Patrick Rüther – Gastronomie als Berufung und Lebensinhalt
Patrick Rüther ist einer der erfolgreichsten Gastronomen in Hamburg und weit darüber hinaus. Er hat unter anderem die Bullerei und das Alte Mädchen mitgegründet. Beim Food Innovation Camp am 2. Juli wird er als Speaker und Juror zu sehen sein und sein Bier ÜberQuell ausschenken. Wir haben mit Patrick über seine eindrucksvolle Gastro-Karriere und über Bier gesprochen.
Hallo Patrick, vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Du hast in der Food- und Gastro-Szene ja schon einiges erlebt und erreicht. Kannst du uns bitte kurz deine wichtigsten Stationen nennen?
Es ging damit los, dass ich nach meinem zweiten juristischen Staatsexamen einen Sommer lang den Kopf freibekommen wollte. Da habe ich 2003 den Hamburg City Beach Club gegründet. Als einziger Beach Club im damaligen Jahrhundertsommer war das gastronomisch ein ganz schöner Sprung ins kalte Wasser. Die Genehmigung wurde dann an der Stelle für drei weitere Jahre erteilt. Danach mussten die Clubs umziehen und ich habe den HCBC verkauft.
Bereits 2004 hatten Tim Mälzer und ich den Plan, gemeinsam ein besonderes Restaurant zu machen. Danach folgten vier Jahre Locationsuche, Burnout bei Tim, viele Ablenkungen, bis ich schließlich auf die Hallen der Schanzenhöfe stieß. Dann dauerte es noch einmal eine ganze Zeit, bis wir letztlich Mitte 2009 die Bullerei eröffnen konnten.
2012 haben Tim und ich dann mit einem Freund und Partner aus Frankfurt das Restaurant Hausmann’s am Frankfurter Flughafen eröffnet. Hier hatte mich besonders gereizt, in einem eher nüchternen und geschäftlichem Umfeld wie dem Flughafen eine möglichst individuelle, gemütliche Gastronomie zu schaffen. In die Zeit fiel auch die Gründung der tellerrand consulting, eine Art Agentur, in der wir die administrativen Arbeiten, die in den jeweiligen Läden anfallen und notwendig sind, zusammenführen: Buchhaltung, Personalwesen, Controlling, teilweise auch Strategie, Konzeption und so weiter.
Nahezu parallel liefen die Planungen und dann die Eröffnung des Alten Mädchens in Hamburg. Hier ging es in der Hauptsachen um Craft Bier und darum zu zeigen, dass ein Braugasthaus auch modern und frisch rüberkommen kann. Mit Bäckerei, Feuerstelle, toller Einrichtung und schöner Terrasse.
Für ein Jahr haben wir dann gemeinsam mit einem österreichischen Freund den Salon Plafond im Museum für angewandte Kunst in Wien konzipiert und eröffnet. Da merkten wir aber nach einem Jahr, dass die Entfernung für uns zu groß war, und sind aus dem gemeinsamen Projekt ausgestiegen.
2015 haben wir dann ein weiteres Hausmann’s Restraurant eröffnet, dieses Mal am Rande der Düsseldorfer Altstadt. Tolles Gebäude und schöne Lage. Allerdings auch eine Menge Arbeit und nicht gerade um die Ecke. Außerdem ein ganz anderes Umfeld als der Flughafen. Da haben wir eine Menge lernen dürfen und tun es noch immer.
Nach dem Ausstieg von drei der vier Gesellschafter aus dem Alten Mädchen habe ich dann mit Axel Ohm letzten Sommer das ÜberQuell eröffnet, mit eigener Brauerei und neapolitanischer Pizza in den denkmalgeschützten Riverkasematten aufs St. Pauli.
Wenn du deinen reichhaltigen Erfahrungsschatz als Unternehmer betrachtest: Welchen Tipp kannst du jungen Gründerinnen und Gründern gerade aus dem Gastrobereich mit auf den Weg geben?
Dass man sich unbedingt früh und viel mit erfahrenen Kollegen austauschen sollte. Dass Gastronomie – zumindest die, die wir betreiben – keine einfach skalierbare Angelegenheit ist, sondern extrem viel mit Menschen zu tun hat. Das macht es so toll und spannend, aber eben auch nicht immer ganz berechenbar. Außerdem sollte man es als Berufung und Lebensinhalt verstehen, da für eine klassische Work-Life-Balance, verstanden als recht klare Trennung von Arbeit und Beruf, kein Raum ist. Sonst wäre es schwer, all die Herausforderungen der Anfangszeit zu überstehen. Konzeption, Finanzierung, Bau, Personal und die immer umfangreichere Regulierung, von Hygienebestimmungen über Kennzeichnungspflichten, Nachweiserfordernissen, Datenschutzgrundverordnungen, Brandschutzschulungen und Ersthelferkursen bis zur immens gewachsenen Bedeutung der Digitalisierung für den Betrieb und die PR.
Bier spielt in deinem beruflichen Werdegang eine wichtige Rolle. Wie kam es dazu und ist Bier auch privat dein Lieblingsgetränk?
Während der Arbeit am Konzept für das Alte Mädchen fuhren Axel Ohm und ich oft ins Ausland, welches an vielen Orten wesentlich weiter ist in der Entwicklung handwerklich gebrauter Biere. Ganz besonders beeindruckend war damals die Reise nach Seattle, Vancouver und Portland, quasi die Wiege der amerikanischen Craft Bier-Revolution. Da ist mir klar geworden, dass ich jahrzehntelang über Bier geredet, Bier verkauft und auch Bier getrunken habe, eines der tatsächlich bedeutendsten Lebensmittel, ohne zu wissen, wer es denn gebraut hat, warum es so oder so gebraut wurde und was da alles drin ist im Rahmen des sogenannten Reinheitsgebots. Musste man bis vor fünf Jahren in Norddeutschland ja auch nicht wissen, da es keine großartigen Unterschiede gab, außer in der Werbung. Und ja, Bier in seinen extrem vielfältigen Ausprägungen ist mein Lieblingsgetränk.
Dein neuestes Unternehmen heißt ÜberQuell. Welches Konzept steckt dahinter und was bietet ÜberQuell alles an?
Das ÜberQuell ist ein Ort in historischen Gemäuern, der Nachbarn zusammenführt und die Bierproduktion transparent, anfassbar und erlebbar macht. Der viel Kunst zeigt und feiert: Streetart mit der Millerntor Gallery zusammen, Festivals, Konzerte, Lesungen, Filme, Beer Battles, und, und, und. Und wir haben zwei acht Tonnen schwere, fest gemauerte neapolitanische Pizzaöfen, aus denen die traditionelle neapolitanische Pizza kommt. Und bald einen Schulgarten mit der Ganztagsschule St. Pauli, direkt auf dem Dach unseres Lagergebäudes.
Beim Food Innovation Camp werden die Besucher Bier von ÜberQuell probieren können. Welche Sorten und Geschmacksrichtungen gibt es da?
Wir werden mit unserem frisch in der Flasche abgefüllten Original, ein klassisches Helles mit norddeutscher Prägung, nicht ganz so süßlich und ordentlich gehopft, und unserem Pale Ale, ausgewogen malzig und leicht hopfig, am Start sein.
Craft Bier wird schon seit einiger Zeit als Trendthema gehandelt. Wie schätzt du den Stand der Dinge und die zukünftige Entwicklung ein?
Da wir in Deutschland, anders als in anderen Ländern, schon immer eine ausgeprägte Braukultur und entsprechend hervorragende handwerkliche Fähigkeiten hatten, kam und kommt es hier nicht zu einer mit den USA vergleichbaren Craft Bier-Revolution. Aber wie bei allen anderen Lebensmitteln auch beginnt der Konsument sich zu fragen, was das eine Produkt vom anderen unterscheidet, wie hoch der handwerkliche Anteil an der Produktion ist, was eigentlich alles mit einem Produkt im Rahmen der Herstellung gemacht werden darf, wie viel Regionales, Lokales drinsteckt, wer dahintersteckt und wer es herstellt. Daher bin ich mir sicher, dass gut gemachtes, handwerkliches, natürliches Bier sich weiter sehr gut entwickeln wird.
Wenn man sich die Entwicklung beim Wein in den letzten Jahrzehnten anschaut oder diejenige beim Kaffee, dann werden wir bald darüber lachen, dass es Zeiten gab, als man in einem Restaurant einfach „ein Bier“ bestellt hat und dann irgendwas bekam, was so Richtung Lager oder Pils, einer von mehr als hundert verschiedenen Bierstilen, war und von irgendeiner Großbrauerei kam. Das wäre so, als wenn ich mir heute „einen Wein“ bestellen würde…
Zum Schluss noch eine Frage zum Food Innovation Camp: Worauf freust du dich da ganz besonders?
Auf viele Gespräche mit spannenden, kreativen und innovativen Gründern!
Wer jetzt Lust auf ein Bier von ÜberQuell und das Food Innovation Camp bekommen hat: Hier gibt es die Tickets!