Farmers Cut – die Zukunft der Landwirtschaft liegt in der Stadt
Indoor Farming ist eine Alternative zur herkömmlichen Landwirtschaft, die vor allem in Asien und den USA vorangetrieben wird. In Europa ist Farmers Cut ganz vorn dabei, die Anlage des Hamburger Startups ist sogar weltweit einzigartig, vieles daran top secret. Wir durften trotzdem einen Blick riskieren.
Der Salat, der im Winter bei uns in den Handel kommt, hat meist schon eine Reise von rund 2.500 Kilometern hinter sich. Er kommt aus Spanien, wurde dort unter Einsatz von viel Wasser und Pestiziden angebaut und auf den Weg hierher stark heruntergekühlt. Ein enormer Aufwand für ein Produkt mit vergleichsweise bescheidenem Geschmack und Nährwert. Das ist doch kaputt und muss auch anders gehen, dachte sich Mark Korzilius, Gründer der Restaurantkette Vapiano, und rief Anfang 2015 Farmers Cut ins Leben.
Als Mitgründerin dabei war von Beginn an Isabel von Molitor, die in New York gearbeitet und die dortigen Food-Trends mit großem Interesse verfolgt hat. Einer davon ist „Indoor Farming“ oder „Vertical Farming“, also der Anbau von Salat und Gemüse in geschlossenen Räumen mitten in der Stadt. In den USA gibt es schon eine Reihe von Anlagen, ebenso in Japan, doch die verwendete Technologie entsprach nicht vollständig den Vorstellungen von Mark und Isabel. Also holten sie sich Rat von Experten aus Japan, Finnland und den Niederlanden und entwickelten ihre eigene Methode: Dryponics.
Dryponics ist eine Weiterentwicklung der bereits etablierten Hydrokultur oder Hydroponik. Dort wurzeln Pflanzen in einem Substrat statt in Erde und bekommen Nährstoffe über eine wässrige Lösung zugeführt. Dryponics funktioniert ähnlich, nur wird hier deutlich weniger Wasser eingesetzt. In einem Kreislaufsystem kann es immer wieder neu verwendet werden. Da zudem Verdunstung in dem geschlossenen System nur eine geringe Rolle spielt, liegt der Wasserverbrauch um 90 Prozent niedriger als bei herkömmlichen Anbaumethoden.
Harvest on demand sorgt für optimale Frische
Die Aufzuchtzeit beträgt etwa 19 Tage und zieht sich über drei Phasen: Auf das Ansähen erfolgt die Keimung, die jungen Keime kommen dann in das eigentliche Farmhaus. Das ist eine turmartige Konstruktion, in der auf neun Etagen der Salat heranreift. Die Temperatur liegt konstant um die 21 Grad Celsius, LED-Licht sorgt für einen 18 Stunden währenden künstlichen Tag. Die Salatblätter bleiben bis unmittelbar vor dem Verzehr an den Wurzeln. „Harvest on demand“ nennt sich das.
Dadurch ist der Salat immer unübertroffen frisch. Gewaschen werden muss er auch nicht, da er mit keinerlei Schadstoffen in Berührung gekommen ist. Und wer glaubt, dass Salat eigentlich nach nichts schmeckt, wird hier eines Besseren belehrt. Manche Sorten besitzen sogar ein intensives Senf-Wasabi-Aroma, sodass kaum noch Dressing benötigt wird.
Restaurants sind bereits Kunden
Auf der Wachstumsfläche von 540 Quadratmetern, die der Pilotfarm zur Verfügung stehen (der gesamte Komplex erstreckt sich über 2.000 Quadratmeter), kann die gleiche Menge produziert werden, wie auf 15.000 Quadratmetern herkömmlichen Farmlandes. Gleichwohl betreibt Farmers Cut natürlich kein Massengeschäft. Ein Teil der Produktion dient nach wie vor der Forschung und Optimierung der Prozesse, der Rest geht an Kantinen oder Restaurants wie das des Hotels Louis C. Jacob oder „Die Gute Botschaft“ von Tim Mälzer. Ab April sollen die Salate, Sprossen und Kräuter auch auf dem Isemarkt erhältlich sein. 100 Gramm kosten dann voraussichtlich ab 1,80 Euro.
Seinen Sitz hat das Startup in einer großen Halle auf dem Weg von den Deichtorhallen zum Mehr! Theater. Wie es dort genau aussieht, ist zum Teil geheim, weshalb wir auch keine Fotos davon veröffentlichen. Die verwendete Technologie ist, wie gesagt, einzigartig und patentgeschützt, auch die Zusammensetzung des Substrats bleibt ein Betriebsgeheimnis. Die besonderen Vorsichtsmaßnahmen sind nur zu verständlich, schließlich steckt ein Millionenbetrag in dem Unternehmen, überwiegend aus eigener Tasche finanziert. Externe Investoren sind noch nicht dabei.
Zukunftsmärkte sind Großstädte und sonnenreiche Länder
Die großen Ernährungsprobleme der Menschheit wird Indoor Farming nicht lösen können, schon deshalb, weil sich so Grundnahrungsmittel wie Getreide, Reis und Kartoffeln nicht produzieren lassen. Gerade für Großstädte stellt die Methode jedoch eine sinnvolle Ergänzung dar, nicht zuletzt, weil keine zusätzlichen Anbauflächen kultiviert werden müssen. In vielen Städten stehen große Hallen ungenutzt leer, in Japan waren das beispielsweise ehemalige Chipfabriken.
Farmers Cut sieht vor allem Regionen als Absatzmärkte für seine Farmhäuser, in denen Landwirtschaft aus klimatischen Gründen sonst kaum rentabel ist. Wüstenländer mit wenig Wasser und viel Sonne, die in Form von Solarenergie für den Betrieb der Anlagen genutzt werden kann. Dort stellt sich dann auch nicht die Frage nach den relativ hohen Energiekosten, die hierzulande manchmal als Kritikpunkt genannt werden. Gerade in den reichen Golfstaaten ist Bedarf sicherlich vorhanden; es wäre sehr erfreulich, könnte der durch Technologie made in Hamburg gedeckt werden.
Alle Food-Trends gibt es bei Food Innovation Camp!
Am 2. Juli veranstaltet Hamburg Startups in Kooperation mit dem StartupSpot zum zweiten Mal das Food Innovation Camp in der Handelskammer Hamburg. Das erste Food Innovation Camp 2017 war bereits ein großer Erfolg: über 1100 Besucher, 78 Aussteller, über 500 Matchmaking-Gespräche zwischen Food-Startups und Entscheidern aus Handel und Gastronomie und auch Investoren, spannende Vorträge und die Preisverleihung des ersten Hamburger Food Awards belegen das. Und das erwartet die Besucher 2018:
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Alle Fotos: Farmers Cut