JobMatchMe bringt LKW-Fahrer in Fahrt
Jobbörsen gibt es viele im Internet. JobMatchMe will mehr sein und ganz persönlich auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmern und -gebern eingehen. Als erstes hat sich das Startup um eine Zielgruppe gekümmert, die viel zu wenig Beachtung findet: LKW-Fahrer.
Wenn das Stichwort „Fachkräftemangel“ fällt, denken die meisten wahrscheinlich an den Pflegebereich oder bestimmte technische Berufe. LKW-Fahrer werden nur wenige auf der Rechnung haben, dabei gab es für das „Führen von Fahrzeug- und Transportgeräten“, so die amtliche Formulierung, im Juli 2017 44.300 offene Stellen. Mehr als in fast allen anderen Branchen. Und das sind nur die, welche bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet wurden. In Wahrheit dürfte der Bedarf viel größer sein.
Die europaweite Nachfrage nach LKW-Fahrern ist riesig
1,5 Millionen LKW-Fahrer (der Frauenanteil liegt unter 2 %) unterschiedlicher Qualifikation soll es in Deutschland insgesamt geben, wobei keine offizielle Statistik existiert. In der gesamten EU sind es sicherlich weit mehr als 10 Millionen. Eine riesige Zielgruppe, die in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings ein Schattendasein führt. Viele Fahrer fühlen sich von der Gesellschaft nicht angemessen gewürdigt, wie Daniel Stancke und Thorsten Steinbach bei ihren umfangreichen Recherchen feststellen mussten.
Die beiden Gründer kennen sich quasi schon aus dem Sandkasten, doch beruflich gehen sie erst seit rund einem Jahr ihren gemeinsamen Weg. Daniel hat viele Jahre für VW in Mexiko im Personalbereich gearbeitet, Thorsten war zuletzt bei DHL für Innovationen zuständig und hatte dabei viel Kontakt zu Startups. Eine gute Mischung, die sie in die Gründung von JobMatchMe einbrachten. Als dritte Kraft von Beginn an dabei ist Dr. Gunnar Wrobel, der unter anderem die Entwicklung des Backends übernommen hat.
Den Papierkram bei Recruitingprozessen wollten die Macher von JobMatchMe überflüssig machen und einen Marktplatz schaffen, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenbringt. Für akademische Berufe gibt es das schon in verschiedenen Varianten, bei Facharbeitern herrscht allerdings noch Nachholbedarf. Wie eingangs erwähnt, ist das Potenzial bei Transportfahrten besonders groß, also wählten Thorsten und Daniel zum Einstieg diese Branche.
Recherche auf Autobahnraststätten
Für ihre Recherchen besuchten sie Autobahnraststätten und sprachen die dort anzutreffenden LKW-Fahrer einfach an. Dabei stießen sie fast durchweg auf offene Ohren. Viele der Männer schienen darauf gewartet zu haben, jemandem ihr Herz ausschütten zu können. So bekamen die beiden Gründer oft die privatesten Dinge zu hören, aber erfuhren natürlich auch viel über das harte Arbeitsleben der Fahrer. Dabei erwies sich mangelnde Wertschätzung als ein wichtiges Problem. Es fehlt das Bewusstsein, welch große Rolle LKWs für die Grundversorgung spielen.
Über 200 Interviews sind inzwischen zustande gekommen, und nach wie vor vergeht keine Woche, in der nicht Mitarbeiter aus dem Team unterwegs sind, um mehr um ihre Kunden zu erfahren. Die Erkenntnisse fließen ein in einen Fragebogen, der das wesentliche Element von JobMatchMe ist. Der Katalog umfasst nämlich nicht nur die üblichen Fragen nach Führerscheinbesitz, Berufserfahrung und ähnlichem. Das bieten andere Jobplattformen selbstverständlich auch.
Richtig interessant wird es dann im zweiten Teil. Hier erwarten die Bewerber insgesamt 30 Fragen, die sich auf die Person jenseits der reinen Fachqualifikation beziehen. Da wird nach Vorlieben gefragt, nach Risikobereitschaft oder wie ordentlich man sich selber einschätzt. Die Auswertung aller Antworten ergibt ein Persönlichkeitsprofil, das ein ziemlich genaues Urteil über die Eignung eines Bewerbers für einen bestimmten Arbeitgeber erlaubt.
Bei der Beschreibung der Algorithmen, die für das optimale Matching sorgen, fallen Begriffe wie „künstliche Intelligenz“, „maschinelles Lernen“, „neuronale Netze“ und „Big Data“. Konkret bedeutet das, dass die verwendete Software nicht statisch ist, sondern sich mit der zunehmenden Menge an verfügbaren Daten eigenständig optimiert und immer verlässlichere Ergebnisse liefert. So hofft das Team von JobMatchMe, zu dem sowohl Informatiker als auch Psychologen gehören, bald exakte Vorhersagen zu einem Arbeitsverhältnis machen zu können. Schon jetzt ist es möglich, Verbesserungspotenziale bei einem neuen Mitarbeiter zu erkennen und ihn entsprechend zu fördern.
JobMatchMe tritt auf als TruckJobs und TruckPro
Da sich der Aktionsbereich von JobMatchMe bisher ausschließlich auf LKW-Fahrer beschränkt, tritt das Startup in der Öffentlichkeit bisher primär unter den Namen TruckJobs und TruckPro in Erscheinung. TruckJobs ist die Plattform, auf der die Fahrer ihre Profile anlegen, über TruckPro gehen Unternehmen auf Fahrersuche und machen Angaben zu ihren Wunschkandidaten. Die Trennung in zwei Webauftritte ist bewusst gewählt, da die Ansprache bei den beiden Zielgruppen sehr unterschiedlich ausfällt.
Hat der Algorithmus dann die passenden Kombinationen gefunden, steht vor der Einstellung eines Fahrers immer noch das persönliche Gespräch. Was wegfällt, sind schriftliche Bewerbungen und die Suche nach Stellenanzeigen, ob online oder in Tageszeitungen. Die Nachfrage auf beiden Seiten ist enorm. Fast 4.000 Personen haben sich mittlerweile registriert. Damit ist auch die Frage geklärt, ob LKW-Fahrer überhaupt internetaffin sind. Absolut, in ihren Fahrpausen sind sie regelmäßig online unterwegs.
JobMatchMe ist, wie der allgemein gehaltene Name deutlich macht, im Prinzip nicht auf eine Branche beschränkt. Zurzeit ist allerdings der Markt für LKW-Fahrer noch längst nicht abgedeckt. Angefangen hat das Startup in Hamburg, weil hier Logsitik eine besondere Rolle spielt, und dann seinen Wirkungsbereich vom Norden auf ganz Deutschland ausgeweitet. Als Nächstes ist das europäische Ausland dran, zuerst wohl Polen.
Mehrere Investoren sind bereits dabei
Das Team besteht mittlerweile aus 13 Personen, die in einem Büro in der Glashüttenstraße Platz gefunden haben, in dem früher Stuffle untergebracht war. Einen wichtigen Beitrag zu dem Auftstieg des Startups hat der früh eingestiegene Business Angel Dr. Olaf Ringelband geleistet. Er hat nicht nur einen Geldbetrag im unteren sechsstelligen Bereich eingebracht, sondern vor allem sein Know-how als führender Personaldiagnostiker.
Inzwischen sind drei weitere Investoren mit einer mittleren sechsstelligen Seed-Finanzierung hinzugekommen. Da zudem die Umsätze stetig steigen, ist es nur eine Frage der Zeit und der Kapazitäten, wann JobMatchMe weitere Branchen erschließt. Der Bedarf ist auch bei Handwerkern enorm, ebenso bei Friseuren, Physiotherapeuten und vielen anderen Berufsgruppen, die selbst der raffinierteste Algorithmus nicht ersetzen kann – auch wenn er hilft, sie besser zu verstehen.
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