Gute Leute beim dritten Startup Slam von 12min.me
Der Goldene Anker – ist das nicht eine Kneipe auf St. Pauli? Ja, auch das, aber in der Hamburger Startup-Szene denkt man bei dem Begriff inzwischen eher an den Preis, den die besten Pitchslammer für ihre Darbietungen gewinnen können. Vergangenen Donnerstag war es wieder so weit, und wie nicht anders zu erwarten, waren jede Menge gute Leute am Start.
Zum dritten Mal hatte am 26. November das unermüdliche Team von 12min.me zum Startup Slam geladen. Schauplatz war an diesem Abend das Greenhouse Innovation Lab von Gruner + Jahr in der Schanze. Zu Erinnerung hier kurz die Regeln dieses Wettbewerbs: Sechs Startups präsentieren sich jeweils sechs Minuten, eine Jury hat dann weitere sechs Minuten Zeit für Nachfragen. Bisher alles wie von anderen Pitchveranstaltungen gewohnt. Der Unterschied: Nicht die Jury bestimmt den Sieger des Abends, sonders das Publikum per Applaus, je lauter, desto besser. Es gilt also, die Sympathien der Zuschauer zu gewinnen, dabei sind auch Showeffekte erlaubt, die bei normalen Pitches eher deplaziert wirken könnten.
Den Anfang macht eine der Favoritinnen: Sabela García Cuesta stellt ihr Gute Leute Magazin vor, welches schon bei einer erfolgreichen Crowdfunding Kampagne bewiesen hat, dass es einen Nerv trifft. Die kostenlose Erstausgabe der englischsprachigen Zeitschrift wird diese Woche erscheinen und Geschichten von Menschen erzählen, die Hamburg als ihre Heimat bezeichnen, unabhängig davon, wo ihre Wurzeln liegen.
Weitere Ausgaben sind geplant, die dann vermutlich sieben Euro kosten werden. Wer sich eines der ersten Hefte mit vielen Fotos, Features und Stories sichern möchte, sollte wachsam sein; die Auflage von 1.500 Exemplaren, unter anderem im betahaus zu finden, wird schnell vergriffen sein. Die Premiere ihre Zeitschrift ist übrigens nicht das einzige, was Sabela in diesen Tagen feiern kann; zeitgleich fängt sie als Nachfolgerin von Jenni Schwanenberg beim next media accelerator an!
Gestern noch beim Fraunhofer Institut, heute bei Startup Slam. Robert Heinecke von Breeze kommt rum mit seinem Pitch und fasst dabei jede Menge heiße Eisen an: auf Bildschirme übertragene Sonnenaufgänge in Peking, die wegen der Luftverschmutzung sonst nicht zu sehen sind, Smog auch in Paris, Abgasskandal bei VW, sieben Millionen Tote durch vergiftete Luft. Ganz klar, Datenbeschaffung und Aufklärung tun Not, und die Sensoren von Breeze können da einen wichtigen Beitrag leisten.
Eine normale Messtation kostet jeweils bis zu 250.000 Euro in der Anschaffung und im jährlichen Betrieb, die Sensoren schlagen nur mit 599 Euro pro Jahr inklusive Cloud-Service zu Buche und können flächendeckend eingesetzt werden. Das ist für Unternehmen wie Städte gleichermaßen attraktiv und soll später in einer noch günstigeren Variante auch Privatpersonen angeboten werden. Für den Pitch gibt es viel Applaus, aber ist es mehr als beim Gute Leute Magazin? Das wird natürlich noch nicht verraten!
Mit einem ernsten Thema beschäftigt sich auch das Duo von Foodnav. Millionen Menschen leiden unter Lebensmittelunverträglichkeiten oder -allergien. Einer von ihnen ist Alexander Wolff, der sich selbst als Chefallergiker bezeichnet. Zusammen mit Yasmin Ortega Quiñonez stellt er eine Online-Datenbank vor, die Betroffenen nicht nur die richtigen Produkte für ihre Bedürfnisse auflistet, sondern auch – ganz aktuell – Weihnachtsmärkte unter die Allergikerlupe genommen hat.
Viele weitere Features sind geplant, unter anderem eine Rubrik mit Restauranttipps. Aber das ist noch Zukunftsmusik, heute gibt es erst einmal garantiert allgemeinverträgliche Weihnachtskekse zu probieren. Wie die schmecken? Na ja, das ist dann am Ende eben Geschmackssache.
Und dann ist zum ersten Mal Showtime, zumindest ein bisschen. Gerabo ist eine Kundenkarte, die alles anders machen will als etablierte „Bösewichte“ wie Payback und Konsorten, denen 80 % der Konsumenten in Sachen Datensicherheit nicht über den Weg trauen.
Bei Gerabo bleibt der Nutzer anonym, versichert Daniel Sonnet in seinem lebhaft vortgetragenem Pitch, das funktioniert wie bei der alten Stempelkarte, und überhaupt: „Treuepunkte können sexy sein!“ 30.000 Kunden hat er schon, über die er aber nichts weiß, logisch, auch wenn ihm die Jury nicht so ganz glauben mag. Die Wachstumsrate ist prima, und dem Einzelhändler, der technisch noch nicht so auf der Höhe ist, stellt Gerabo eine einfache Box fürs Punktesammeln hin, „nix Raketentechnik, aber funktioniert!“
Wir wissen nicht so genau, wie die Versionen 1-3 ausgesehen haben, aber Swali sei auf jeden Fall Marktforschung 4.0, erklärt Gordon Prox im vorletzten Pitch beim Startup Slam. Die App ist seit kaum zwei Wochen auf dem Markt und hat noch keine tausend Nutzer, man muss also abwarten, ob sich das so bewahrheitet.
Zumindest demokratisiert sie die Marktforschung, denn hier kann jeder eine Umfrage starten und sich anonym und hyperlokal ein Stimmungsbild einholen zu einem aktuellen Thema oder zum Italiener um die Ecke. Damit sich Swali irgenwann rechnet, ist man aber dann natürlich doch wieder auf kommerzielle Anwender angewiesen, die zum Beispiel eine Befragung aktivieren, sobald ein Kunde ihren Laden betritt.
Nach fünf Hamburger Startups setzt schließlich ein Gast aus Kiel den Schlusspunkt. Torben Haase präsentiert FlowyApps und baut dabei auch auf das Thema Datenschutz. In seinen Pitch geht es darum, was die Cloud überhaupt ist (vereinfacht gesagt, eigentlich auch nur ein Computer, der irgendwo rumsteht) und wie er mit REDS eine Open Source Technologie entwickelt hat, die eine verschlüsselte Alternative darstellt.
Anfang 2016 soll sie erhältlich sein und vor allen datensensible Kunden wie beispielsweise Ärzte ansprechen. Eine komplizierte und eher spröde Materie, die es naturgemäß beim Publikum etwas schwerer hat, aber selbstverständlich trotzdem kräftigen Applaus bekommt.
Das waren sie also, die sechs Kandidaten, die jeweils am Ende ihrer Pitches bereits frenetisch bejubelt wurden. Da sich alles noch steigern lässt, bekommen sie jetzt noch eine letzte Gelegenheit, ihre Fans zu animieren. Kreisch, Jubel, klatsch, klatsch, klatsch, das Publikum lässt sich nicht lumpen, und wer gewonnen hat, ist nicht so einfach herauszuhören.
Die Messung mit einem Hightech-Präzisionsgerät ergibt dann allerdings das ebenso eindeutige wie irgendwie erwartete Ergebnis: Der Goldene Anker geht an Sabela! Ein Erfolgsgeheimnis verrät sie während der Preisverleihung: Sie trägt mit bunten Ankern verzierte Socken, da konnte natürlich nichts schiefgehen. Und um den Inhalt der nächsten Ausgabe muss sie sich auch keine Sorgen machen. An diesem Abend herrschte wahrlich kein Mangel an guten Leuten.
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