iubel lässt Anwälte und ihre Mandanten jubeln
„Sie haben das Recht auf einen Anwalt.“ – diesen Satz kennen wir alle aus amerikanischen Krimis und er gilt natürlich auch für Deutschland. Allerdings kann der Rechtsweg ganz schön teuer werden, weshalb viele den Gang vor Gericht scheuen. Das Startup iubel übernimmt das Kostenrisiko und erhält Geld nur im Erfolgsfall. Die Quote liegt bei über 90 Prozent.
Während einer Australienreise probierten Jan und Niclas Stemplewski erstmals Cold Brew Kaffee und waren davon so begeistert, dass sie beschlossen, dieses Getränk auch in Deutschland zu produzieren. Dabei spezialisierten sie sich auf eine spezielle Herstellungsmethode namens Cold Drip. Die braucht eine gewisse Zeit, weshalb sie ihre Marke Stempels Slowbrew nannten. 2017 verkauften die beiden ihr Startup und damit ist diese Geschichte auch schon wieder zu Ende, denn in unserem heutigen Artikel geht es schließlich um ein ganz anderes Thema.
Die Brüder sind beide promovierte Juristen und verfügen zudem über solides ökonomisches Fachwissen. Jan hat als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group gearbeitet, Niclas auch Wirtschaftswissenschaften studiert. Da war früh klar, dass beide mehr wollten als nur juristische Schriftsätze erstellen, erst recht nach dem unternehmerischen Erfolg mit Slowbrew, das zunächst nicht viel mehr als ein Hobbyprojekt gewesen war. Im Herbst 2017 schloss Niclas seine zweite juristische Prüfung ab, danach widmeten sich die beiden verstärkt ihrem neuen Startup.
In iubel steckt das Recht drin
Die erste Idee, anwaltliche Routinevorgänge zu automatisieren, etwa bei Reklamationen von Pauschalreisenden, erwies sich nur als Teilerfolg. Zwar bestand durchaus Bedarf, doch ließ die Bereitschaft dafür zu zahlen bei den Anwälten zu wünschen übrig. Also änderten sie ihr Geschäftsmodell in Richtung Sofort-Rechtsschutz ohne Vertragsbindung. Damit war das Erfolgsrezept für iubel gefunden. Der Name iubel soll gute Stimmung verbreiten und die Angst vor dem Gang zum Anwalt nehmen, die bei vielen noch verbreitet ist. Außerdem steckt der Begriff „ius“ darin, das lateinische Wort für „Recht“.
Nach einer Betaphase mit Testkunden ging es Anfang 2019 richtig los mit iubel. Das Angebot richtet sich primär an Personen, die berechtigten Grund zur Klage, aber keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben. Sie verzichten häufig auf den Rechtsweg, weil sie sämtliche Kosten tragen müssen, wenn sie vor Gericht unterliegen. Dieses Risiko nimmt iubel ihnen ab. Das Startup bietet keine Versicherung, sondern eine fallbezogene Prozessfinanzierung. Diese Möglichkeit bestand bisher nur bei Streitwerten ab sechsstelligen Beträgen. iubel wird dagegen bei Ansprüchen zwischen 1.000 und 50.000 Euro aktiv.
Anwälte als Partner und Kunden
Potenzielle Kläger müssen dafür zunächst ihren Fall über eine Eingabemaske auf der Webseite kurz schildern. Eine erste Prüfung erfolgt intern, dann geht der Fall weiter an einen darauf spezialisierten Anwalt. iubel fungiert nämlich nicht als Kanzlei, sondern als Vermittler. Viele Anfragen kommen auch von Anwälten, die für ihre Klienten eine Absicherung suchen. Führen alle Prüfungsschritte zu einem positiven Ergebnis, übernimmt iubel den Auftrag und der Prozess kann beginnen. Bisher liegt die Erfolgsquote bei über 90 Prozent, was alle Beteiligten jubeln lässt: Der Kläger bekommt sein Recht und seine Entschädigungszahlung, der Anwalt sein Honorar und das Startup seine Provision.
Ein Restrisiko bleibt selbstverständlich immer, also muss iubel finanziell abgesichert sein. Gestartet mit einem EXIST-Gründerstipendium, bekommt das Unternehmen inzwischen Förderung durch das InnoRampUp-Programm der IFB Hamburg. Mit an Bord sind zudem zwei Business Angel und die Investmentfirma Motu Ventures, die zusammen alle wichtigen Kompetenzen abdecken. Eine weitere Einnahmequelle ist ein im Aufbau befindlicher Fonds, über den sich Family Offices an den Prozesserfolgen beteiligen können.
Erfolgreich im Dieselskandal
Momentan konzentriert sich das Geschäft von iubel auf zwei Bereiche. Da sind zum einem individuelle Kündigungsschutzklagen, bei denen es oft um Abfindungszahlungen geht. Und zum anderen Klagen rund um den Dieselskandal des VW-Konzerns. Über fünf Millionen Euro konnte das Startup hier für seine Kunden schon einbringen, bei über 300 Klagen. Je mehr bearbeitete Fälle, desto mehr Daten und desto präziser kann die Software arbeiten, die bei der Erfolgsprognose hilft. Echte künstliche Intelligenz ist da noch nicht im Spiel, aber gerade die Juristerei ist für diese Technologie gut geeignet. Die Sprache ist dort sehr formelhaft und logisch aufgebaut. Für Menschen nicht immer leicht zu verstehen, für Computer schon.
Für die Kürze der Zeit, die iubel erst am Markt ist, hat es schon eine Menge erreicht. Gerade gestartet ist ein Youtube-Kanal, zur Eigenvermarktung und um juristische Tipps zu geben. Schon jetzt hat das Startup eine Alleinstellung, weil es eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsfälle abdeckt, anders als zum Beispiel Unternehmen, die sich auf Flugrecht spezialisiert haben. Bald sollen weitere Angebote dazukommen, etwa Fälle, bei denen die Kunden nicht Kläger, sondern Angeklagte sind. Es gibt also noch viel zu tun für iubel, aber wenig zu beklagen.