik.
Das neue Verfahren eröffnet viele Verwendungsmöglichkeiten
Dass ein Startup wie LignoPure gerade an der TU Hamburg seinen Ursprung hat, ist kein Zufall. In Harburg steht die größte an einer Hochschule beheimatete Anlage zur Fraktionierung von Pflanzenresten in Europa. 40 Kilo Lignin entstehen hier pro Monat nach dem zweifach patentierten Verfahren von LignoPure. Das ist natürlich noch keine Menge, die für die industrielle Nutzung ausreicht, was das eigentliche Ziel ist. Dafür bieten sich zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten an, die weit über die schon erwähnten Dämmstoffe hinausgehen. Dabei wird Lignin übrigens jeweils nicht pur verwendet, sondern in Kombination mit anderen umweltfreundlichen Komponenten.
Ein großes Einsatzgebiet könnte die Kosmetik- und Körperpflegebranche sein. In vielen Produkten ist Mikroplastik enthalten, etwa in Duschgel, Peelings und sogar in Zahnpasta. Aus gesundheitlichen Gründen verbot sich bisher die Verwendung von Lignin, doch dank des giftfreien Verfahrens von LignoPure kann es jetzt zur Plastikalternative werden. Ebenfalls innovativ ist die Verarbeitung des Stoffes bei der Herstellung von Tabletten; Lignin kann auch Fette absorbieren und vom Körper problemlos verarbeitet werden. Außerdem läuft mit Tesa bereits eine Kooperation in Sachen Klebestreifen und über den 3D-Drucker lassen sich allerlei Objekte auf Ligninbasis kreieren. Je nach Verwendungszweck variiert beim Ligninpulver die Partikelgröße im Mikrometerbereich. Was da noch alles möglich ist, ist ein Schwerpunkt der weiteren Forschung.
LignoPure hat das Finale beim Future Hamburg Award erreicht
In den letzten Monaten hat LingoPure schon einige Erfolge feiern können. Im November 2018 gehörte das Startup zu den Gewinnern beim Science4Life Venture Cup, im Januar 2019 war es unter den Top 3 beim Gunnar-Uldall-Wirtschaftspreis und für ein Förderprogramm der Universität von Delft in den Niederlanden ist es auch angenommen worden. Der jüngste Coup ist die Finalteilnahme am Future Hamburg Award. Von 113 internationalen Bewerbern hat es LingoPure unter die besten zehn geschafft. Ob es zu den drei Siegerteams gehört, wird im Rahmen des OMR Festivals am 8. Mai verkündet. So oder so, die Zukunft gehört LignoPure auf jeden Fall!