Fast Mover: schnelle Lösungen für den Journalismus in Zeiten von Corona
Mit welchen Innovationen kann der Journalismus auf die Corona-Krise reagieren? Antworten auf diese Frage suchte das Förderprogramm Fast Mover von nextMedia.Hamburg. Das legte tatsächlich ein hohes Tempo vor, von der Idee über die Ausschreibung bis zur finalen Präsentation vergingen nur wenige Wochen. Wir stellen die vier ausgezeichneten Projekte vor.
Die Corona-Krise bringt dem Journalismus einen hohen Relevanzgewinn, seriöse und verlässliche Informationen sind gefragt wie nie. Gleichzeitig stellen die zahlreichen Einschränkungen die Branche vor ganz neue Herausforderungen. Grund genug für nextMedia.Hamburg, das Förderprogramm Fast Mover in kürzester Zeit auf die Beine zu stellen. Gesucht waren Projekte in den Kategorien „Content & Formate“ und „Infrastruktur“, die besonders geeignete Lösungsansätze bieten konnten.
Obwohl die Bewerbungsphase nur knapp eine Woche dauerte, gingen über 30 Vorschläge ein. Die Kandidaten stellten sich in dreiminütigen Videos und Kurzbeschreibungen ihrer Konzepte vor. Eine Jury aus Branchenprofis von etablieren Medienunternehmen und Förderinstitutionen begutachtete alle Einreichungen und entschied sich für folgende vier Projekte:
Content & Formate: THE DISTIQT und Flip
Das Startup THE DISTRIQT baut gerade einen Videokanal für Frauen auf, der Unterhaltung und Information verbindet. Als Edutainment bezeichnet Gründerin Charlotte Richter-Kiewing das Konzept. Für Fast Mover hat sie mit ihrem Team ein Format entwickelt, bei dem Menschen erzählen, wie sie mit Krisensituationen umgehen. Die Psychologiestudentin Emily Rodenberg interviewt dafür beispielsweise eine Musikerin aus New York, eine Hotelbesitzerin aus Bangkok oder einen Barkeeper aus Berlin.
Alle Gespräche beinhalten dieselben Fragen und einen Persönlichkeitstest. Mit ihrer Mutter, einer Psychologin, und weiteren Experten, wertet Emily die Antworten aus und hofft so, ein Charakterbild krisenresistenter Persönlichkeiten erstellen zu können. Die 3.000 Euro aus dem Förderprogramm fließen in die Post-Produktion der Videos, die auf Instagram und LinkedIn zu sehen sein werden.
Während THE DISTRIQT durch seine Teilnahme am next media accelerator bereits eine gewisse Bekanntheit in der Hamburger Medienszene hat, ist Flip ein brandneues Projekt. Dahinter stecken allerdings erfahrene Köpfe aus dem Journalismus und der Startup-Welt. Gemeinsam wollen sie eine Plattform aufbauen, die eine nachhaltigere und umweltfreundlichere Ökonomie unterstützt. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zunächst über einen Newsletter erfahren, wie sie ihren Beitrag zum Aufbau einer neuen, besseren Wirtschaft leisten können.
Das Bedürfnis nach einem Neustart in vielfacher Hinsicht war wahrscheinlich noch nie so weit verbreitet wie in diesen Tagen. Darauf setzt das Team von Flip, das momentan noch nicht an die Öffentlichkeit treten möchte. Wenn die Umsetzung der Idee gelingt, wird man aber sicherlich noch einiges von Flip hören.
Infrastruktur: Hostwriter und Remote Journalism
Auch das größte Medienunternehmen kann sich kein Korrespondentennetz leisten, dass alle Brennpunkte der Welt abdeckt. Die Lücke schließen können Journalistinnen und Journalisten vor Ort, die zudem eine größere Authentizität und Kompetenz mitbringen. Insofern hatte das Netzwerk Hostwriter mit seinen über 5.000 Mitgliedern in 154 schon vor der Corona-Krise für guten Journalismus eine hohe Relevanz. Die ist durch die aktuelle Situation mit der verstärkten Nachfrage nach Informationen einerseits und weltweiten Reisebeschränkungen andererseits noch einmal gestiegen.
Für Fast Mover hatte sich Co-Founderin und CEO Tabea Grzeczyk deshalb mit der Idee für eine COVID-19-Kollaborationsbörse beworben. Dort können sich Freelancer und Redaktionen vernetzen. Kollaborativer Journalismus nennt sich das, ein Modell, dem Tabea auch nach Ende der Krise eine große Zukunft voraussagt.
In der Gegenwart findet Journalismus oft in den eigenen vier Wänden statt, mit über das Internet geführten Interviews und schnell produzierten Videos. Das Angebot in diesem Bereich ist groß, die Qualität aber nicht immer sehr hoch. Für viele ist die dafür benötigte Technologie tatsächlich noch Neuland.
Der Datenjournalist Marco Maas will da Aufklärungsarbeit leisen. Unter dem Titel Remote Journalism produziert er eine Reihe von Videos und Texten, die die technischen Voraussetzungen für guten Content erklären. Themen wie Verbindungsprobleme, Bild- und Tonqualität und die benötigte Ausstattung stehen dabei auf dem Programm.
So geht es weiter mit Fast Mover und dem Journalismus
Fast Mover war zwar eine Art Schnellschuss, der aber durchaus Langzeitwirkungen haben könnte. Die Unterstützer des Wettbewerbs, darunter der SPIEGEL, das Greenhouse Innovation Lab, die Rudolf Augstein Stiftung und der next media accelerator, haben großes Interesse an den Projekten gezeigt und planen eine weitere Zusammenarbeit. Auch die Initiative selbst könnte eine Fortsetzung finden, hat uns Nina Klaß, Leiterin bei nextMedia.Hamburg, verraten. Das genaue Thema und Zeitpunkt stehen allerdings noch nicht fest.
Für Startups aus der Medienbranche sieht Nina in der Corona-Krise gute Chancen, wenn sie die richtigen Themen anpacken. Ein Vorteil ist ihre Flexibilität und die Fähigkeit, auf Veränderungen schnell zu reagieren. Bei den Inhalten sollte sich Diversifizierung auszahlen, eine Spezialisierung auf Themen, die die Großen nicht abdecken. Digitalisierung, New Work und Datenjournalismus sind weitere Stichworte, die Startups schneller mit Leben füllen können als etablierte Medienkonzerne. Gleichzeitig gilt es, starke Marken und journalistische Vielfalt zu bewahren. Das gelingt am besten, wenn das Prinzip der Kollaboration noch stärker in den Vordergrund tritt. Ein Programm wie Fast Mover ist da ein Schritt in die richtige Richtung.