Female StartAperitivo wird zum Gründerinnen-Gipfel
Noch kein Jahr alt ist der Gründerinnenwettbewerb „Female StartAperitivo“, da hat er sich schon zu einer der beliebtesten Strtup-Veranstaltungen Hamburgs entwickelt. Entsprechend voll war es letzten Donnerstag im Knust, als hempy period sich den Publikumspreis holte und 5pectre Optix und tœrn die nächsten beiden Plätze belegten. Aber auch für alle anderen Beteiligten war der Abend ein voller Erfolg.
„The time is now“, konstatierte Fabiola Hochkirchen, die sich als vierfache Mutter und Business Angel vorstellte, in ihrer Keynnote. Sie meinte damit, dass die Zeit reif sei für Startup-Gründerinnen. Ein Grund, warum es Veranstaltungen wie Female StartAperitivo überhaupt gibt, ist die Tatsache, dass Frauen bei Gründungen und erst recht bei Finanzierungen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Aber es bestünden gleich fünf Gründe für Optimismus, meinte Fabiola Hochkirchen.
5 Gründe, warum die Zeit reif ist für Gründerinnen
- War die Venture Capital-Welt bisher fast ausschließlich von Männern geprägt, so agieren zunehmend mehr Frauen als Investorinnen. Ein Beispiel ist AUXXO, ein VC-Firma von und für Frauen, an dem auch Hochkirchen beteiligt ist.
- Corona hat viele Veränderungen in der Arbeitswelt bewirkt oder beschleunigt, etwa auf Bezug auf die Frage, wie sich Beruf und Familie vereinbaren lassen. Eine Frage, mit der sich Frauen schon immer intensiver beschäftigen mussten als Männer, was ihnen jetzt ein Kompetenzvorsprung einbringt.
- Nachhaltigkeit ist der große Trend unserer Zeit. Damit verbunden ist ein Wirtschaften, das mehr auf Gründlichkeit und Solidität wert legt als auf unbedingtes Wachstum. All das Eigenschaften, die man eher mit weiblichen Führungskräften in Verbindung bringt.
- Wie gesagt, noch sind Gründerinnen in der Minderheit. Doch ihre Zahl steigt und somit auch die Zahl der Vorbilder und Netzwerke, die jungen Frauen den Einstieg leichter machen.
- Die großen Themen unserer Zeit lassen keinen Platz für Partikularinteressen. Große Lösungen können nur alle zusammen einwickeln, Frauen und Männer gemeinsam und gleichberechtigt.
Die Voraussetzungen für Gründerinnen sind also günstig, aber die Kandidatinnen des Abends hätten ihren Weg wohl auch unter widrigeren Umständen gemacht, so kompetent und selbstbewusst, wie sie in ihren Pitches auftraten. Hier kurz noch die Erklärung zum Modus des Wettbewerbs, bevor wir zum Finale kommen: Im Vorfeld fanden vier Qualifikationsrunden statt, aus denen jeweils zwei Finalistinnen aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg hervorgingen. Die kämpften nun um die Krone, beziehungsweise einen kupferfarbenen Cocktailshaker, und weitere Preise.
Fünf Mal tolle Ideen, Pitches und Gründerinnen
Den Auftakt machte Samira Huber von Sustomer aus Lübeck, die bei der Vorentscheidung in Schleswig-Holstein den zweiten Platz belegt hatte. Ihr Startup entwickelt eine App, die alle wichtigen Produktinformationen liefert, um einen möglichst nachhaltigen Konsum zu ermöglichen. Das nördlichste Bundesland vertrat außerdem Christina Wittke von myStandards mit einem Produkt, das wahrscheinlich längst nicht alle auf Anhieb verstanden haben: Nano-Pellets, welche die Kalibrierung von Analysen von beispielsweise Gestein zuverlässiger machen. Sie präsentierte das aber mit so viel Witz und Leidenschaft, dass sie das Publikum schnell für sich gewinnen konnte.
Mecklenburg-Vorpommern schickte mit hepster ein Unternehmen ins Rennen, das über den Startup-Status eigentlich schon hinaus ist. Mitgründerin Hanna Bachmann präsentierte Zahlen, die eindrucksvoll belegten, wie erfolgreich die Geschäftsidee ist, produktbezogene Versicherungslösungen anzubieten: über 100 Mitarbeitende, mehr als 200.000 Kundinnen und Kunden, über 2.000 Partnerunternehmen und ein Wachstum, das sich von Jahr zu Jahr mehr als verdoppelt. Entsprechend hoch sollte die nächste Finanzierungsrunde ausfallen. 20 Millionen Euro sind angepeilt. Ehrgeizige Ziele hat auch INOVA Protein aus Rostock. Die Biologin Raijana Schiemann erläuterte, wie ihr Startup die Insektenzucht optimieren und die Kerbtiere als klima- und ressourcenschonende Proteinquelle durchsetzen will.
Thematisch war sie damit gar nicht so weit entfernt von Michelle Spitzer von eco:fibr. Im Mittelpunkt standen hier allerdings nicht Insekten, sondern Ananas, beziehungsweise die bei deren Ernte übrig gebliebenen Pflanzenreste. Bisher nur Müll, lassen die sich hervorragend zu Zellstoff für die Papierherstellung verarbeiten und retten damit auch zahlreichen Bäumen das Leben. eco.fibr trat für Niedersachsen an, genau wie hempy period, doch dazu etwas später. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Hamburger Kandidatinnen.
Platz 2 und 3 für Hamburg
Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sie einen kleinen Heimvorteil hatten. Das soll aber nicht heißen, dass sie ihr gutes Abschneiden nicht verdienen würden, allein schon wegen der kreativen Pitches. Die drittplatzierte Eva Aumüller von tœrn brachte eine im Internet bestellte Hose mit, die ihr nicht passte und die sie zurücksenden wollte. Ob das wirklich ihre eigene Geschichte war, sei dahingestellt, auf jeden Fall spielt sie sich täglich tausendfach so ab. tœrn möchte nun dafür sorgen, dass Retouren nicht mehr zurück zum Onlineshopbetreiber müssen, sondern ohne Umwege wieder in den Verkauf gehen können.
Einen überzeugenden Auftritt hatte auch die zweitplatzierte Dr. Ekaterina Zapolnova von 5pectre Optix als etwas verpeilte, aber brillante Wissenschaftlerin. Kein Wunder, denn die spielt sie nicht nur, sie ist eine. Ihre Erfindung ist das kleinste Breitbandspektrometer der Welt, das nicht nur enorm viel Platz spart, sondern auch erhebliche Kosten. Mit dem Gerät lassen sich die Echtheit von Schmuck überprüfen, Scotch von Irish Whiskey unterscheiden (im Knust vorgeführt) und Mutationen von Coronaviren analysieren. Und noch so einiges mehr.
hempy period heißt der Publikumsliebling
Vermutlich auch, ob ein Tampon aus Baumwolle oder aus Hanf besteht. Womit wir wieder bei hempy period wären. Die drei Gründerinnen Amelie Harm, Chiara Kracklauer und Agnes Maria Paul waren sichtlich gerührt, als sie von ihrem Sieg erfuhren. Damit hatten sie, die noch ganz am Anfang stehen und gerade am Prototyp basteln, offensichtlich nicht gerechnet. Mit ihrem Hanftampon, der eine wesentlich bessere Umwelt- und CO2-Bilanz aufweist als jede noch so nachhaltig produzierte Alternative aus Baumwolle, trafen sie den Nerv des Publikums. Bleibt zu hoffen, dass sich auch ihr bescheidener Wunsch nach einer Anschubfinanzierung in Höhe von 35.000 Euro erfüllt. Solche Investments auf den Weg zu bringen, ist schließlich ein wesentlicher Zweck von Female StartAperitivo.
Female StartAperitivo gibt weiter Gas
Und es ist ein wesentlicher Zweck des Hamburg Investors Network der IFB Innovationsstarter GmbH, das als Hauptorganisator hinter dem Event steckt. Mit dem Pitchfinale ist da auch noch lange nicht Schluss; eigentlich fängt es jetzt erst so richtig an. In Kürze beginnt eine Reihe von Workshops für Gründerinnen und Masterclasses für (angehende) Investorinnen und Investoren. Am 7. Dezember gibt es ein institutionenübergreifendes Treffen aller, die sich die Förderung von Gründerinnen auf die Fahnen geschrieben haben. Und 2023 wird Female StartAperitivo zu einem bundesweiten Wettbewerb. Darauf kann man gut und gerne anstoßen!