Fintech Ladies machen die Finanzwelt weiblicher
Manche glauben immer noch, Fintech und Frauen, das passt irgendwie nicht zusammen. Doch, das passt sehr wohl, weiß dagegen Christine Kiefer, und hat deshalb die Fintech Ladies gegründet. Zu diesem Netzwerk gehören inzwischen rund 300 Frauen, und damit es noch mehr werden, hat sie ihre Initiative im Rahmen der Fintech Week vorgestellt.
Wenn es um die Finanzbranche geht, macht Christine Kiefer so leicht niemand etwas vor. Sie hat Informatik und BWL studiert, jahrelang bei Goldman Sachs gearbeitet und ist dann in die Startup-Welt gewechselt. Mittlerweile steht sie vor der Gründung ihres dritten Fintechs. Eines hatten alle Stationen gemeinsam: sie war so ziemlich die einzige Frau. Die Branche ist nach wie vor sehr männerlastig, aber natürlich gibt es auch Frauen, die sich kompetent und erfolgreich mit Finanzthemen beschäftigen. Damit sich diese besser vernetzen können, hat Christine vor etwa eineinhalb Jahren die Fintech Ladies ins Leben gerufen.
Die IT bietet beste Jobchancen
Angefangen haben sie zu sechst in Berlin, mittlerweile ist die Initiative auch in Frankfurt, München, Wien und Zürich aktiv. Und natürlich in Hamburg, wo Anna Friedrich erste Ansprechpartnerin ist. Anna ist Head of Marketing & Communication bei collectAI und hat davor schon bei Kreditech gearbeitet, kennt sich also aus mit Fintechs, die schnell wachsen. Das gilt nicht für die gesamte Finanzbranche, bei ihrem Vortrag am Donnerstag im betahaus berichtet sie, dass schätzungsweise 20 % der klassischen Bankjobs in den nächsten Jahren wegbrechen werden. In der IT wird die Zahl der Arbeitsplätze dagegen um 47 % steigen.
Die Chancen für Informatikstudierende stehen also ausgezeichnet, doch sind davon nur 21 % Frauen. Bei Fintechs insgesamt liegt der Anteil etwas höher, nämlich bei rund 30 %. Die konzentrieren sich allerdings immer noch auf die Abteilungen, die traditionell als eher weiblich angesehen werden, also Marketing, PR und Personal. Programmentwicklerinnen sind dagegen eine echte Rarität. Woran das liegt? Sicherlich auch an dem Verhalten, das Frauen zeigen. Männer treten aggressiver auf, risikobereiter, sie können sich besser verkaufen. Frauen sind dagegen selbstkritischer und schrecken davor zurück, sich mit Technik zu beschäftigen.
Erfolg bei Fintechs ist auch Quereinsteigerinnen möglich
Dabei sind profunde Fachkenntnisse gar nicht zwingend notwendig, um in der Fintech-Szene anzufangen, vieles lässt sich bei der Arbeit lernen. Das hat auch Stella Regna festgestellt. Stella hatte sich im öffentlichen Dienst sechseinhalb Jahre vor allem mit dem Thema Frauen in der Arbeitswelt beschäftigt, eine tolle Sache, aber irgendwann verspürte sie das Bedürfnis, auch einmal etwas anderes zu machen. Sie erfuhr, dass bei einem Startup namens figo jemand für ein bisschen PR einmal pro Woche gesucht würde. figo-Mastermind André M. Bajorat wollte sie erst nicht einstellen, tat es dann aber doch, und schon fand sie sich in einem Team mit fünf Männern wieder, die ihr den Titel „Miss Propaganda“ verliehen.
Inzwischen hat figo 60 Mitarbeiter (davon 10 Frauen), André ist nicht mehr der alleinige Mittelpunkt des Unternehmens, und Stella arbeitet dort in Vollzeit. Selbstverständlich weiß sie inzwischen auch, was sich hinter Kürzeln wie API und PSD2 verbirgt. Zu Beginn musste sie solche Begriffe allerdings googeln. Ähnliche Erfahrungen hat Julia Faesser von Mastercard gemacht. Julia hat eine klassische Bankausbildung hinter sich, ein BWL-Studium abgeschlossen und danach bei einem Startup gearbeitet, das leider aufgeben musste. Was sie sie dabei erlebt hat, war zuweilen „die Hölle“, wie sie sagt, aber auch eine großartige Erfahrung.
Wer weiterkommen will, muss fragen
Als Projektleiterin für Mobile Payment beim Mobilfunkanbieter Base musste sie dann noch einmal ganz von vorn anfangen, in den ersten Meetings verstand sie kaum mehr als die Namen der Beteiligten. Googeln war mal wieder angesagt, aber auch intensives Nachfragen im Kollegenkreis. Dabei hat Julia eine erfreuliche Erfahrung gemacht: Nachfragen ist keine Schande, im Gegenteil, und es hat sie auch nie jemand abgewiesen. Heute ist sie Produktverantwortliche für digitale Bezahlservices bei Mastercard, ein Job, bei dem es auch um technische Fragen geht, Technik-Know-how aber nicht entscheidend ist. Vielmehr steht im Fordergrund, ein Produkt für den Nutzer so einfach wie möglich zu gestalten.
Mit hochkomplexen Technologien wie Blockchain und künstlicher Intelligenz beschäftigt sich Ekaterina Sirotyuk von der Credit Suisse, beziehungsweise mit Startups, die in diesen Fachgebieten unterwegs sind. Ekaterina ist in Russland geboren und schon viel in der Welt herumgekommen. Dabei hat sie festgestellt, das Frauen beispielsweise in ihrer ursprünglichen Heimat viel selbstverständlicher in die Arbeitswelt integriert sind als in Mitteleuropa. Die Vorbehalte, denen sie manchmal in der Finanzwelt noch begegnet, sieht sie allerdings weniger im Geschlecht als im Alter ihrer männlichen Gesprächspartner begründet.
Vorbilder sind wichtig, Unterstützer auch
Ekaterina rät dem übrigens ausschließlich weiblichen Publikum, an sich zu glauben und sich in Unternehmen sichtbar zu machen. Einem Rat, dem sich die übrigen Rednerinnen nur anschließen können; die Karriere kommt nicht auf einen zu, man muss den Weg schon selber gehen und sich ausprobieren. In der abschließenden Diskussionsrunde, geleitet von finletter-Herausgeberin Carolin Neumann, dreht sich dann vieles um solche allgemeingültigen Aussagen, die Frauen in der Arbeitswelt unabhängig von der Branche betreffen.
Spezielle Mentoren brauchen sie demnach nicht, aber Vorbilder, von denen sich einiges abschauen lässt. Wichtig ist zudem moralische Unterstützung aus dem Freundes- und Familienkreis, beispielsweise vom eigenen Mann. Aber auch weibliche Solidarität ist notwendig, zu oft sehen Frauen in anderen Frauen eher Konkurrentinnen als die Mitstreiterinnen. Und ganz wichtig: Bei allen Herausforderungen, die die Arbeitswelt mit sich bringt, immer Frau bleiben. Männer gibt es dort schon genug.
So geht eine Veranstaltung zu Ende, bei der die Zuschauerinnen eifrig mitdiskutierten. Das eigentliche Thema Fintech trat am Ende ein wenig in den Hintergrund, aber das wird bei den nächsten Treffen der Fintech Ladies sicherlich wieder anders werden. Wann und wo die stattfinden, verrät der Newsletter, der sich über die Webseite der Initiative abonnieren lässt. Und bis dahin: neugierig bleiben!
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