LEX AI verschafft Transparenz bei neuen Rechtsakten
Täglich werden neue Gesetze, Verordnungen und Richtlinien verabschiedet – viele vergleichen die Welt der Juristerei mit einem Dschungel. Sich dort zurechtzufinden stellt eine echte Herausforderung dar. Das Hamburger Startup LEX AI verspricht, für mehr Übersichtlichkeit zu sorgen, und lässt eine künstliche Intelligenz Zusammenfassungen erstellen.
Die EU kennt mehrere Kategorien von Rechtsakten: Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen. Einige haben Gesetzescharakter, viele nicht. Außerdem wird noch zwischen Basis- und Änderungsrechtsakten unterschieden. Am Ende des Jahres kommt da auf jeden Fall eine Menge zusammen. 2022 waren es genau 2.388 Rechtsakte, also im Durchschnitt 6,5 pro Tag. Und die EU ist bekanntlich nicht die einzige Instanz, die fleißig Texte zu juristischen Belangen veröffentlicht.
Zeit ist Geld in der Welt des Rechts
Niemand kann das alles lesen und vieles ist auch für Menschen, die beruflich mit Rechtsfragen zu tun haben, vor vornherein uninteressant. Trotzdem beschäftigen sich Rechtsexpertinnen und -experten pro Woche durchschnittlich etwa zehn Stunden damit, sich zumindest auf den neuesten Stand zu bringen und die für sie relevanten Texte zu lesen. Dadurch entstehen pro Person und Jahr mehr als 80.000 Euro Opportunitätskosten, rechnet das Startup LEX AI auf seiner Webseite vor. Die Stundensätze von Anwältinnen und Anwälten liegen bekanntlich in der Regel im dreistelligen Bereich.
Die Gründer von LEX AI, Dr. Susann Funke und Maik Neubauer, sind mit der Materie bestens vertraut, beide haben Rechtswissenschaften studiert. Beide arbeiten seit gut 15 Jahrenin internationalen Beratungsmaandaten zusammen und entwickelten Ende 2020 die Idee zu ihrem Startup. Das offizielle Gründungsdatum fällt in den Mai 2021. Die Geschäftsidee besteht darin, Regulierungen und Gesetze transparent darzustellen, zu strukturieren und zusammenzufassen. Das geschieht in zwei Schritten: Ein Newsfeed informiert quasi in Echtzeit, wenn neue Gesetze erlassen, Verordnungen verabschiedet oder relevante Informationen dazu veröffentlicht wurden, und gibt einen ersten Eindruck, worum es eigentlich geht. Der Newsfeed der aktuellen Version ist gerade gestartet und mit seiner Fokussierung auf den rechtlichen Bereich in dieser Form einzigartig.
LEX AI komprimiert Gesetze von hunderten auf vier Seiten
Für alle, die sich schnell in ein rechtliches Thema einarbeiten müssen, gibt es Zusammenfassungen. Diese bringen die wesentlichen Inhalte auf dem Punkt, in einer auch für juristische Laien verständlichen Sprache. Zudem weisen die Zusammenfassungen auf Zusammenhänge mit anderen Gesetzestexten hin und bieten eine Einordnung in einen größeren internationalen oder nationalen rechtlichen Kontext. Ein bisschen kann man sich das vorstellen wie bei Netflix, wo bei Serien immer eine Übersicht über alle Folgen zu finden ist. Selbstverständlich gibt es auch eine Verlinkung zum jeweiligen Originaldokument.
Welche Einsparung das bringt, rechnet LEX AI an einem prominenten Beispiel vor. Der EU Cybersecurity Act ist sicherlich für viele Unternehmen und Insitutionen relevant. Er umfasst circa 55 Seiten. Das Startup komprimiert den Inhalt auf drei bis vier Seiten, auch bei anderen Regularien und folgt dabei immer einen vergleichbaren Format. Diese Zusammenfassungen werden durch eine künstliche Intelligenz (KI) vorbereitet und im Rahmen einer Qualitätskontrolle durch juristisch geschulte Fachkräfte finalisiert. Das KI-Modell wurde speziell für diesen Zweck trainiert und ermöglicht ein Höchstmaß an Geschwindigkeit bei der Aufarbeitung von neuen Regularien.
LEX AI verspricht durch seine Plattform einen Effizienzgewinn von 75 %. im Bereich des rechtlichen Research- und Wissensmanagements Es würden statt zehn also nur noch zweieinhalb Stunden pro Woche genügen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Profitieren könnten davon mehr als 18 Millionen Fachleute in Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen von Unternehmen. Folgt man den von dem Startup angeführten Zahlen, ergibt sich daraus eine Verringerung der Opportunitätskosten von über 1 Milliarde Euro allein in der Europäischen Union. Wenn sich dieses Einsparpotenzial herumspricht, ist bei LEX AI mit einem ansehnlichen Geschäftserfolg zu rechnen.
Dank IFB-Förderung auf Wachstumskurs
Davon geht offensichtlich auch die IFB Innovationsstarter GmbH aus, die das Startup gleich mit zwei Programmen gefördert hat: erst InnRampUp, dann InnoFinTech. Das hat Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel gerade dazu animiert, LEX AI einen Besuch abzustatten. Neben der IFB haben auch zwei Business Angel investiert. Aktuell befindet sich das Unternehmen in einer Seedrunde, die weitere technische Innovationen und eine schnelle internationale Expansion gewährleisten soll.
Wachstum steht also auf der Agenda. Inhaltlich ist das sowieso kein Problem, dafür sorgen schon EU sowie die nationalen Gesetzgeber. Auch aus den USA und Kanada kamen bereits erste Interessenbekindungen. Zudem soll das bisher als App auf Mobiltelefone zugeschnittene Angebot auch desktopfähig gestaltet werden. Und als dritte Komponente neben den News und den Zusammenfassungen ist der Aufbau einer Community für Rechtsexpertinnen und -experten vorgesehen. Dort können sich dann die Mitglieder über ihre Erfahrungen mit bestimmten Gesetzen und Regularien austauschen und sich Tipps geben, die auch die schlaueste KI nicht drauf hat. Jedenfalls noch nicht.
Fotos: LEX AI