Im ZAL wird die Zukunft der Luftfahrt gestaltet
ZAL – das steht für „Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung“ und ist einer der Hotspots des Luft- und Raumfahrstandorts Hamburg. Kluge Köpfe aus Forschung und Wirtschaft, Startups und Großunternehmen kommen hier zusammen. Wir haben uns im ZAL einmal umgeschaut.
Es gibt tatsächlich große Bauprojekte, die plangemäß fertig werden. Das Zentrum für Angewandte Luftfahrforschung in Finkenwerder fällt in diese Kategorie, pünktlich zum Jahresbeginn 2016 feierte es seine Eröffnung. Annähernd 100 Millionen Euro hat das ZAL gekostet, davon entfallen 80 % auf das Gebäude selbst und 20 % auf die dazugehörige Infrastruktur. Die größten Gesellschafter sind mit jeweils einen Anteil von 20 % die Airbus Operations GmbH, die Lufthansa Technik AG und die Stadt Hamburg.
Auf einer Gesamtfläche von 26.000 Quadratmetern bietet der Gebäudekomplex insgesamt rund 600 Arbeitsplätze. Die über 30 Mieter haben dort deutlich mehr Beschäftigte, doch viele sind nicht ständig, sondern nur tage- oder stundenweise vor Ort. Büro- und Laborflächen befinden sich Seite an Seite und unterstreichen somit das Konzept des ZAL. Hier soll niemand unter Ausschluss der anderen vor sich hin werkeln, Zusammenarbeit und Ideenaustausch sind ausdrücklich erwünscht. So können Partner auf Augenhöhe agieren, schnell Neues ausprobieren und entwickeln oder wieder verwerfen.
Das DLR unterhält zwei Institute im ZAL
Der Luftfahrt verbundene Unternehmen unterschiedlichster Größe zählen zu den Mietern und auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Mit zwei Instiuten ist das DLR im ZAL vertreten, einem für Systemarchitektur und einem für Wartung, Reparatur und Betrieb (englische Abkürzung: MRO). Sie beschäftigen jeweils 100 Mitarbeiter und verfügen über einen Jahresetat von 10 Millionen Euro. Die Ansiedlung der Institute war ausdrücklich Bestandteil des Koalitionsvertrags des aktuellen rot-grünen Senats.
Mehr noch als die offene und kooperative Arbeitsweise im ZAL ziehen die beiden großen Hallen die unterschiedlichen Mieter an. Sie sind ein großer Spielplatz für Tests und Experimente. In Halle A dreht sich alles um die Themen „Cabin & Cargo“. Echte Flugzeugrümpfe sind dort aufgestellt und Nachbauten von Innenausstattungen. Von den Büros aus lassen sich die dort stattfindenden Tests beobachten, Geheimniskrämereien gibt es hier, wie gesagt, nicht.
Die Flugzeugkabine als Experimentierfeld
Eine der praktischen Fragen, die in dieser Halle erörtert wird: Wie installiere ich am schnellsten, einfachsten und mit dem geringsten Kraftaufwand das Gepäckfach über den Sitzreihen? Gar nicht so einfach wie man denkt, sogar der Einsatz eines Exoskeletten wurde schon in Erwägung gezogen. Sicherlich mehr Spaß gemacht hat die Entwicklung eines Barmoduls, bei dem sich die Passagiere selbst bedienen können. Die Idee schaffte es bis ins Finale des renommierten Crystal Cabin Awards, wartet allerdings noch auf ihre Umsetzung in einem Flugzeug. Aufgegeben wurde dagegen der Versuch, das Catering an Bord aus dem Frachtraum heraus zu organisieren.
Beim Betreten der Halle B fallen sofort die Drohnen auf, die dort in verschiedenen Größen zu sehen sind. Ein Forschungsobjekt ist Thor, das erste vollständig im 3D-Druck entstandene Kleinflugzeug. Draußen gibt eine Testfläche, auf der Drohnen bis zu 50 Meter hoch aufsteigen können. Die aufregendsten Projekte finden allerdings hinter verschlossenen Türen statt. Zum Beispiel im VR-Labor, dessen Projektionsfläche dem Durchmesser einer A 320-Kabine entspricht. Ein Eintauchen in virtuelle Welten ist dort ohne Spezialbrille möglich. Ähnlich imposant ist das turnhallengroße Akustiklabor, das teure und zeitaufwendige Test in der Luft überflüssig macht. Vielleicht wird dort irgendwann das Problem der unverständlichen Durchsagen an die Fluggäste gelöst.
Eine Anlage, die es nur dreimal auf der Welt gibt
Die teuerste Anlage des ZAL (2,6 Millionen Euro Kosten, eröffnet im Oktober 2018) gibt es so nur noch zwei weitere Male auf der Welt. Laser Shock Peening nennt sich das dort getestete Verfahren zur Oberflächenbearbeitung von Strukturbauteilen. Werden Bauteiloberflächen bisher beispielsweise mit Kugelstrahlen beschossen, soll das in Zukunft ein Laser viel präziser erledigen. Und auch das heiße Thema der Energiegewinnung wird im ZAL behandelt. Im Fuel Cell Lab steht eine umfangreiche Infrastruktur für Versuche mit Wasserstoff und Brennstoffzellen zur Verfügung.
Die Testflächen in den Hallen sind ständig ausgelastet, können aber je nach Bedarf umgestaltet werden, eine starre Struktur gibt es dort nicht. Auch wenn Flexibilität im ZAL groß geschrieben wird, ein Versuchslabor für Neueinsteiger oder ein Coworking Space ist es nicht und daher auch nicht geeignet für frisch gegründete Startups, die sich zudem wohl die Miete schlicht nicht leisten könnten. Schon einigermaßen etablierte Startups gehören dagegen sehr wohl zu den Mietern. Synergeticon und jetlite zum Beispiel, die während ihrer Zeit im Airbus BizLab, dem Accelerator von Airbus, bereits in der Luftfahrtbranche Fuß gefasst haben und jetzt die Netzwerkmöglichkeiten im Forschungszentrum nutzen.
Die stehen bei vielen Gelegenheiten auch Außenstehenden offen, sei es auf Fachkongressen oder an lockeren Abenden mit Bier und Bratwurst. Da lohnt sich die etwas längere Anreise nach Finkenwerder mit der Fähre ab Teufelsbrück oder mit dem Auto, die auf einem Parkplatz endet, der optisch an eine Flugzeuglandebahn erinnert. Im ZAl dreht sich eben überall alles um die Luftfahrt.
Fotos: ZAL