Immerzed nutzt Virtual Reality für notfallmedizinische Ausbildung
In der Notfallmedizin kommt es auf Schnelligkeit ebenso an, wie auf Präzision, jeder Handgriff muss sitzen. Doch wie trainiert man am besten für den Ernstfall? Mit Virtual Reality, lautet die Antwort des Startups Immerzed. Die drei Gründer bringen einschlägige Erfahrungen aus dem Bereich der Computerspiele mit.
Immerzed begann als Uni-Projekt
Wer sich zu intensiv mit Computerspielen beschäftigt, kann seine Gesundheit auf vielfältige Weise gefährden – so lautet ein gängiges Vorurteil. Dass auch das Gegenteil der Fall sein kann, beweisen die drei Gründer von Immerzed. Wobei bei ihrem Startup nicht die eigene Gesundheit im Vordergrund steht, sondern die von Notfallpatientinnen und -patienten. Die sind darauf angewiesen, dass das medizinische Personal so gut geschult ist, dass es im Ernstfall die lebensrettenden Maßnahmen ergreifen kann. Wie das zu erreichen ist, war Inhalt eines Projekts der Fachhochschule Wedel. Frithjof Meinke, Maurice Dietrich und Jasper Ollmann haben dort Computer Games Technology studiert oder tun es noch und haben durch das besagte Projekt zusammengefunden.
Dabei brachte Frithjof, der älteste aus dem Trio, noch jede Menge persönliche Erfahrung ein. Er hat nämlich beim Deutschen Roten Kreuz in Bad Segeberg eine Ausbildung als Notfallsanitäter abgeschlossen und mehr als eineinhalb Jahre in dem Beruf gearbeitet. Bei so viel Kompetenz und Realitätsbezug lag es nahe, das Projekt zu einem Unternehmen weiterzuentwickeln. Besonders hilfreich in diesem Zusammenhang war das Programm BridgeYourIdea der FH Wedel. Das brachte Studierende mit Persönlichkeiten aus der Startup-Wirtschaft zusammen, um ihnen Entrepreneurship näherzubringen und wertvolle Kontakte zu vermitteln.
Erste Pilotprojekte sind erfolgreich gestartet
Auf diese Weise lernte das Immerzed-Team seinen Mentor kennen, einen erfahrenen Gründer. Er brachte es mit seinem Know-how vor allem, was Zahlen angeht, voran und stellte einen Fahrplan für die Geschäftsentwicklung auf. Entstanden ist die Idee für Immerzed Ende 2021, ein Jahr später fand eine erste Demonstration des virtuellen Rettungswagens VRTW vor potenziellen Kunden statt. Die kamen aus den Bereichen Rettungsdienste, Kliniken und Feuerwehren und zeigten sich überzeugt von dem Ansatz, Übungen für die notfallmedizinische Ausbildung in der Virtuellen Realität (VR) stattfinden zu lassen.
Das war der erste wichtige Meilenstein für Immerzed zu einem richtigen Unternehmen. Der zweite folgte Mai 2023 mit der Initiierung von Pilotprojekten mit Johanniter-Akademie Nord in Rostock und DRK Rettungsdienstschule Schleswig-Holstein. Beide Kooperationen dienen dazu, die Trainingssimulationen einem Praxistest zu unterziehen und weiterzuentwickeln. Für die Anwendung benötigt man einen leistungsstarken Rechner und eine VR-Brille, die mit einer Hand-Tracking-Kamera verbunden ist. Diese erfasst die Handbewegungen und überträgt sie in die virtuelle Welt, in diesem Fall den VRTW. Für Computerspiel-Nerds: Für die Grafiken verwendet Immerzed die Unreal Engine, die auch bei einer Vielzahl erfolgreicher Games zum Einsatz kommt und grundsätzlich erst einmal kostenlos zur Verfügung steht.
VR bietet ganz reale Vorteile
Simuliert wird die Untersuchung von Patienten. Man kann den Puls messen, Herz und Lunge abhören, in den Mund schauen und vieles mehr. Ein großer Vorteil ist die Nachbildung unterschiedlichster Gesundheitszustände und Patientenreaktionen in der VR. Das ist mit Übungspuppen nur sehr bedingt oder mit großem Aufwand möglich, während eine Computerdarstellung leicht zu modifizieren ist. Das aktuelle Programm befindet sich wie gesagt noch in der Testphase, doch der Wunsch nach weiteren Simulationen besteht bereits, etwa die einer Geburt. Denkbar ist so ziemlich alles, was an echten Menschen nicht trainiert werden kann.
Dementsprechend groß ist das Marktpotenzial. Ende 2023/Anfang 2024 könnte der Vertrieb starten, auch über die deutschen Grenzen hinaus. Bisher konnten sich die Gründer über Nebenjobs und das Engagement eines ersten Investors gut über Wasser halten, zumal sie die Softwareentwicklung selbst übernehmen und dadurch kaum Kosten entstehen. Zum Team gehören mittlerweile auch Marius Kailuweit, ein 3D-Designer, der ausnahmsweise nicht in Wedel, sondern in Lübeck studiert hat. Und Bendedikt Goebel, der sich Teilzeit um das Marketing kümmert. Sie alle hoffen, mit VR ganz real den Durchbruch zu schaffen und dabei zumindest indirekt auch noch Menschenleben zu retten.
Foto: Immerzed