Handelskammer fordert Gründungsoffensive für Hamburg
Wie stark – oder schwach – ist der Gründungsstandort Hamburg? Diese Frage sorgte gerade in den letzten Monaten immer wieder für kontroverse Diskussionen. Die Handelskammer Hamburg legt jetzt nach mit einem Forderungskatalog, dessen Ziele unter anderem eine bessere Bündelung der Kräfte und eine stärkere Profilierung sind. Wir fassen die wichtigsten Punkte zusammen.
Am Mittwoch, den 10. Juni hatte die Handelskammer Hamburg und der ihr zugeordnete Ausschuss Unternehmensgründung zum digitalen Pressegespräch geladen und startete mit einer Präsentation eher ernüchternder Daten und Fakten. Demnach sei Hamburg als Startup-Metropole von Berlin und auch München weit entfernt und müsse zudem aufpassen, nicht auch noch von Aufsteigern wie Leipzig überholt zu werden. Es fehle zum Beispiel ein klares Profil, ein deutlich erkennbarer Branchenschwerpunkt, der bundesweite oder gar internationale Strahlkraft habe.
Eine zentrale Forderung: eine zentrale Instanz
Als ein Grund wurde das Fehlen einer zentralen Instanz genannt. Hamburg hat eine Reihe durchaus effektiver privater und staatlicher, von Wirtschaft und Wissenschaft getragener Programme und Institutionen, die aber zu selten ihre Kompetenzen bündeln. Das macht es Gründerinnen und Gründern schwer, den Überblick zu behalten und sich an die für sie jeweils relevanten Stellen zu wenden. Hier wünscht sich die Handelskammer eine zentrale Anlaufstelle, ohne dabei die vorhandene Vielfalt aufgeben zu wollen. Und am besten eine mit übergreifenden Zuständigkeiten ausgestattete Person, die alle Parteien des Ökosystems an einen Tisch bringt.
Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf Umfang und Form der bestehenden finanziellen Förderungen. Hier liegt der Fokus bisher vor allem auf dezidiert innovativen und stark technologieorientierten Geschäftsmodellen. Die machen aber nur einen kleinen Teil der Neugründungen und damit der wirtschaftlichen Stärke Hamburgs aus. Daher sieht der Forderungskatalog eine Ausweitung der Förderkriterien vor. Andererseits wurde bei dem Pressegespräch die schon erwähnte Branchenprofilierung thematisiert. Wasserstofftechnologie ist schon länger im Gespräch, für Startups aber meist zu komplex; künstliche Intelligenz und ihre kommerzielle Nutzung könnte ein lohnendes Thema werden. Aber schauen wir uns die in zwei Kategorien zusammengefassten Forderungen einmal genauer an:
Teil A – Stärkung des Gründungsstandorts Hamburg
- Politisches Mindset schaffen
(„Chief Founders Officer“ und Gründungsoffensive etablieren, Profil des Gründungsstandorts Hamburg schärfen, „One-Stop-Shop“ einrichten) - Dachmarke und Imagekampagne launchen
(Dachmarke „StartYourBusinessInHamburg“ etablieren, Leuchtturmprogrammatik entwickeln, Transparenz im Ökosystem herstellen, Kommunikationsstrategie entwickeln, für Vernetzung & Kollaboration sorgen, „Mentoren-Transfer-Programm“ aufbauen) - (IT-)Fachkräfte für Hamburg gewinnen
- Kapital- und Ressourcenzugang optimieren
(Förderprogramme optimieren, Zugang zu Risikokapital und Ressourcen verbessern) - Jungen Gründergeist fördern
(Entrepreneurship im Lehrplan verorten, Anreizvergütung für Lehrkräfte schaffen) - Investitionsprogramm und Monitoring schaffen
(Investitionsprogramm für den Gründungsstandort aufsetzen, „Round Table“ und Monitoring implementieren)
Schlagworte wie „Chief Founders Officer“ und „One-Stop-Shop“ stehen für das Konzept, eine zentrale Instanz und eine zuständige Anlaufstelle für Gründungsthemen zu etablieren. Die Kommunikation dieser neuen Strukturen könnte unter der Dachmarke „StartYourBusinessInHamburg“ erfolgen, die bisher allerdings nur auf dem (virtuellen) Papier existiert. Das gilt selbstverständlich auch für die zusätzlichen Förderprogramme. Für den großen Wurf sind da wohl viel Geduld und Hartnäckigkeit erforderlich. Man denke nur an den seit Jahren angekündigten und auf 100 Millionen Euro ausgerichteten Wachstumsfonds, dessen Verwirklichung immer noch nicht absehbar ist.
Ebenfalls längst noch nicht am Ziel ist das Programm „ahoi digital“, das bis zu 1.500 zusätzliche Informatik-Studienplätze schaffen sollte. Kurzfristig nützt das Gründungswilligen, die händeringend Software-Spezialisten suchen, sowieso wenig. Langfristig könnte aber die Idee, technisches Know-how und auch Entrepreneurship mehr Platz auf den Lehrplänen der Schulen einzuräumen, dem Standort helfen. Da momentan krisenbedingt sowieso über zahlreiche Veränderungen im Schulbetrieb diskutiert wird, ist da vielleicht sogar einiges möglich. Womit wir beim Thema Corona und dem nächsten Forderungskatalog angekommen sind:
Teil B – Aktuelle Herausforderungen – Gründerinnen und Gründer in der Coronakrise
- Liquidität für Jungunternehmen schaffen
(Zugang zur Hamburger Corona Soforthilfe (HCS) auch für Jungunternehmen ermöglichen) - Soforthilfen auch für Neustarter ermöglichen
(Förderlücke für Neugründer schließen) - Förderphase 1 des Gründungszuschusses verlängern
- Gründertum konsequent ankurbeln
(Maßnahmenpaket Gründertum entwickeln, „Kultur des Scheiterns“ nach Corona neu gestalten)
Hier spricht die Handelskammer Hamburg die Lücken an, die die Soforthilfeprogramme sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene aufweisen. So können Startups, die bisher noch keine Förderung beispielsweise durch die IFB Innovationsstarter GmbH bekommen, keine Hamburger Corona Soforthilfe beantragen. Auch wer mit seinem neuen Unternehmen erst nach dem 11. März offiziell gestartet ist, geht bisher leer aus. Über die Zeit der Corona-Krise hinaus möchte die Handelskammer Hamburg zudem eine neue Kultur des Scheiterns anregen, die eine Firmenpleite nicht grundsätzlich als Makel ansieht. Das würde auch negative Einträge bei Schufa und Kreditreform relativieren.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Die beschriebenen Punkte stellen einen Forderungs-, keinen Maßnahmenkatalog dar. Der gerade neu konstituierte rot-grüne Senat wird daraufhin nicht gleich seinen Koalitionsvertrag umschreiben. Einiges lässt sich aber auch ohne Beteiligung der Politik relativ schnell zumindest anschieben. Und die Diskussion über den Gründungsstandort Hamburg hält das Dokument auf jeden Fall lebendig.
Beitragsbild: Handelskammer Hamburg