Hamburg – Israel: Partner in der Startup-Welt
Hamburg bezeichnet sich stolz als das Tor zur Welt und möchte diesen Status auch gern für die Startup-Welt erlangen. Da liegt es nahe, noch engere Kontakte mit Israel zu knüpfen, einer der global führenden Startup-Nationen. Ein Beitrag dazu war die Veranstaltung „Moin Hamburg, Shalom Israel“ im Mindspace. Hamburg Startups war natürlich auch vor Ort.
Israel, ein Staat mit knapp 8,5 Millionen Einwohnern, hat mehr Startups pro Kopf als jedes andere Land der Welt. Allein im Jahr 2015 gab es rund 1.400 Neugründungen. Auch die Investmentquote ist höher als irgendwo sonst, ebenso der Anteil an Menschen, die in der Techbranche arbeiten. 82 israelische Unternehmen sind an der amerikanischen Börse Nasdaq gelistet; nur die USA und China sind dort stärker vertreten.
Beeindruckende Zahlen, die die wirtschaftliche Sonderstellung des kleinen Landes im Nahen Osten dokumentieren. Zu hören waren sie am vergangenen Mittwoch bei einer Veranstaltung, die die Deutsch-Israelische-Gesellschaft (DIG) organisiert hat. Gastgeber waren der Hamburger DIG-Vorstand Stefan Hensel und als treibende Kraft Andrea Frahm, die langjährige und vielfältige Kontakte zu israelischen Gründern hat. Der Ort des Geschehens, das Mindspace, passte auch hervorragend zum Thema, handelt es sich hier doch um ein Unternehmen, das seinen Ursprung in Tel Aviv hat, der Startup-Hauptstadt Israels.
Mindspace-Gründer Dan Zakai war dann auch der erste Redner des Abends; aus seinem Vortrag stammen die eingangs genannten Daten und Fakten. Dan erzählte von seinem Weg von Investmentbanker zum Gründer und wie dabei die Leidenschaft über das Sicherheitsdenken siegte. Er nannte noch eine Reihe weiterer Eigenschaften, die neben der Leidenschaft für israelische Startups typisch seien:
- schnelle Entscheidungen
- Improvisationskunst
- Motivation
- ein direkter Ansatz – die Formulierung „Tacheles reden“ hat nicht zufällig ihren Ursprung in der jiddischen Sprache
Einen Kritikpunkt hatte Dan auch: In Israel werde zwar gerne und schnell gegründet, man wisse aber oft nicht, wie man skalieren solle. Kein Wunder in einem Land, dessen Markt für viele Produkte einfach zu klein ist, um wirklich groß werden zu können. Und dessen direkte Nachbarn aus vielen Gründen alles andere als ideale Handelspartner sind.
Also strecken israelische Startups ihre Fühler in alle Welt hinaus, in erster Linie natürlich nach den USA und Asien, aber auch verstärkt nach Europa und hoffentlich Hamburg. Die Vorteile dieses Standorts verdeutlichte May-Lena Bork von nextMedia.Hamburg, selbst ein wichtiger Faktor im hiesigen Ökosystem. In ihrer Präsentation zeigte sie die ganze Vielfalt der Szene mit all ihren Initiativen, Netzwerken, Acceleratoren und auch international erfolgreichen Startups. Ach ja, Hamburg Startups und der Startup Monitor blieben auch nicht unerwähnt.
Ein Gründer aus Israel und seine Erfahrungen mit Hamburg
Ebenfalls nicht fehlen in der Aufzählung durfte der next media accelerator. Dieser von der dpa und fast allen großen Medienhäusern unterstützte Accelerator war schon immer international auf der Suche nach vielversprechenden Medien-Starups und dabei auch in Israel fündig geworden. Aktuell durchläuft Stadeom das sechsmonatige Programm. Gründer Yaniv Solnik erzählte von seinen ganz speziellen Hamburgerfahrungen: 2005 war er in die Produktion einer hier gedrehten interaktiven TV-Show involviert, bei der es irgendwie um Quizfragen und Strippen ging.
Interaktiv geht es auch bei seinem neuen Projekt zu, allerdings etwas seriöser. Nutzer können per App Video-Stories erstellen. Das läuft beispielsweise schon in Spanien und Italien, wo Fans Fußballidol Francesco Totti zum Geburtstag gratuliert haben. Was Yaniv in Hamburg aufgefallen ist: Die Deutschen sind gar nicht so pünktlich, wie alle Welt denkt. Der Hamburger Sommer ist so warm wie der Winter in Israel. Das Essen ist billig, und bei Fahrten auf der Autobahn ist mit längeren Staus zu rechnen. Wie immer es auch mit ihm und Stadeom weitergeht, Yaniv versicherte: „Hamburg will always stay in my heart.“
Neue und altbewährte Inititiativen für die deutsch-israelische Zusammenarbeit
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist nicht die einzige Institution, die sich für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern einsetzt. Auch der Bundesverband Deutsche Startups ist mit einem Programm dabei, das sich GISEP (German Israeli Startup Exchange Program) nennt. Die Idee entstand im Jahre 2015 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, seit September 2016 läuft das Programm. GISEP bietet umfangreiches Informationsmaterial, Meetups und Workshops und ein großes Netzwerk mit Experten aus beiden Ländern.
Thematisch noch breiter aufgestellt ist die bereits 1967 gegründete Deutsch-Israelische Wirtschaftsvereinigung (DIW). Dr. Eli Fel machte deutlich, wie eng und bedeutend die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten sind und weit über umstrittene U-Boots-Deals hinausgehen. So ist Deutschland der drittwichtigste Handelspartner für Israel, und israelische Unternehmen investieren hierzulande in stärkerem Maße als umgekehrt. Beide Länder profitieren in vielen Bereichen von den technologischen Spitzenleistungen, die dort jeweils erbracht werden.
Was kann die Politik speziell in Hamburg tun, um die Beziehungen noch zu intensivieren? Eine Menge, meinte Carsten Ovens, der sich für die CDU in der Hamburger Bürgerschaft mit Digitalthemen befasst. Er nannte die Visionen des US-Ökonomen Richard Florida als Vorbild. Florida spricht von der „kreativen Klasse“, die eine urbane Gesellschaft prägt und die drei Ts „Technologie, Talent und Toleranz“ vereinen sollte. Carsten ist einer der Botschafter von GISEP (wie auch Andrea Frahm) und ist in Gesprächen, um einen Austausch zwischen Startups und etablierten Unternehmen aus der Hansestadt und Israel auf die Beine zu stellen. Beim Senat sei da noch Nachholbedarf.
Er benannte noch weitere Schwachstellen in Hamburg: der stockende Breitbandausbau, zu wenig Entrepreneurship an den Hochschulen oder der groß angekündigte Innovations-Wachstumsfonds, der bis zu 100 Millionen Euro schwer werden sollte und nicht vorankommt. Alles berechtigte Kritikpunkte, die dann allerdings mit Israel nicht viel zu tun haben. Leider konnte auch kein Vertreter der regierenden Parteien dazu Stellung nehmen.
Israel: gerade für Startups eine Reise wert
Insgesamt bot die Veranstaltung eine Menge Informationen und inspirierte dazu, sich noch intensiver mit der israelischen Startup-Szene zu beschäftigen. So ziemlich jeder, der schon in Tel Aviv war, schwärmt von der Atmosphäre und dem Gründergeist der Stadt. Die ist von Hamburg aus nonstop erreichbar, also nichts wie hin!
Bild ganz oben: Stefan Hensel (DIG), Lukas Wiese (Bundesverband Deutsche Startups), May-Lena Bork (nextMedia.Hamburg), Dan Zakai (Mindspace), Andrea Frahm (DIG), Carsten Ovens (MDHB, CDU), Yaniv Solnik (Stadeom) und Dr. Eli Fel (DIW).
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