Groß, größer, OMR Festival 2022
Seit Tagen gab es in den sozialen Medien bei allen, die irgendwie mit Marketing zu tun haben oder schonmal beruflich im Internet unterwegs waren, gefühlt nur ein Thema: OMR ist wieder da! Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause kehrte das Business-Festival größer den je zurück. Mehr als 70.000 Gäste waren gekommen, darunter Weltstars wie Ashton Kutcher und Quentin Tarantino. Wir waren auch da und wagen den Versuch einer Zusammenfassung des Ereignisses.
Wirklich zu fassen bekommt man das OMR Festival kaum noch. Das komplette Gelände der Hamburg Messe nimmt mittlerweile das Spektakel ein, das, zumindest gemessen an den Besucherzahlen, zu einem der größten Branchenevents weltweit aufgestiegen ist. Viele Ereignisse dieser Kategorie hat Hamburg nicht zu bieten, entsprechend groß ist der Rummel. Und ohne dass genaue Zahlen bekannt sind, lässt sich davon ausgehen, dass das einst mit ein paar Hundert Leuten gestartete Event längst zum Multimillionengeschäft geworden ist.
Im Mittelpunkt bei OMR: die Conference
Die Expo mit über 500 Ausstellern ist nur eines der vielen Elementen, das die Massen anzieht. Hinzu kommen über 800 zum Teil äußert namhafte Speaker, die ihr Fachwissen auf zahlreichen Bühnen zum Besten geben. Oder in Masterclasses, für die man sich vorab bewerben musste. Attraktiv sind sicherlich auch die Konzerte mit Stars wie Materia und Kraftklub und neue Sub-Veranstaltungen zu Mobilität und Fintech. Die meiste Aufmerksamkeit zieht aber traditionell die Conference auf sich, für deren Zugangsberechtigung man deutlich tiefer in die Tasche greifen muss als für das normale Ticket, mit 49 Euro wirklich sehr fair bepreist.
Die Conference lebt von Überraschungen und besonders prominenten Gästen, aber es gibt auch einige immer wieder gern gespielte Standards. Der Auftritt des zu einer Art OMR-Maskottchens gewordenen Rappers Das Bo gehört dazu – dieses Mal als Covid-Patient – und der Beitrag des OMR-Machers Philipp Westermeyers unter dem Titel „State of the German Internet“. Dabei referiert er die von seinem Team zusammengestellten aktuellen Trends, Hits und Flops der Digitalwirtschaft.
Immer ein Thema: Trends, Hits und Flops
Der Vortrag brachte tatsächlich eine Fülle von durchaus nützlichen Informationen, hier nur eine kleine, willkürliche Auswahl:
- Bei Startups liegen Vornahmen im Trend.
- Der QR-Code ist präsenter denn je.
- Die Zahl der Börsengänge ist im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr in den USA erheblich zurückgegangen.
- Dokumentationen, auch eher simpel für YouTube gestrickt, bringen enorme Reichweiten.
- Shopping-Apps mit Gamification-Elementen sind zumindest in Asien der Renner.
- Tipps für effektives Marketing: populäre Posts mit Kommentaren für eigene Zwecke nutzen – Mails, die die Zustellung einer Bestellung ankündigen und entsprechend oft geöffnet werden, mit Werbung anreichern – auf lokale Meme-Seiten zugreifen – User animieren, Werbeclips zu drehen und zu posten.
Auch Scott Galloway ist bekannt für seine Analysen und Prognosen. Dabei gibt er sich besonders scharfzüngig, manche sagen auch, besonders arrogant. Galloway ist beinahe Stammgast bei OMR. Beinahe deshalb, weil 2019 ein Schneesturm seine Anreise aus den USA verhinderte und dieses Jahr eine Covid-Erkrankung. Vielleicht wirkte er deshalb etwas milder als sonst, fand zumindest zwiespältiges Lob für Elon Musk, pries die Segnungen von Familie und Freundschaften und ließ seinen Sohn Deutschland als kommenden Fußball-Weltmeister vorhersagen.
In einer Sache blieb er allerdings unbarmherzig: Mark Zuckerberg werde mit seinem Metaverse scheitern. Die VR-Brille Oculus sei die erfolglose Innovation der letzten Jahre, nur 2 % der amerikanischen Teenager würden ein VR-Headset nutzen. Unterschätzt seinen dagegen Airpods, die Minikopfhörer brächten echten Mehrwert. Und wenn ein Unternehmen in virtuellen Welten reüssieren könnte, dann sei es Apple.
Bei Ashton Kutcher wurde es richtig voll
Ein Mann, der besonders sehnsüchtig erwartet wurde, war Ashton Kutcher. Viele kennen ihn hauptsächlich als Hollywoodschauspieler, dabei ist die Liste seiner erfolgreichen Investments inzwischen deutlich länger und eindrucksvoller als die seiner Filme. Airbnb, Uber und Skype stehen darauf und Bitcoins hat er gekauft, als sie noch 25 US-Dollar pro Stück kosteten. Kutcher präsentierte sich als kompetenter Investor, seine Schauspielerkarriere spielte bei seinem OMR-Auftritt kaum eine Rolle.
Zwei emotionale Momente gab es, die beide mit seiner Frau Mila Kunis zu tun hatten. Die ist gebürtige Ukrainerin, in einer gemeinsamen Aktion haben sie innerhalb von zwei Wochen 35 Millionen US-Dollar für humanitäre Zwecke eingesammelt. Sein Appell: „Wir dürfen diesen Krieg nicht verlieren!“ Und als er auf die Frage, wer ihn besonders inspiriere, seine Frau nannte, sie sei auch seine beste Freundin, ging ein vielstimmiges „Aaaaahhhhh“ durch die riesige Halle.
Zurück zu OMR-Traditionen: Auch wenn der ursprüngliche Name Online Marketing Rockstars lautete, waren die musikalischen Gäste häufiger dem Hiphop- und Rap-Lager zuzuordnen. Das war bei dieser Ausgabe nicht anders. Als Überraschungs-Act war Sido aus Berlin angereist. Maske trägt er schon lange nicht mehr. aber mit Vollbart, tief in die Stirn gezogenem Hut und Sonnenbrille war er auch so gut getarnt. Die anderen Gäste aus der Musikfraktion waren nicht zum musizieren da, denn Geschäftstüchtigkeit ist in diesem Genre besonders ausgeprägt und bot genug Stoff für mehrere Programmpunkte.
Jede Menge Rap-Stars und Kinolegende Quentin Tarantino
So erzählte Elvir Omerbegovic von seinen Erfolgen als Gründer der Musik-Labels Selfmade Records und Division. Auch der Rapper Xatar, der einst für den Überfall auf einen Goldtransporter im Gefängnis saß, ist Label-Chef, mit Köfte und Eis in der Food-Branche am Start und im Herbst kommt ein Film von Fatih Akin über sein turbulentes Leben in die Kinos. Shirin David schließlich ist nicht nur erfolgreiche YouTuberin und Musikerin, sie hat den Eistee DirTea auf den Markt gebracht und zusammen mit Douglas ein Parfüm. Vor allem darüber sprach sie mit Tina Müller, Vorstandschefin von Douglas.
Bei so geballter Prominenz geriet der Zeitplan etwas durcheinander, und der absolute Höhepunkt sollte noch folgen. Der Ausnahmeregisseur und zwei Mal mit dem Oscar ausgezeichnete Drehbuchautor Quentin Tarantino gab sich die Ehre. Interviewt von Steven Gätjen, tat er sich etwas schwer, sich als Marke bezeichnen zu lassen, und erzählte Anekdoten aus seinem Filmschaffen. So kam ihm die Idee, Hitler in „Inglourious Basterds“ sterben zu lassen, nicht gleich am Anfang des Schreibens, sondern irgendwann mitten in der Nacht. Am nächsten Morgen war das immer noch eine gute Idee und der Rest ist Filmgeschichte.
Geht bei OMR 2023 noch mehr?
Geschichte ist nun auch das OMR Festival 2022; die nächste Ausgabe ist für den 9. und 10. Mai geplant. Ob dann noch einmal eine Steigerung möglich ist? Man kann drüber streiten, ob nicht schon in diesem Jahr alles ein wenig zu groß, zu kommerziell, einfach zu „zu“ war. Ungeachtet dessen ist dem gesamten OMR-Team ein riesiges Kompliment zu machen für ein Ereignis, bei dem Hamburg zweifellos in der ersten Liga spielt. Und das ist bekanntlich längst nicht immer der Fall.