HERMANN’S: Dieses Restaurant ist ein Labor für Food-Trends
Bei unserem Food Innovation Camp am 20. Mai geht es auch um die Zukunft der Gastronomie. Wie die aussehen könnte, lässt sich beispielsweise im Berliner HERMANN’S besichtigen. Wir haben uns umgeschaut in dem Unternehmen, das mehr ist als nur ein angesagtes Restaurant.
Der Leibnitz Keks, benannt nach dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz, steht gleich für eine ganze Reihe von Innovationen. Ursprünglich hießen die kleinen Gebäckstücke Leibnitz Cakes, aber da viele Kunden Probleme mit der richtigen Aussprache hatten, wurde die Schreibweise in „Keks“ geändert. Ein neues deutsches Wort war entstanden. Ebenfalls bahnbrechend waren die lange Haltbarkeit der Kekse, ihre Herstellung im Fließbandverfahren und unverwechselbare Markenelemente wie die 52 abgerundeten Zähne oder das einer ägyptischen Hieroglyphe nachempfundene Logo.
Da liegt es ziemlich nahe, dass ein Unternehmen, welches Food-Innovationen zu seinem Markenzeichen machen will, sich den Urvater der Kekse, Hermann Bahlsen, zum Vorbild nimmt und sich HERMANN’S nennt. Erst recht, wenn eine der beiden Gründerinnen Verena Bahlsen heißt und die Urenkelin von Hermann ist. Ihre Mitgründerin Laura Jaspers hat ebenfalls Bahlsen-Wurzeln, sie kommt vom Stammhaus in Hannover, das auch das HERMANN’S unterstützt.
Müllvermeidung und sorgfältige Produktauswahl sind wichtige Themen bei HERMANN’S
Das in Berlin beheimatete Startup hat zwei Adressen. Das Büro befindet sich in Kreuzberg, das Restaurant in der Torstraße im Bezirk Mitte. Auf der Speisekarte stehen überwiegend vegetarische und vegane Gerichte – in englischer Sprache übrigens, denn das Team stammt aus mehr als zehn Nationen, daher ist die Umgangssprache Englisch. Die Küche verwendet bevorzugt regionale und saisonale Produkte, allerdings kann nicht alles aus dem benachbarten Brandenburg kommen. Ein Renner ist beispielsweise der vegane Burger mit einem Patty aus der aus Südostasien stammenden Jackfruit.
Auch Fleisch ist nicht grundsätzlich tabu; gelegentlich bietet das HERMANN’S sogar Wild an. Hier arbeitet das Restaurant möglichst mit lokalen Partnern. Dabei wird automatisch die Verpackung zum Thema. Insbesondere kleine Anbieter verpflichtet die Verpackungsregulierung, Wildbret zu vakuumieren, und das geht nur mit Plastik. Müllvermeidung steht auch anderen Lebensmitteln im Fokus, etwa bei der Verwendung von Glasflaschen. Diese sind zwar teurer, sind es dem HERMANN’S aber wert.
Das sind nur zwei Beispiele für große und kleine Entscheidungen und Fragen rund um die Speisen, die täglich serviert werden. Auf dem Weg zu Zero Waste muss die Restaurantmanagerin Erica Fernandez noch einige Kompromisse eingehen, in vielen Bereichen ist die Lieferkette der Lebensmittelindustrie darauf momentan nicht eingestellt.
Eine andere Innovationsbremse kann die Novel-Food-Verordnung der EU sein, die für neuartige Lebensmittel einen Unbedenklichkeitsnachweis verlangt, was grundsätzlich natürlich nicht falsch ist. Momentan bremst sie aber zum Beispiel noch einen Zuckerersatz aus der chinesischen Mönchsfrucht, der keine Kalorien enthält, den Insulinspiegel nicht steigen lässt und bis zu 200 Mal süßer ist als herkömmlicher Zucker. Die Bäcker des HERMANN’S experimentieren bereits mit Mönchsfrucht, um Erfahrungen über ihre Eigenschaften zu sammeln.
Okaramehl und mehr im Store
In anderen Ländern ist der Zuckerersatz längst erhältlich, im Store des Restaurants aus dem genannten Grund noch nicht. Dafür kann man dort unter anderem Okaramehl von Renewal Mill kaufen. Das Mehl ist schon seit mehreren Monaten bei HERMANN’S im Test und wird inzwischen bei vielen Backwaren verwendet. Okara ist ein vielseitig nutzbares Nebenprodukt bei der Herstellung von Tofu und damit ein gutes Beispiel für Upcycling in der Lebensmittelbranche.
Solche Trends und Produkte und die Menschen dahinter aufzuspüren ist die andere Kernkompetenz von HERMANN’S. Das geschieht nicht nur zum Wohl des eigenen Restaurants, das auch als Experimentierfeld dient und für Events gemietet werden kann. Ungefähr die Hälfte des Teams, das insgesamt um die zwanzig Personen zählt, ist mit dem Aufspüren und Bewerten von Innovationen befasst, unter dem Motto: „Findig im Finden.“ Hier wird ständig über unsere Ernährung und die dahinterstehende Industrie nachgedacht. In etablierten Unternehmen ist das bisher nicht genügend der Fall, noch ist der Erfolg zu groß und der Druck, sich verändern zu müssen, zu klein.
Netzwerkpartner für den Mittelstand
Gleichzeitig wächst zumindest im Mittelstand der Branche das Bewusstsein, dass ein „Weiter so“ nicht mehr lange gutgehen kann. Hier setzt das zweite Geschäftsmodell von HERMANN’S an. Das Startup fungiert als Beratungsagentur für Lebensmittelunternehmen. Wobei der Begriff „Beratung“ intern gar nicht so geschätzt wird. „Netzwerkpartner“ trifft es vielleicht besser, denn der wertvollste Schatz, den HERMANN’s zu bieten hat, sind die vielen Kontakte zu Quer- und Neudenkern. Die Zukunft muss dabei gar nicht immer in technologischen Lösungen liegen. Altbewährte Produkte neu zu entdecken und interpretieren, kann ebenso innovativ sein. Vielleicht lohnt es sich ja beispielsweise, vergessene europäische Urgetreide in das 21. Jahrhundert zu bringen.
Im HERMANN’S wird bereits mit den alten Getreidesorten Emmer und Einkorn gebacken, womit wir wieder im Restaurant angekommen wären. Dieses galt zu Beginn als Hipstertreffpunkt und eine Art Coworking Space. Junge, internationale Menschen mit Laptop stellen immer noch die Mehrheit der Gäste, aber mittlerweile findet ein diverseres Publikum verschiedenster Altersgruppen den Weg in die Torstraße. Eine erfreuliche Entwicklung, denn wirkliche Änderungen im Umgang mit Lebensmitteln sind nur dann möglich, wenn sie nicht nur in einer kleinen Blase stattfinden, sondern auf breites Interesse stoßen.
Nicht verpassen: das Food Innovation Camp 2019!
Ihr wollt noch mehr erfahren über Innovationen aus der Gastronomie und der Lebensmittelbranche? Ihr interessiert euch auch für nachhaltige Non-Food-Produkte und die Logistik der Zukunft? Dann solltet ihr unbedingt am 20. Mai zum Food Innovation Camp 2019 in die Handelskammer Hamburg kommen! Dort gibt es ein großartiges Programm mit tollen Ausstellern, Vorträgen, Panels und Workshops, der Verleihung des FIC 2019 FOOD AWARDS, besten Gelegenheiten zum Netzwerken mit Entscheidern aus der Branche und vielem mehr. Tickets bekommt ihr hier!