Finanzthemen bei SXSW: Fintech im Kontext, Blockchain & Crypto Currencies im Vordergrund.
Ein Gastbeitrag von Hartmut Giesen (Sutor Bank).
Um es gleich vorweg zu sagen: Fintech spielt nicht die Riesenrolle auf der South by South West (SXSW), der kreativ-digitalen Kongress-Messe, die jedes Jahr Anfang März die weltweite digitale Klasse ins texanische Austin ruft. Dafür rücken Blockchain- und Crypto-Currency-Themen immer weiter in den Vordergrund der SXSW-Agenda. Damit spiegeln sich die Entwicklungen der letzten Jahre und Monate schon im Veranstaltungsprogramm wider.
Fintech reifend im Kontext
In den Conference-Tracks, die die relevanten Diskussionsthemen während der SXSW bestimmen, erscheint Fintech als Topic nicht auf der ersten Agenden-Ebene. Und auch der berühmte Startup-Wettbewerb kommt im Gegensatz zu den Vorjahren ohne einen eigenen Fintech-Pitch aus.
Trotzdem oder gerade deswegen ist und bleibt die SXSW ein zuverlässiger Gradmesser, wo die Entwicklung von Fintech und Finance im Kontext der globalen, digitalen Entwicklungslinien steht. Vor allem, wenn man den Fokus etwas weitet und auch das Thema Blockchain & Crypto Currencies betrachtet, das einen wesentlichen, breiten Raum in Austin einnimmt. Es gibt sowohl einen eigenen Conference Track als auch einen eigenen Pitch-Wettbewerb zu Crypto-Technologien. Darüber hinaus sind ihnen einige Key Notes gewidmet, deren Sprecher die größten Säle füllen.
Dass Fintech aus dem direkten Fokus der Konferenz rutscht, hat viel damit zu tun, dass die Branche erwachsen wird und sich in die Kontexte anderer Lebensbereiche einbettet. In der realen Welt lässt sich die Entwicklung am Trend des Kontext-Banking beobachten. Technologie-Startups und innovative Banken integrieren ihre Finanzprodukte und -dienstleistungen direkt in die Lebenszusammenhänge und Geschäftsprozesse von Menschen und Unternehmen.
Auf der SXSW spiegelt sich diese Entwicklung in dem Sinne wider, dass Fintech als „Label“ verschwindet, aber in den Kontexten der übergreifenden Themen wieder auftaucht und dort eine wichtige Rolle spielt. Beispielhaft lässt sich dies am Startup-Pitch-Wettbewerb betrachten, der in den letzten Jahren immer einen eigenen Fintech-Track hatte. Den gibt es 2019 zwar nicht mehr, dafür pitchen in fast allen aktuellen Tracks mehr oder weniger klassische Fintech-Startups um einen der renommierten Preise:
- Novo, ein Startup aus New York, bietet kleinen Unternehmen spezielle Konten bei einem Netzwerk von Genossenschaftsbanken an; ist also so etwas wie eine Mischung aus Kontist und den Geno-Banken hier in Deutschland. Novo tritt im Track Enterprise and Data an.
- Ibble, das, in Austin beheimatet, zum Heimspiel im Track Entertainment & Content antritt, kuratiert und publiziert Inhalte, um Wissen und Selbstvertrauen in finanziellen Dingen aufzubauen. Im gleichen Track demonstriert Vidgo, wie sich mit auf Bargeld basierenden Prepaid-Systemen der Zugang zu Streamingdiensten auch für Menschen ohne Bankverbindung öffnen lässt.
- Invest Accure PBC aus New York bietet eine Art Crowdfinance-Plattform für die Entwicklung von Medikamenten an, um Pharma-Innovationen auch außerhalb der großen Multis zu ermöglichen, die für ihre Produkte horrende Preise verlangen und dies mit hohen Entwicklungsinvestitionen rechtfertigen. Invest Accure PBC pitcht im Wettbewerb Health & Wearable (seltsame Kombination übrigens).
- RocketDollar, Austin, Teilnehmer im Track Hyper Connected Communities, ermöglicht Investments in alle Finanzprodukte, die für die Altersvorsorge in den USA freigegeben sind.
- EnrichHER Funding, Atlanta, bietet weiblichen Gründern und von Frauen geführten, kleineren Unternehmen spezielle, meist kreditbasierende Finanzierungen an, mit denen sie keine Anteile an ihren Unternehmen verlieren. EnrichHER ist im Track Social and Culture am Start.
- SteamChain aus Milwaukee verbindet im Pitch-Track Blockchain Technology die Performance von industriellen Maschinen via Blockchain mit finanziellen Transaktionen, was in Richtung automatisierte Payment-Prozesse in Internet-of-Things-Anwendungen geht.
Blockchain und Crypto Currencies revolutionär im Vordergrund
Damit sind wir beim Themenkomplex Crypto-Tech, der nicht nur auf der SXSW eine digitale Relevanz erlangt hat, die Fintech vielleicht nie hatte. Neben dem eigenen Pitch-Wettbewerb Blockchain-Technology gibt es in Austin zum zweiten Mal einen kompletten Conference-Track Blockchain & Crypto Currencies mit über 40 Veranstaltungen und Key Notes. Sowohl im Pitch-Wettbewerb als auch in den Konferenz-Sessions geht es dabei eher seltener um Finanzanwendungen wie Bitcoin-Zahlungen oder Investments in Crypto-Vermögenswerte. Weit öfter steht die Abbildung von Real-World-Prozessen im Vordergrund, etwa die technische Herstellung von Vertrauen oder das betrugssichere Verfolgen von Herkünften oder Besitzverhältnissen.
So adressieren die Startups im Pitch-Wettbewerb Anwendungsfälle wie den zweifelsfreien Herkunftsnachweis menschlicher Eizellen, die Optimierung von Supply Chains, die sichere Verwaltung von genetischen Profilen oder das Management von geistigem Eigentum in der Wissenschaft. Ähnlich breit ist das Themenspektrum in der Konferenz. Natürlich wird hier auch über ICO, Security Token oder Crypto-ETFs diskutiert. Mindestens genauso wichtig sind jedoch Anwendungen in der Film- und Musikindustrie – wahrscheinlich unter anderem deshalb haben die Veranstalter den Crypto-Conference-Track parallel zum Musik- und Film-Teil der SXSW gelegt.
Die SXSW ist für Fintechies die Veranstaltung, die sie besuchen sollten, wenn sie erspüren wollen, in welcher Welt sich Banking und Finance in Zukunft abspielen werden. In dem Sinne sind nicht nur die Sessions relevant, die sich explizit mit Finanzthemen beschäftigen, sondern vor allem die, die sich mit den künftigen digitalen (Lebens-) Wirklichkeiten von Individuen, Gesellschaften, Kulturen Unternehmen und Infrastrukturen befassen. Das sehen übrigens immer mehr Finanzmenschen ebenso – das SXSW-Teilnehmerverzeichnis zählt über 700 Vertreter aus Financial-Services-Branchen, sie stellen damit das größte Industrie-Kontingent in Austin.
Traditionell haben Hamburger Startups auf dem South by Southwest Festival (SXSW) in Austin, Texas eine ausgezeichnete Figur gemacht. Hamburg Startups ist mittlerweile offizieller Partner der Veranstaltung und berichtet hier über die SXSW-Abenteuer der bisher größten von uns begleiteten Delegation, die wir vor Ort tatkräftig unterstützen. Möglich machen das unsere grandiosen Partner von der Deutschen Bank, Hamburg Invest, Beiersdorf , der Sutor Bank, Lufthansa Industries Solutions sowie EY und Vast Forward, bei denen wir uns ganz herzlich bedanken!
Beitragsbild: Gastautor Hartmut Giesen