Josea gegen den Black Friday
Morgen ist wieder Black Friday, der Tag der großen Schnäppchenjagd vor allem im Internet. Viele freuen sich auf das aus den USA stammende Shoppingspektakel, doch Jocelyn Kotulla, Gründerin des Sportswear-Labels Josea, und ihr Team sind da komplett anderer Meinung. Ihr Startup setzt auf Nachhaltigkeit und Werteorientierung statt auf übermäßigen Konsum.
Jocelyn Kotulla hat Mode- und Textilmanagement studiert und ist eine leidenschaftliche Kitesurferin. Diese Kombination führte fast zwangsläufig zur Gründung ihres Startups Josea. Wie so oft war der entscheidende Auslöser eine persönliche negative Erfahrung. Beim Kitesurfen ist sie ständig in Bewegung. Herkömmliche Bikinis spielen da nicht so richtig mit, die Oberteile sitzen schlecht und verrutschen bei den unpassendsten Gelegenheiten. Bei Sport-BHs passiert das zwar nicht, aber die sind dann eher praktisch als schön.
Also machte sich Jocelyn daran, zusammen mit einer Dozentin aus ihrer Studienzeit Surfwear zu entwickeln, die ihren Vorstellungen entspricht. Zunächst nur für den Eigenbedarf, doch die begeisterten Reaktionen aus ihrem Freundeskreis motivierten sie dazu, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Seit April 2016 gibt es nun offiziell die Marke Josea.
Bei Josea ist alles made in Hamburg
Die unterscheidet sich in vielen Punkten von den allermeisten Mitbewerbern. Zunächst sitzen die Badeanzüge „affengeil“, wie es Jocelyn im Interview mit uns überschwänglich formuliert. Das liegt auch daran, dass die Kundinnen bei der Konzipierung der Kollektion ein gewichtiges Wörtchen mitreden können. Das Feedback von Surferinnen aus aller Welt fließt da ein. Noch ungewöhnlicher ist der Produktionsablauf, denn hier passiert alles in Hamburg.
Das fängt beim Design an und endet mit der Herstellung der Stücke. Alles ist Handarbeit made in Hamburg. Gefertigt wird zudem nur nach Bestellung, nicht auf Vorrat. Daher gibt es keine unverkaufte Ware und somit auch keinen vermeidbaren Müll. Noch mehr Nachhaltigkeit garantiert das verwendete Material. Zum Einsatz kommen wiederverwertbare Abfälle, meist recycelte Fischernetze. Klingt etwas seltsam, fühlt sich aber gut an.
Mit diesem Konzept hat sich Josea schnell einen guten Ruf in der Szene erworben. Früh kam daher der Zeitpunkt, an dem Jocelyn nicht mehr so viel möglich selber machen konnte, sondern sich auf die Suche nach gutem Personal machen musste, eine typische Herausforderung für alle erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmer. Typisch speziell für Josea war dagegen das Problem, das diesen rekordverdächtig heißen Sommer auftrat. Zeitweise kam das Startup wegen der stark gestiegenen Bestellungen mit der Produktion kaum nach, die Lieferzeiten verlängerten sich spürbar.
Auch bei einem Mode-Startup steht Digitalisierung auf der Tagesordnung
Auch deshalb steht die Digitalisierung der Arbeitsabläufe auf dem Plan für die kommenden zwölf Monate ganz oben. Dadurch sollen mehr Freiräume geschaffen werden für die Kreativität der Mitarbeiterinnen. Zurzeit besteht das Team aus acht Frauen. Vier kümmern sich um die Fertigung der Ware, die anderen um die geschäftlichen Belange. Zu ihnen gehört natürlich auch Jocelyn, während das Schneidern nicht zu ihren ganz großen Stärken zählt. Gemeinsam wollen sie gesund und nachhaltig wachsen, noch mehr Menschen überall auf der Welt erreichen und ein Beispiel für starke Frauen liefern.
Diese Ziele stehen aus der Sicht von Josea der Idee des Black Friday diametral entgegen. „Wer braucht den ganzen Scheiß?“, fragt Jocelyn provokativ, entsprechend deftig fällt auch das Hashtag zur Kampagne des Startups aus: #FuckBlackFriday. Sie hat jahrelang in der Modebranche gearbeitet und weiß daher, das Salesaktionen nicht aus Liebe zum Kunden stattfinden, sondern üblicherweise, weil Lager geräumt werden müssen und die Ware sonst auf dem Müll landen würde. Josea hat zum Black Friday ein Statement abgegeben, das aus fünf Kernaussagen besteht, die wir hier verkürzt wiedergeben:
- Konsum macht nicht glücklich.
- Fast Fashion ist keine Option für uns.
- Es gibt keinen Planet B. Jeder Aspekt der Fast Fashion Industrie ist umweltschädlich und ethisch bedenklich.
- Rabatte setzen falsche Signale.
- Wir wenden uns gegen menschenverachtende Konditionen in der Modeindustrie.
Das sind so oder so ähnlich Punkte, die im Wertesystem vieler Startups Platz haben könnten. Ob man deshalb gleich ganz auf den Black Friday und die damit verbundene Hoffnung auf echte Schnäppchen verzichten sollte, entscheidet am Ende selbstverständlich jeder für sich selbst.
Alle Fotos: Josea