InnoCigs macht Dampf mit E-Zigaretten
E-Zigaretten sind ein weltweiter Wachstumsmarkt, der in letzter Zeit allerdings einige Rückschläge einstecken musste. Das Hamburger Unternehmen InnoCigs hat sich innerhalb eines Jahrzehnts vom Startup zum deutschen Marktführer entwickelt und auch die jüngsten Krisen gemeistert.
2010 waren die Brüder Dennis und Dustin Dahlmann in Florida unterwegs und entdeckten dort für sich die E-Zigarette. Beide waren zu der Zeit Raucher, Dennis sogar ein ziemlich starker. 15 Jahre mit mehreren Packungen am Tag hatten sich negativ auf seine Gesundheit und Sportlichkeit ausgewirkt. Jeder Versuch mit dem Rauchen aufzuhören war bisher gescheitert. Mit der elektrischen Zigarette, gelang ihm die Umstellung innerhalb weniger Wochen. Er wurde vom Raucher zum „Dampfer“ – so genannt, weil beim Nikotinkonsum kein Tabak verbrannt, sondern eine Flüssigkeit verdampft wird.
Am Anfang von InnoCigs waren Büro und Lager eins
Wieder zurück in Deutschland, stellten die Brüder fest, dass es für E-Zigaretten hier kaum einen Markt gab, und beschlossen, diese Lücke zu schließen. Ihr Wunsch zu gründen kam nicht von ungefähr, schon als Schüler waren sie unternehmerisch tätig und vor allem mit IT-Dienstleistungen und im Bereich E-Commerce erfolgreich. Für ihr neues Startup InnoCigs holten sie den Schulfreund Henning Sievers als Mitgründer dazu. Der Drei-Mann-Betrieb agierte zunächst in einer Kombination aus Büro und Minilager und verkaufte Ware aus China über einen Onlineshop.
Das Geschäft wuchs langsam, aber stetig. Einen entscheidenden Sprung machte es dann nach Inkrafttreten der EU-Tabakrichtlinie im Jahr 2014. Sie schuf endlich verbindliche Rahmenbedingungen für einen bis dahin kaum regulierten Markt und legte unter anderem fest, dass die Liquids genannten Flüssigkeiten zum Dampfen nicht mehr als 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter enthalten dürfen. Nachdem nun Klarheit geschaffen worden war, stieg die Nachfrage nach elektrischen Zigaretten und allem, was dazugehört, und damit auch der Umsatz bei InnoCigs.
Das ermöglichte dem Unternehmen, das Geschäft auf die nächste Ebene zu bringen. Waren bisher Endkonsumenten die einzige Zielgruppe, verschob sich der Fokus nun in Richtung Großhandel. Wichtigste Kunden sind inzwischen die vielen Fachgeschäfte für E-Zigaretten überall in Deutschland. Allein in Hamburg gibt es rund 30 solcher Shops, sieben davon betreibt InnoCigs im eigenen Namen. Zudem gibt es seit mehr als fünf Jahren die Eigenmarken InnoCigs und SC für alles, was Dampfer brauchen. So aufgestellt, gelang in es der stärksten Wachstumsphase, den Umsatz gegenüber dem Vorjahr jeweils zu verdoppeln.
Die Entwicklung der Branche ist noch in vollem Gange
Was Innovationen angeht, ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. Bei den Liquids kommen immer neue Geschmacksrichtungen auf den Markt, längst nicht alle enthalten Nikotin. Und für Technikfreaks bietet jede neue Generation von E-Zigaretten Verbesserungen, etwa beim Akku, der Verdampfereinheit und natürlich auch beim Design. „Wenn man die Geräte mit Handys vergleicht, dann haben wir mit Nokia angefangen und sind jetzt etwa beim iPhone 8“, kommentiert Dustin Dahlmann die Entwicklung. Zwischen zwei und drei Millionen Dampfer gibt es vermutlich inzwischen in Deutschland. In anderen Ländern, zum Beispiel Polen und vor allem Großbritannien, ist die Marktabdeckung noch höher. Da geht also noch was, auch für Startups mit innovativen Ideen.
In letzter Zeit musste die Branche mit rund 3.000 Verkaufsstellen on- und offline allerdings auch ein paar Rückschläge einstecken. Im Herbst sorgte eine Reihe von Todesfällen in den USA im Zusammenhang mit dem Konsum von E-Zigaretten für Aufregung. Es stellte sich zwar heraus, dass die dabei verwendeten Liquids vom Schwarzmarkt stammten und den Cannabis-Wirkstoff THC enthielten, was selbstverständlich verboten ist. Ähnliche Fälle gab es in Deutschland nicht, trotzdem war der Ruf vorübergehend angekratzt. Und kaum war die Geschichte aus den Medien heraus, sorgte die Corona-Krise für einen doppelten Tiefschlag.
Corona, das Tabakwerbeverbot und der Kampf um Anerkennung
Zunächst fiel mit China der wichtigste und technologisch führende Produktionsstandort aus. Dann sorgten die weitreichenden Beschränkungen im Einzelhandel für Umsatzeinbrüche; die Fachgeschäfte galten nicht als systemrelevant, während herkömmliche Zigaretten nach wie vor zum Beispiel in Supermärkten erhältlich waren. Das Onlinegeschäft konnte die Einbußen nur bedingt auffangen. Inzwischen hat sich die Lage wieder einigermaßen normalisiert, doch die nächste Herausforderung ist schon absehbar. Gerade hat der Bundestag eine Verschärfung des Tabakwerbeverbots beschlossen, das auch E-Zigaretten betrifft. Demnach ist mit der Außenwerbung hier im Jahr 2024 Schluss.
Dustin Dahlmann findet das unfair und kämpft leidenschaftlich für die Interessen von InnoCigs und der gesamten Branche gleich in zwei Verbänden. Er ist Vorstandvorsitzender beim Bündnis für Tabakfreien Genuss und President der Independet European Vaping Alliance. Sein Hauptargument ist, dass E-Zigaretten Konsumenten von den unbestritten gesundheitsschädlichen herkömmlichen Zigaretten wegbringen und die Aufklärung darüber durch das Werbeverbot erschwert wird. Wie schädlich das Dampfen tatsächlich ist und ob es fast ausschließlich Umsteiger oder doch auch eine Reihe von Neueinsteigern anspricht, ist durchaus umstritten. Nikotin bleibt ein Suchtmittel, allerdings entfallen mit dem Verbrennen von Tabak auch Schadstoffe wie Benzol, Blausäure, Formaldehyd und Nitrosamine. Die britische Gesundheitsschutzbehörde PHE sprach deshalb sogar eine Empfehlung für E-Zigaretten als gesündere Alternative aus.
Wie auch immer sich Markt und allgemeine Beurteilung entwickeln werden, InnoCigs sieht sich für die Zukunft gut aufgestellt. Flexibilität hat das Unternehmen schon mehrfach bewiesen. So unterhielt es eine Weile ein eigenes Lager und beschäftigte in der Spitze bis zu 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das erwies sich aber zunehmend als zu unflexibel. Jetzt kümmert sich die Bertelsmann-Tochter Arvato als Logistikpartner um die Lagerung und das Team zählt nur noch knapp über 60 Personen. Die Zeichen stehen aber wieder auf Wachstum. So schnell wird InnoCigs wohl nicht verdampfen.
Fotos: InnoCigs