Hamburg Innovation Summit 2016 – ein echtes Gipfeltreffen
„Hamburg ist Innovationshauptstadt“, sagte der 1. Bürgermeister Olaf Scholz als Schirmherr des 2. Hamburg Innovation Summit in seiner Rede, die die Verleihung der Innovation Awards einleitete, und wer sich in den Stunden davor das Programm der Großveranstaltung angesehen hatte, konnte kaum widersprechen. Wir geben einen Überblick.
Die Premiere feierte der Hamburg Innovation Summit letztes Jahr im Speicher am Kaufhauskanal in Harburg, einer im postiven Sinn gemütlichen Location mit begrenztem Platzangebot. Dieses Jahr, genauer gesagt am 30. Mai, war alles mindestens zwei Nummern größer. ZAL TechCenter hieß der Schauplatz, das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, erst im März 2016 in Finkenwerder eröffnet und weltweit das modernste seiner Art. Ein Event wie der Summit dürfte an diesem Ort einmalig bleiben, denn normalerweise wird dort im ganz großen Stil an der Zukunft der Aeronautik gearbeitet.
Das passt natürlich perfekt zu einer Veranstaltung, die sich das Thema „Innovation“ auf die Fahnen geschrieben hat. Und da die zur Verfügung stehenden Hallen richtig viel Platz boten (schließlich müssen da ganze Flugzeuge reinpassen), gab es auch so viel Programm, dass hier gar nicht der Versuch gemacht werden soll, jeden einzelnen Punkt angemessen zu würdigen. Nur so viel: Vorträge, Diskussionsrunden, Barcamp, Master Classes, Pitches und auf dem Außengelände elektrische Rennwagen – alles dabei und noch viel mehr.
Startups waren die Hauptdarsteller beim Hamburg Innovation Summit
Konzentrieren wir und also auf das, was unser Lieblingsthema ist, nämlich Hamburger Startups. Die fanden sich geballt auf der Future Candy Expo. Den 675 männlichen und 280 weiblichen Gästen (so viele waren jedenfalls angemeldet) präsentierten 60 Aussteller sich und ihre Erfindungen, wobei es einige Schwerpunktthemen gab.
Eines davon war „Aerospace“. Ganz vorn dabei in diesem Bereich natürlich das Airbus BizLab. Der Accelerator des Flugzeugherstellers hatte sechs seiner Schützlinge vor Ort, ein internes Projekt und fünf Startups. Da ging es um Fehlermanagement, Müllminimierung, digitale Produktionsprozesse, Big Data und Datenübertragung durch Licht, Li-Fi genannt, die in naher Zukunft WLAN zumindest ergänzen soll.
Mit Blaulicht gegen Jetlag
Mit Licht beschäftigt sich auch bei jetlite. Dieser BizLab-Schützling will dem Jetlag den Kampf ansagen, mit dem Vielflieger nicht nur wegen der Zeitverschiebung zu kämpfen haben. Verantwortlich für den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers ist das Hormon Melatonin, und dessen Produktion lässt sich durch die Art der Beleuchtung beeinflussen. Verkürzt gesagt: Abends ist ein hoher Rotanteil sinnvoll, morgens ein hoher Blauanteil. jetlite hat nun ein Beleuchtungskonzept für Flugzeuge entwickelt, dass diese Tatsachen berücksichtigt und bei richtiger Anwendung den Jetlag um gefühlte drei Stunden verringern kann. Erste Test waren erfolgreich, Gespräche mit Fluggesellschaften laufen bereits.
„New Mobility“ gehörte ebenfalls zu den buchstäblich omnipräsenten Themen, denn überall flitzten Leute auf den Elektrorollern von Egret herum, und der schon erwähnte Formel-Rennwagen von e-gnition drehte regelmäßig lautstark seine Runden. Auch dabei: alte Bekannte wie Lampuga, Mellow oder Floatility. Bisher noch nicht öffentlich in Erscheinung getreten war dagegen Nüwiel. Das vom Startup Dock der TU Harburg unterstützte Team hat einen elektrisch getriebenen Fahrradanhänger entwickelt.
New Mobility aus Hamburg für den Weltmarkt
Eine Last von bis zu 150 Kilogramm kann der Anhänger transportieren, ohne dass es die Person auf den Fahrrad eine zusätzliche Anstrengung kostet, im Gegenteil: geht es bergauf, schiebt das Gefährt sogar an. Nüwiel möchte mit seiner Erfindung kleinere Transporte weg bekommen von Autos und damit etwas gegen die Luftverschmutzung tun. Das könnte vor allem in Asien funktionieren, wo das Fahrrad als Verkehrsmittel eine besonders große Rolle spielt, aber auch im Rest der Welt.
Ums Energiesparen und weniger CO2-Ausstoß geht es auch bei vilisto. Bis zu 30 % niedrigere Heizkosten versprechen die „Smart Tech“-Experten mit ihrem intelligenten Heizkörperthermostat. Das Gerät misst über Sensoren, ob sich jemand im Raum befindet – Bewegungen, Geräusche und Lichtnutzung sind dabei die Kriterien – und regelt entsprechend die Heizung. Auch der Wetterbericht wird für die Berechnung der idealen Raumtemperatur zu Rate gezogen. Die Montage des Thermostats soll ganz einfach sein und kann auch von Mietern vollzogen werden. Am Design wird noch gefeilt, Besucher des Summits konnten über ihren Lieblingslook abstimmen.
Virtual Reality wird das nächste große Ding – jetzt aber wirklich! Das hört man schon seit ein paar Jahren, 2016 könnte es endlich wahr werden. Davon ist zumindest Fachjournalist Jan-Keno Janssen vom c’t Magazin überzeugt. Er führte auf der großen Bühne durch die VR-Welt mit all ihren Möglichkeiten. Für Nicolas Chibac von SpiceVR, der ebenfalls einen Vortrag halten konnte, hat sich die Prophezeiung schon erfüllt, er hat mit seiner Drohne Spherie, die 360-Grad-Filme und -Scanns macht schon für Furore gesorgt.
Livekonzerte auf fernen Planeten
So weit ist das Startup Noys noch nicht, doch dessen Idee hat durchaus Charme und Potenzial. Noys veranstaltet Konzerte in virtuellen Welten, bei denen sowohl Künstler als auch Zuschauer in ihren Wohnzimmern bleiben können. Ein aufgezeichnetes Beispiel mit der Musikerin Jule Koller gab es auf dem Summit zu sehen. Der Zuschauer wird dabei durch eine von Mondlicht beschienene Fanatasielandschaft geführt, die mal an Sylt, mal an einen fernen Planeten erinnert – oder an etwas ganz anderes, das liegt im Auge des Betrachters. Am Ende des Weges wartet dann Jule und singt und spielt ihr Lied. Etwas kitschig das alles, aber auch sehr schön. Die Konzerte werden kostenlos sein, Geld verdienen will Noys über Billboards, die in der virtuellen Landschaft platziert sind.
Und jetzt machen wir den Sprung zurück in die Realität und zu den Hamburg Innovation Awards, die Moderatorin Alina Wegner zusammen mit der Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank präsentierte. Ausgezeichnet wurden Startups und Unternehmen in vier Kategorien. In der ersten, IDEE, waren Projekte nominiert, die noch vor der eigentlichen Gründung stehen. Gewonnen hat mit HiDoc eine App, die chronisch Kranken ihr Alltagsleben erleichtern soll. Für sie und die Siegerteams der nächsten beiden Kategorien gab es ein Preisgeld von 5.000 Euro und einen Gründerkoffer mit allerlei nützlichen Dienstleistungsangeboten.
Die Kandidaten der Rubrik START sind schon ein paar Schritte weiter, wie etwa die Gewinner von bentekk. Die haben für ihr Messgerät für toxische Gase bereits eine sechsstellige Finanzierung bekommen und können ihrer Titelsammlung (1. Platz beim GründerGeist) nun den Hamburg Innovation Award hinzufügen.
Mindestens fünf Jahre am Markt und natürlich wirklich erfolgreich sein muss ein Unternehmen, dass in der Kategorie WACHSTUM reüssieren will. Am meisten überzeugen konnte die Jury DERMALOG mit biometrischen Identfikationssystemen. Wem das zu kompliziert klingt: Es geht um Fingerabdrücke. Und dann gabe es noch einen zusätzlichen Preis für den Bereich NACHHALTIGKEIT, ohne Gründerkoffer, dafür aber mit 15.000 Euro dotiert. Das Geld bekommen hat Pipe Hydro Energy, wo man sowieso durch Rohrleitungen fließendes Wasser zur Energieerzeugung nutzen will.
Wetter gut, alles gut
Und das wars dann auch, eine prallvolle Veranstaltung endete mit einem Food Truck-Buffet und wurde von einem angekündigten Unwetter verschont, nur ein kurzer Schauer unterbrach den sonnigen Tag. Der Dank galt natürlich den Hauptsponsoren Airbus, IFB und der Sparkasse Harburg-Buxtehude. Lobend erwähnen sollte man auch den hypermotivierten Nick Sohnemann und seine Future Candy-Crew und ganz besonders das Team vom Startup Dock um Projektmanagerin Anette Eberhardt. Das war ziemlich großes Kino, und man darf schon jetzt gespannt sein, welche Innovationen uns nächstes Jahr erwarten!
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