Geschichten von der Hamburg Games Conference
Storytelling ist eine Disziplin, die mittlerweile fast jeder beherrschen sollte. Professionelle Erzähler und Journalisten sowieso, aber auch Startups, die Aufmerksamkeit und Sympathie erzielen wollen. Und natürlich gilt das auch für die Gamesbranche. Dementsprechend stand die 8. Hamburger Games Conference ganz im Zeichen des Storytelling. Hier ist unsere Version der Geschichte.
Jede ordentliche Story hat eine Reihe von Kapiteln und oft auch eine Einleitung. Für die sorgten in der Bucerius Law School, dem Schauplatz der Handlung, ein paar Begrüßungsworte und -reden. Gehalten wurden die von Jana Schiedeck, Staatsrätin der Kulturbehörde, Dr. Ralph Oliver Graef und Dr. Christian Rauda von GRAEF Rechtsanwälte, die die Games Conderence seit Jahren unterstützen, und Oliver Redelfs von gamecity:Hamburg, dem anderen Hauptveranstalter. Aber genug der Vorreden, lasset die Spiele beginnen.
Und zwar im England des 12. Jahrhunderts. Da spielt nämlich Ken Folletts Erfolgsroman „Die Säulen der Erde“, der gerade von dem Hamburger Unternehmen Daedalic Entertainment als Videospiel adaptiert wird. Narrative Designer Valentina Tamer erzählte von den Herausforderungen, die eine solche Umsetzung mit sich bringt. Das Storytelling funktioniert in den Gattungen Roman und Game sehr unterschiedlich. Es gilt, die Balance zwischen Spiel- und Erzählgeschehen zu finden und die Geschichte spielbar zu machen, ohne sie zu sehr zu verändern.
Unterschiedliche Genres brauchen unterschiedliches Storytelling
In diesem Prozess bekommen manche Figuren eine große Rolle als im Buch oder werden zusätzliche Handlungsstränge eingeführt, um Rätselaufgaben stellen zu können. Dafür werden andere Elemente aus der Vorlage gestrichen, beispielsweise weil für Spiele Altersbeschränkungen gelten, die es der Literatur nicht gibt. Ob das alles gelungen ist, wir sich bald zeigen. Das Game „Die Säulen der Erde“ wird noch in diesem Jahr in drei Teilen veröffentlicht.
Während Bücher – nach der mündlichen Erzählung – eine Urform des Storytelling darstellen und auch Videospiele bereits seit einigen Jahrzehnten existieren, steht die Virtual Reality noch ganz am Anfang. Oft geht es da noch mehr um das Wow!-Erlebnis als um eine ausgefeilte Geschichte. Kenner wie Nicolas Chibac von SpiceVR sprechen daher auch lieber von „Experiences“, also Erfahrungen, als von Filmen. Wenn dieser Effekt irgendwann verpufft ist und VR als Normalität empfunden wird, werden die erzählerischen Elemente sicher an Bedeutung gewinnen.
Im Oktober steigt in Hamburg die ESL ONE
Beim eSports sorgt nicht unbedingt das digitale Sportgeschehen für die besten Geschichten, sondern vielmehr das drumherum. Das erklärte Arne Peters von der Electronic Sports Leage im Gespräch mit Oliver Redelfs. Besonders Live-Events spielen da eine wesentliche Rolle. Ein Megaspektakel dieser Art erwartet Hamburg im Herbst. Ende Oktober findet in der Barclaycard Arena das ESL ONE statt, ein monumentales DOTA 2-Turnier. Laien werden mit diesen Kürzeln nicht viel Anfangen können, für Fans ist das eine ganz große Geschichte.
Trotz allumfassender Digitalisierung finden nach wie vor ganz klassisch auf Papier gedruckte Bücher ihre Leser, zumal, wenn sie ein populäres Videospiel als Grundlage haben. Dr. Karl-Ludwig von Wendt, besser bekannt unter seinem Pseudonym Karl Olsberg, lässt seine Kinder- und Jugendromane in der Welt von Minecraft spielen. Minecraft ist ein Open-World-Game ohne festes Spielziel und somit prädestiniert, um die eigene Fantasie anzukurbeln.
Die vier Erfolgskriterien für gutes Storytelling gelten auch für Startups
Das tut Karl in seinen Büchern und greift dabei auf vier Erfolgskriterien zurück, die ebenso für das Storytelling in anderen Bereichen gelten: Relevanz, Originalität, Sympathie und Glaubwürdigkeit. Lässt sich wunderbar auf das Startup-Marketing übertragen.
Gamification kommt normalerweise ohne großes Storytelling aus. Schließlich soll das Motivationsdesign, wie Tahsin Avci, CEO der Pop Rocket Labs GmbH, diese Disziplin am liebsten nennt, Menschen dazu bringen, Dinge zu tun, die ihnen sonst wenig Spaß machen. „Fun is another word for learning“, zitiert Tahsin und zeigt eine Reihe von Beispielen für Motivationsdesign. Etwa einen für VW gedrehten Clip, bei dem ein Glascontainer beim Einwurf von Altglas wie ein Spielautomat reagiert. Das macht Spaß, ist aber noch kein Storytelling. Anders bei Zombies, Run!, einer App, die buchstäblich Beine machen soll. Hier werden Jogger spielerisch zu mehr Leistung animiert, indem ihnen Zombies an die Fersen geheftet werden.
Okay, wirklich realistisch ist das natürlich nicht, aber das erwartet in diesem Fall auch niemand. „Authentizität“ ist dagegen gefragt, wenn es um auf Plattformen wie YouTube und Instagram aktive Influenzer geht, die im Mittelpunkt der abschließenden Podiumsdiskussion standen. So spielt das Team von PietSmiet inzwischen auf YouTube nicht einfach nur irgendwelche Games durch, sondern treibt auch noch allerlei Schabernack drumherum. Hier funktioniert das zusätzliche Storytelling wunderbar, manchmal kann es aber auch das eigentliche Produkt in den Schatten stellen. An das Moorhuhn erinnern sich wahrscheinlich noch viele, aber wer weiß schon, dass das Spiel ein Marketinggag von Jack Daniels war?
Zu den meisten guten Geschichten gehört ein Happyend, gern verbunden mit einem kleinen Festmal, wie etwa bei Asterix. Dafür war auch bei der Hamburg Games Confernce gesorgt, allerdings gab es zudem noch einen Epilog. Den verantwortete das ubiquitäre Team von 12min.me mit zwei zusätzlichen Vorträgen nach bewährter Manier. Zuerst erklärte Melanie Taylor von Osmotic Studios ihr Spiel „Orwell“ und warum es auch für Indies völlig in Ordnung geht, mit Publishern zu arbeiten. Und dann führte Wolf Lang von Threaks sein VR-Game „Battle Planet“ vor, und vor allem seinen Gürtel mit der Wendeschnalle.
Wer an dem Abend nicht dabei war und die letzten Sätze nicht so ganz verstanden hat – kein Problem, ist ja nur ein Spiel. Und wenn es für die Hamburger Gamesbranche in letzter Zeit einige Niederlagen gerade für die Großen gab, machen zumindest die Kleinen Hoffnung. Die Geschichte geht also weiter, auch auf der nächsten Games Conference.
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